Epilog: Team TRAIK - Teil 6/8

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Raik (eine Woche später)

Voller Begeisterung starrten wir auf den schwarzen Ford, der es mit viel Glück in den Wald geschafft hatte. Brody hatte von sich aus vorgeschlagen in den nächsten Tagen drüben bei meinen Eltern zu schlafen, damit Leon sich langsam an uns gewöhnen konnte. 

Trace und ich strahlten unsere Betreuerin freundlich an und warteten nur noch darauf, dass der Junge aus dem Wagen stieg. Ganz so einfach war das jedoch nicht. 

"Leon? Möchtest du nicht rauskommen und deine neue Familie kennen lernen?" fragte die Fraum vom Jugendamt, doch es blieb still.

"Gebt ihm einen Moment. Ich bin sicher, er kommt gleich raus." versuchte sie uns zu beruhigen, doch auch nach einer gefühlten Ewigkeit regte sich absolut nichts. Der Kleine hatte sich im inneren des Wagens verschanzt und schien nicht im Traum daran zu denken auszusteigen. Ich blickte Trace ein wenig besorgt an, doch er schenkte mir ein herzliches Lächeln. Er sprach mir im stillen eine menge Mut zu, was ich wirklich zu schätzen wusste. Wir würden das gemeinsam meistern. 

...

Es dauerte fast eine Stunde um Leon aus dem Wagen zu bekommen und als er endlich vor uns stand wagte er es kein einziges Mal uns anzusehen. Unsicher versuchte er sich hinter der großen Karre zu verstecken, die ihn unweigerlich zu uns kutschiert hatte. Unsere Betreuerin machte ihm jedoch einen Strich durch die Rechnung und schob ihn sanft, zugleich aber auch bestimmend in Richtung Haus. Es tat mir ja schon ziemlich leid ihn so zu sehen. Er musste fürchterliche Angst haben und rechnete womöglich mit dem Schlimmsten. 

Normalerweise hätten wir uns vor dem Einzug ein paar Mal mit ihm treffen sollen. Da Leon jedoch ein besonders schwerer Fall war und das Jugendamt wirklich dringend eine Unterkunft für ihn benötigte, sahen wir uns heute also zum ersten Mal Live. Der Versuch ihn über Videochat kennen zu lernen war ebenfalls kläglich gescheitert, da er sich vor der Kamera versteckt hatte, noch bevor ich ihn begrüßen konnte. 

Es war also das erste Mal, dass er uns zu Gesicht bekam und wirkte keinesfalls begeistert. Wir nahmen es aber überhaupt nicht persönlich, da er wohl auf jeden Menschen mit Abwehr reagierte. Wie ein verschrecktes Tier blickte er sich in unserem Haus um, jederzeit bereit einen weiteren Fluchtversuch zu wagen. Mit gesenktem Kopf und wachsamen Augen trottete er langsam weiter und ich wünschte ich könnte etwas tun, damit er sich etwas wohler fühlte.

"Hallo Leon, ich bin Raik. Ich weiß es ist alles ein bisschen viel, aber du brauchst keine Angst vor uns zu haben. Möchtest du ein Stück Kuchen?" fragte ich ihn vorsichtig, doch meine Frage schien komplett an dem Jungen vorbei zu ziehen. Ich konnte ihm keine einzige Reaktion entlocken und so folgte er der Betreuerin weiter ins Wohnzimmer, in dem er sich anschließend in die hinterste Ecke quetschte, um bloß keine Aufmerksamkeit zu erlangen. 

...

Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile mit der Betreuerin, bis sie gegen Abend letztendlich all ihre Dokumente einpackte und sich von uns verabschieden wollte. 

"Falls ihr Fragen habt oder es zu Komplikationen kommt, dann meldet euch sofort bei mir." sagte sie ernst und verabschiedete sich ebenfalls bei Leon. 

"Gib dem eine Chance." hörte ich sie leise zu ihm sagen, doch zum wiederholten Male blieb das Kind regungslos. Es war fast als wenn man mit einer Puppe zu tun hatte. Seine Augen waren stets zu Boden gerichtet, dort wo niemand ihn erblicken konnte. Er schien sich von seiner gesamten Umgebung mental abzukapseln und ich fragte mich unweigerlich, welch grausame Dinge ein so junges Kind erlebt haben musste, um innerlich so leer sein zu können. Kinder sollten lachen, spielen und Dummheiten machen können.  Leon jedoch schien nur die Hülle eines Kindes zu sein. 

It Mate Me Fall In Love With Him (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt