Kapitel 34 ✔️

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Ich kam zehn Minuten eher an als sonst und war froh, dass die anderen Schüler erst langsam eintrudelten. Diejenigen die schon da waren, tuschelten schon wieder über mich oder sahen mitleidig auf den Boden. Danke, Ashton! Ich stieß die Flügeltür auf und trat in den fast leeren Gang. Ab sofort sollte ich eventuell früher zur Schule fahren, als sonst. Ich lief an den ersten Spinden vorbei und suchte meinen. 174. Die Zahl hatte sich wie das Amen in der Kirche eingeprägt. Ich gab die Zahlenkombination ein und öffnete ihn, als ein Brief heraus fiel. Ich hob ihn auf und faltete ihn auseinander. Freak!, zierte in schwarzer Farbe das schneeweiße Papier. Ich knüllte den Zettel zusammen und warf ihn in den Müll. Mit einem heftigen Knall schloss ich die Tür zu meinem Spint und machte mich auf den Weg zu meinem ersten Kurs mit Mr. Thorne.
Der Geschichtslehrer saß, über einen Stapel Dokumente gebeugt, an seinem Tisch und korrigierte Arbeiten. Ich murmelte ein Guten Morgen und wollte auf zu meinem Platz, als Mr. Thorne aufsah und mich stoppte. Ich fasste den Träger meines Rucksack etwas fester und drehte mich zu ihm um. Er wartete, bis ich zu ihm an den Schreibtisch getreten war, bevor er sich von seinem Stuhl erhob.

"Ms. Jefferson.", setzte er an. "Ich habe Sie falsch eingeschätzt. Vielleicht hätte ich Sie nicht sofort abstempeln sollen." Ich brauchte einen Moment um zu realisieren, was er da gerade eben gesagt hatte.
"Sie entschuldigen sich tatsächlich bei mir? Warum?", fragte ich.
"Weil ich großen Respekt vor Ihnen habe Melania.", gestand er. "Sie haben Stärke und Durchhaltevermögen gezeigt. Keiner der der Lykaner hat gemerkt, dass sie eigentlich menschlich sind und Sie haben tatsächlich alles dafür getan, um diese Seite zu verstecken. Für mich ist das keine Schwäche. Sie haben einen starken Charakter, der es Ihnen erlaubt, dort weiter zu machen, wo andere scheitern. Lassen Sie sich von niemanden, nicht einmal von mir, kleiner reden als Sie es sind."
Ich war wirklich erstaunt. Mr. Thorne, der mich letzten Freitag noch gehasst hatte, bestärkte mich jetzt? Ich blinzelte mehrmals erstaunt und schob dann den Träger meiner Tasche noch einmal nach oben.
"Danke, Mr. Thorne.", sagte ich, denn zu etwas anderem war ich gerade nicht im Stande. Er nickte.
"Aber Melania, eine Sache würde mich dann schon noch interessieren."
Ich wartete, als stumme Bestätigung.
"Sie sprachen von einem anderen Rudel, in das Sie gewechselt waren. Weshalb haben Sie das gesagt?"
Ich musste lächeln.
"Weil die Menschen und teilweise auch Lykaner, die ich dort drüben kennen gelernt habe, meine Familie sind. Mein Rudel.", antwortete ich.
Mr. Thorne nickte und begann dann wieder, weiter die Arbeiten zu korrigieren. Ich schüttelte unwillkürlich den Kopf und setzte mich dann auf meinem Platz.

Lynn ließ sich neben mich plumpsen und kramte sichtlich gehetzt ihre Unterlagen hervor. Sie war gerade noch rechtzeitig zum Unterricht erschienen, was Mr. Thorne zwar nicht gefiel, aber grimmig drein schauend hinnahm.
Unser Geschichtslehrer begrüßte uns und wollte gerade, erklären, mit welchem Thema wir uns als nächstes befassen würden, als die Tür hastig aufgestoßen wurde. Lukas und seine Kompanie traten ein und nuschelten ein leises Entschuldigung und setzten sich dann. Nur Zarek, der schlecht gelaunt schien, ging normal zu seinem Platz. Direkt hinter meinem. Mr. Thorne sah aus, als würde er gleich vor Zorn explodieren, doch er machte einfach weiter mit seinem Unterricht.
"In den letzten drei Wochen hatten wir uns noch einmal kurz über die Sitten und Regeln des Night - Rudels. Also dem, die die meisten von euch angehören." Die angesprochenen Lykaner richteten sich etwas gerader auf und waren sichtlich erfreut über das Thema.

Mr. Thorne schrieb etwas an die Tafel, als jemand hinter mir meinen Namen flüsterte. "Mel, hey!"
Lynn drehte sich um und bedeutete mir, dass es Lukas war. Ich kritzelte einfach weiter auf meinem Block herum. Immer wieder versuchte mich Lukas dazu zu bewegen, mich umzudrehen. Ich lauschte weiter den allgemeinen Fakten über das Rudel, die Mr. Thorne vortrug, doch nach zehn Minuten nervte es mich einfach. Ich drehte mich um und sah ihn genervt an.
"Was?", zischte ich leise.
"Können wir reden?", fragte er.
"Nein!", antwortete ich und wollte mich wieder umdrehen, doch Lukas hielt mich am Arm zurück. Unser Geschichtslehrer bekam zum Glück nichts mit. Ich atmete tief durch und wandt mich ihm dann wieder zu.
"Mel, hör zu. Tut mir leid, dass ich geglaubt habe, dass du vielleicht doch etwas mit den Morden zu tun hättest.", gab er zu.
"Du hast mir nicht einmal die Chance gelassen, mich zu verteidigen, sondern hast einfach geglaubt, ich wäre doch Schuld.", zischte ich und überprüfte ob Mr. Thorne uns erwischt hatte.
"Ja und das tut mir leid. Ehrlich. Ich hoffe du gehst trotzdem noch mit mir aus.", gab er von sich.
"Du spinnst wohl! Nach der Scheiße soll ich noch mit dir ausgehen? Geht's bei dir noch?", fragte ich. "Wenn du mich nicht einmal anhören konntest, wie willst du dann irgendwann Mal ein guter Alpha sein? Selbst dein Vater hat einfach nur die Schuld auf mich geschoben. Gerechtigkeit ist eine Fähigkeit die ihr anscheinend nicht wirklich kennt. Nur eure Regeln im Rudel zählen, alles andere ist unwichtig." Als ich mich wieder umdrehte, blickten mich alle an. Ich hatte den letzten Teil lauter ausgesprochen als beabsichtigt.

Wolfsblut - GefährtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt