Kapitel 87

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Immer sagen alle, wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei. Aber was ist mit Momenten, in denen du dich an bestimmte Dinge erinnerst und Situationen noch einmal durchlebst, von denen du eigentlich glaubtest, sie vergessen zu haben?
An mir zog nicht mein Leben vorbei, aber ich erinnerte mich daran, dass ich stets bemüht war, keine Schwäche zu zeigen. Ich erinnerte mich daran, was ich alles als Mensch geleistet hatte und dass ich, kein Lykaner sein musste, um Dinge zu stemmen. Aber mit dem hier, kam ich nicht klar. Die Dunkelheit aus dem Wald, schien nach der Mauer aus Lykanern vor uns zu greifen.
"Hey!", ertönte die Stimme von Lee, die zusammen mit Lya auf uns zu lief. Ich wandt mich zu ihnen. Ich merkte wie meine Finger vor Angst ganz kalt wurden und verschränkte die Arme deswegen vor der Brust. Es war Sommer, trotzdem ließ mich die Kalte, die sich plötzlich in meinen Gliedmaßen bemerkbar machte, erschaudern.
"Rudellose greifen an. Hunderte!", teilte Lya uns mit, doch als sie Dunkelheit sah, die aus dem Wald kroch, wurde sie leichenblass. "Das sind auf keinen Fall, nur Ausgestoßene!", verbesserte sie sich.
Gänsehaut überzog meinen Körper und auf einmal war ich mir sicher, der Adanyi trieb die Ruddellosen dazu. Genau, wie er die ganzen Tiere dazu gebracht hatte, sich selbst hin zu richten. Wie sollten wir es, mit solch einem Wesen nur aufnehmen?
Ich sah mich genauer um und irgendwo in der Menge erkannte ich den Alpha. Sein Beta stand schon verwandelt neben ihn fletschte die Zähne. Ich hatte nur eine Chance, etwas schlimmeres zu verhindern. Nur eine einzige Chance und wenn der Alpha mir nicht glaubte, dann würde ein Großteil dieser Lykaner sterben. Wegen mir, weil der Adanyi mich will!

"Mel, nein!", knurrte Zarek. Er hatte meinen Blick bemerkt. "Mel, das wirst du nicht tun. Nein!" Er wollte mich am Arm packen, doch ich rannte schon los. Eine Chance, an die ich mich fast naiv klammerte. Sie sahen mich nicht kommen, doch bevor ich den Alpha erreichte wurde ich fast schon brutal herumgerissen. Ich bereite mich aus dem Griff und wollte Zarek schon anbrüllen, nur hatte sein Vater mich abgefangen. Er sah extrem wütend aus, mich, zusammen mit den anderen, hier draußen zu sehen.
"Verdammt! Mel, was macht ihr hier draußen?", knurrte er. "Ihr solltet drinnen bleiben!" Zarek udn die anderen näherten sich uns schnell und wenn sie bei uns ankämen, würden sie mich zurück in die Schule schleifen.
"Derek, ich bitte dich!", flehte ich schon fast. "Ich hab nur noch diese eine winzige Chance, den Alpha davon zu überzeugen, dass er eine Macht zu bekämpfen versucht, gegen die er nicht gewinnen kann!" Zarek brüllte seinem Vater irgendetwas zu.
"Derek, bitte! Ich will nicht, dass jemand von euch, wegen mir drauf geht. Ich muss mit dem Alpha sprechen, bitte!" Er sah zu seinem Sohn und schien zu überlegen.
"Das wird Zarek mir nicht verzeihen.", sagte er und nickte dann. "Na los, Beeilung! Er heißt Stefan!" Ich bedankte mich bei ihm und lief los. Lykaner sahen mich an, doch keiner hielt mich mehr auf. Zu sehr richteten sie ihre Aufmerksamkeit auf den dunklen Wald. Ich hatte den Alpha fast erreicht, nur noch ein kleines Stück, doch plötzlich erschütterte lautes, grauenvolles Knurren den Wald und ließ den Boden unter unseren Füßen erbeben.

Mein Herz hämmerte stark gegen meine Brust und ich fühlte mich, als würde ich keinen Zentimeter voran kommen.
"Stefan!", rief ich, doch der Alpha starrte weiter knurrend auf die Waldgrenze. Ich fluchte. "Alpha!"
Dieses Mal, drehte er sich tatsächlich um. Er knurrte mich an und versuchte mich zurecht zu weisen, doch ich hörte nicht zu.
"Jetzt sein sie doch endlich still!", schrie ich über das Knurren und seine Raserei hinweg und stellte mich vor ihn. "Sie glauben vielleicht, dass die Ruddellosen für alles verantwortlich sind, aber das stimmt nicht. Die Wahrheit ist, dass sie in ihrem Stolz nicht einsehen wollen, dass die ganzen fürchterlichen Vorfälle, nichts mit den Rudellosen zu tun haben! Sie wissen nicht, gegen was sie da kämpfen! Sie haben schon genug Leute aus ihrem Rudel verloren, wollen sie da wirklich noch das Leben aller hier auf das Spiel setzten? Und das Leben der restlichen Lehrer und Schüler dort drinnen?" Ich wies mit dem Finger auf das Schulgebäude. Ich zitterte, aber mir war das jetzt egal.
"Zwei Drittel der Lykaner, hier auf dem Footballfeld, wird den heutigen Tag nicht überleben, denn das Wesen, das hinter all den grausamen Vorfällen der letzten zwei Wochen steckt, ist ein uraltes Wesen, das Fähigkeiten besitzt, die wir uns nicht einmal ansatzweise vorstellen können! Wir haben versucht, mehrfach versucht, ihnen das zu erklären, aber sie wollten es nicht wahrhaben! Wenn sie wirklich weiter glauben, dass sie nur gegen Rudellose antreten, dann wird ihr Rudel vielleicht in ein paar Tagen nicht mehr existieren!" Der Alpha schien fast vor Wut zu platzen, doch plötzlich tauchten die ersten Silhouetten der Rudellosen tauchten in der alles verschlingenden Dunkelheit auf. Das Blut gefror mir in den Adern zu Eis, denn ihre Augen funkelten wie scharfe, weiße Diamanten und plötzlich war ich mir sicher. Ganz sicher, dass der Adanyi über sie die Kontrolle hatte!

Wolfsblut - GefährtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt