Kapitel 42 ✔️

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Die Schreie kamen immer näher und plötzlich brachen die ersten Krähen aus dem Dickicht des Waldes heraus. Über das Dach meines Autos konnte ich sehen, dass die Tiere direkt auf uns zu flogen. Zarek riss mich auf einmal herunter, als die ersten Krähen auf uns niederstürzten oder durch die Scheiben des Wagens brachen. Das Glas ging scheppernd zu Bruch und Glassplitter flogen durch die Gegend. Zarek schirmte die Scherben mit seinem Körper von mir ab. Sein Gewicht presste mich auf den kalten Asphalt der Straße und seine Arme lagen schützend um mein Gesicht. Sein warmer Atem traf meine kalten Wangen, doch das hier hatte nichts romantisches an sich.
Die Krähen prallten noch immer vor den Waagen oder flogen darüber hinweg, direkt gegen die Bäume auf der anderen Straßenseite. Die Geräusche waren schrecklich und ich kniff fest die Augen zusammen. Erst die Leichen, dann der Hirsch und jetzt die Krähen, was war hier bitte los?
Einige der Krähen, im Inneren des Wagens, prallten an den Türen und der Decke ab, was dumpfe Geräusche entstehen ließ. Ich bekam eine Gänsehaut. Dieser Horror hier wollte einfach kein Ende nehmen. Die Geräusche wurden immer schriller, heftiger - bis sie irgendwann verstarben. Die wenigen Tiere die überlebt hatten, verschwanden im Dunkel der Nacht und die anderen, flatterten mit dem letzten Lebensrest in sich, hilflos im Waagen oder auf dem Asphalt herum. Zarek blieb weiter über mir, bis die letzten Geräusche auch noch verschwunden waren.
"Geht es dir gut?", flüsterte er leise und stemmte sich etwas hoch, sodass er mich ansehen konnte. Ich schluckte und zwang mich zu einem winzigen Nicken. Sprechen wäre sinnlos gewesen. Ich hörte Glasscherben knistern, als Dad Kate aufhalf.
"Bist du sicher?", hakte der Lykaner über mir weiter nach.

"Ja.", hauchte ich und sah ihn fest in die Augen. Sein Blick glitt über mein Gesicht und suchte nach einem Hinweis darauf, dass ich log. Als seine blauen Augen wieder meine trafen, verschwamm die Realität um uns herum. Die Emotionen in seinem Blick sprachen Bände und plötzlich war mir alles egal. Die Leichen, der Hirsch, die Krähen, meine Eltern waren mir gerade egal. Nur dieser eine Gedanke in meinem Kopf war wichtig.
"Zarek.", hauchte ich. "Sag es!"
Sein Blick wurde weicher.
"Mel, zwing mich nicht dazu. Du wirst deine Meinung sowieso nicht ändern und gehen wollen, also warum sollte ich es dann sagen?" Ich konnte den Schmerz hinter seinen Worten spüren und hoffte, dass er es trotzdem sagen würde.
"Zarek, ich muss es wissen. Bitte!", sagte ich. Ich wollte ihn nicht drängen, aber ich musste es wissen.
"Mel, ich kann es dir nicht sagen.", meinte er traurig und stand auf, bevor er mir hoch half.
"Warum kannst du es mir nicht sagen?", fragte ich. Kate und Dad tauschten verwirrte blicke aus.
"Weil es nichts ändern würde.", antwortete er und betrachtete das Massaker im Inneren meines Wagens.
"Und wenn es etwas ändern würde?", stellte ich als Gegenfrage.
"Dann würde ich es dir trotzdem nicht sagen. Nicht hier! Und außerdem würde ich mich dafür hassen, dass du wegen mir gezwungen bist hier zu bleiben. Ich merke doch, wie unglücklich du hier bist."
"Zarek! Du nimmst so ein Leben also lieber in Kauf als es zu riskieren, es mir zu sagen?", gab ich von mir und berührte ihn an der Schulter. Er drehte den Kopf und blickte auf meine Hand und nickte. "Du bist ein Idiot wenn du das tust."
"Dann bin ich das halt."

"Wir müssen den Alpha Bescheid geben, das gerade war nicht normal. Die Tiere benehmen sich merkwürdig und dass ist kein gutes Zeichen.", meinte er nach einigen Minuten. Mein Dad nickte zustimmen und ging dann schnell telefonieren. Kate kam zu mir und nahm mich noch einmal in den Arm, während Zarek vorsichtig meinen blutigen Koffer von der Rückbank nahm. Zusammen mit meinem Koffer packte er ihn in das Auto meines Vaters und fuhr dann selbst mit seinem Wagen weg.
"Liebes, willst du drüber sprechen?", fragte Kate sanft.
"Gerade nicht.", antwortete ich und blickte Zarek nach. "Es tut mir leid, dass ich ohne etwas zu sagen abgehauen bin, aber ich konnte keine Minute länger hier bleiben. Aber wie es aussieht, komme ich hier nicht weg."
"Das verstehen wir, Liebes. Aber jetzt solltest du vielleicht mit uns wieder zurück kommen und morgen bringen wir dich zum Flughafen. Du hättest mit uns reden können, Mel. Wir lieben dich und stehen hinter dir, egal für welches Leben du dich entscheidest.", sprach Kate aus und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
"Danke.", hauchte ich und umarmte sie fest. Ich war dankbar Kate an Dads' Seite zu wissen. Er tauchte hinter ihr auf und stimmte ihr zu, bevor er mir ebenfalls einen sanften Kuss auf die Stirn gab.
"Der Alpha kümmert sich um alles, auch um den Wagen. Wir können also erst einmal nach Hause fahren.", erklärte er und hielt Kate und mir die Türen seines Autos auf. Noch immer leicht neben der Spur ließ ich mich auf die Rückbank fallen und legte den Gurt an, bevor Dad mit Kate und mir zurück in die Stadt fuhr.

Wolfsblut - GefährtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt