Kapitel 32 ✔️

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"Wie geht es ihr?", drang die leise Stimme von Lynn zu mir durch. Ich war auf dem Sofa eingeschlafen vor Erschöpfung und hatte fast fünf Stunden geschlafen. Als ich vorsichtig die Augen öffnete, war es draußen schon dunkel und schwaches Licht erhellte das Zimmer. Ich richtete mich langsam auf und rieb mir den Schlaf aus den Augen. Meine Familie hatte sich an der Kücheninsel versammelt und wartete darauf, dass ich endlich wach wurde. Doch ich sah, dass Ashton fehlte.
"Wie geht es Cody?", fragte ich mit kratziger Stimme und ging zu ihnen.
Lynn sprang von dem Hocker und umarmte mich.
"Er wird es überstehen.", antwortete sie. "Er ist zwar noch nicht so weit, sodass er sich zurück verwandeln kann, aber er wird es gut überstehen."
Ich nickte und war wirklich froh darüber, das zu hören. Ich nahm mir eine kleine Flasche Cola aus dem Kühlschrank und leerte sie in einem Zug. Ich hatte Durst, doch in erster Linie brauchte ich den Zucker.
"Hat Ashton tatsächlich den anderen gestanden, dass ich ein Mensch bin?", fragte ich vorsichtig in die Stille hinein. Lynn sagte nichts, was ich als stumme Bestätigung betrachtete. Er hatte dazu kein Recht gehabt.
"Wo ist er?", wollte ich wissen.
"Draußen. Zarek wollte mit ihnen unter vier Augen sprechen.", entgegnete Lynn. Also wartete ich.

Die Haustür wurde geöffnet und mein Bruder trat gefolgt von Zarek ein. Ich starrte stur auf die graue Granitfläche der Kücheninsel und biss die Zähne zusammen.
"Mel, du bist wach. Wie fühlst du dich?", fragte Ashton und blieb bei Lynn stehen.
"Belogen. Betrogen. Beschämt. Hintergangen.", zahlte ich auf und und konfrontierte ihn mit dem, was er mir angetan hat. "Soll ich weiter machen, Ashton?"
"Mel, es tut mir leid. Ich...", setzte er an, doch ich wollte das nicht hören.
"Dir tut es leid?", höhnte ich. "Du hattest kein Recht dazu! Selbst wenn die Welt untergegangen wäre, hättest du kein Recht dazu gehabt, mich so dermaßen bloß zu stellen!" Tränen bildete sich in meinen Augen, doch ich riss mich zusammen. Kate und Dad hatten sichtlich keine Ahnung worum es gerade ging. Lynn zog den Kopf ein und machte einige Schritte zurück. Zarek hingegen beobachtete uns nur stumm.
"Du hattest kein Recht, den anderen zu verraten, dass ich ohne das zweite Gesicht geboren wurde. Du. Hattest. Kein. Recht. Dazu.", die letzten Worte kamen gepresst heraus. Ich hatte Mühe, dem Drang ihm eine zu verpassen zu unterdrücken. Egal wie viele Schläge er dafür auch verdient hätte, ich würde es nicht machen.
"Mel, bitte! Es tut mir..."
"Nein! Ich will das nicht hören.", unterbrach ich ihn erneut. Die nächsten Worten, brannten heftiger in meiner Kehle als Feuer durch Benzin. "Das alles hier, war ein riesengroßer Fehler! Ich hätte nicht wieder her kommen dürfen. Ich bin so bescheuert!", schluchzte ich und ging nach oben. Ich hatte keine Kraft mehr. Ich war wirklich am Ende.

Meine Haut war durch das heiße Wasser, dass auf mich prasselte, gerötet und etwas wund, doch ich blieb weiter unter der Dusche stehen. Jetzt gerade war diese Duschkabine mein Rückzugsort. Meine Probleme blieben draußen und die letzten Sorgen wurden von dem Wasser davon geschwemmt. Das stellte ich mir jedenfalls vor.
Ich schloss die Augen für einen Moment und lauschte dem Rauschen des Wassers. Schweren Herzens stellte ich das Wasser ab und schlang ein Handtuch um meinen Körper. Der Spiegel über dem Waschbecken war beschlagen und ich fuhr einmal quer mit der Hand darüber. Das quietschende Geräusch, ertönte kurz, bis alles wieder in der Stille versank. Letzte Woche, um genau die selbe Zeit, sah ich noch gesund und stark aus, doch jetzt gleich mein Anblick einem Trauerspiel.
Das Gesicht blass, die Augenringe deutlich zu erkennen und der Blick trostlos und leer. Ich erkannte mich wirklich nicht wieder. Ich war noch nicht Mal eine Woche wieder hier und war jetzt schon völlig fertig.
Warum war ich nur wieder hier her gekommen?
Ein sanftes Klopfen an der Tür ließ mich aufsehen. Geht es dir gut?, fragte die Stimme in meinem Kopf. Zarek stand vor der Tür. Ich antwortete nicht sondern tauschte schnell das Handtuch gegen meinen Bademantel und schob die Tür beiseite.

Wolfsblut - GefährtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt