Kapitel 14.

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Trace

Nie zuvor hatte ich meine eigenen Worte so sehr bereut. Ich wollte sie wieder zurücknehmen. Ich wollte ihn nicht abweisen, nicht verjagen und vor allem nicht allein lassen. Doch was blieb mir anderes übrig. Ich konnte mir einen weiteren Fehler nicht erlauben. Nein, nicht schon wieder. Nur leider gingen die Interpretationen über den Begriff "Fehler" in unterschiedliche Richtungen. Raik war kein Fehler. Nicht für mich. Niemals für mich. 

Es war nun schon fast ein ganzes Jahr vergangen, seitdem ich ihn als meine zweite Hälfte erkannt hatte und nun wo er bereit für mich war, nach all der Zeit, musste ich ihn fortschicken. Ich musste ihn in eine Zukunft schicken, die ich ihm niemals gewünscht hatte. Eine Zukunft ohne mich. 

Ich wusste selbst nicht woher ich die Kraft Auftrieb, die mich dazu verleitete, ihn aus dieser Tür gehen zu lassen. Ich hätte ihn aufhalten müssen. Ich hätte ihn in meine Arme ziehen und nie wieder loslassen sollen. 

Ich war kein edler Bruder, der das Wohl seiner Geschwister über das seiner zweiten Hälfte stellte. Nein, ich war einfach nur ein Feigling, der sich nicht traute einen Fehler zu begehen. Ich hasste mich für meine Schwäche. Ich wollte endlich frei sein. Ich wollte meine eigenen Entscheidungen treffen, meine eigenen Fehler begehen und aus ihnen lernen. Ich wollte zeichnen und mit meinen Freunden rumhängen, ebenso wie ich Raik packen und Küssen wollte. 

"Ist alles in Ordnung? Habe ich etwas falsches gesagt?" fragte die Frau, die in Vaters Augen die richtige Wahl für mich war. "Nein, nicht im geringsten. Es geht ihm nicht besonders gut, deswegen ist er bereits gegangen." antwortete ich kurz und knapp. Langsam setzte ich mich zu meiner Begleitung und.. wer auch immer uns Gesellschaft leistete. 

"Ich sollte auch gehen. Es war nett mit euch. Tut mir leid, dass wir euch gestört haben."entschuldigte sie sich schnell und verließ zögerlich das Lokal. Ihr war wohl auch endlich aufgefallen, dass Raik sie nur als Deckung benutzt hatte. 

Ich rief mir in Erinnerung, wieso er überhaupt erst zu einer Deckung übergreifen musste. Das war mindestens genauso meine Schuld, wie alles andere. 

"Ich mag deine Freunde. Sie sind wirklich nett." schwärmte Viktoria und ich erkannte die Art wie sie sprach wieder. Sie klang wie Mira und Brody. Wie Menschen, die einsam aufgewachsen waren. Sie hatte keine Freunde und war nie unter Menschen, die ihrem Alter entsprachen. Sie erkannte nicht den Unterschied zwischen wahren Freunden und oberflächlichen Bekanntschaften, deswegen tat sie mir auch ein wenig leid. Ich hatte wirklich nichts gegen sie. Viktoria war nett und übte eine angenehme Atmosphäre aus, doch sie war nicht mein Mate. Sie war ein Mensch, der von klein auf perfektioniert wurde, um in eine Schublade zu passen, die andere für sie angefertigt hatten. Sie war wie ich. Sie war das, was meine Familie wollte. Eine perfekte Frau für ihren perfekten Sohn, die ebenso perfekte Kinder bekamen und anschließend perfekte Enkelkinder. Wir waren in einem Kreislauf gefangen, der nur von außen durchbrochen werden konnte. Wenn ich sie heiratete, dann würde ich nie wieder die Chance bekommen, diesem Kreislauf zu entkommen. 

Konnte ich das wirklich tun? Sie heiraten? Würden unsere Kinder mich genauso verachten, wie ich meinen Vater verachtete? War das wirklich der einzige Weg in die Zukunft? War das mein Schicksal?

Nein, mein Schicksal ist es bei Raik zu sein und mit ihm glücklich zu werden.

Selbst wenn ich es schaffen würde das Rudel zu verlassen, ich würde meine Geschwister nicht so einfach mitnehmen können. Außerdem wo sollte ich hin? In das Wolfsrudel? Das war unmöglich. Nicht nur, dass die Hunde mich niemals akzeptieren würden, sondern auch, dass ich niemals ohne meine Leute auskommen könnte. Es war einfach unmöglich. Ich sollte der Wahrheit endlich ins Auge sehen. Ich war ein Gefangener und niemand konnte mich befreien, denn der Schlüssel zu meinem Käfig war schon vor langer Zeit verloren gegangen. 

It Mate Me Fall In Love With Him (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt