#50 - So war es jetzt nun einmal.

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Ich wirbelte herum und rannte hinter den anderen her zum Taxi.

Oh nein nein nein, bitte nicht! Nein!

„Sam! Saam!! Bleib stehen! Sam!!!"

Seine Stimme erklang hinter mir, aber meine Beine wurden nur schneller. Ich wollte nicht stehen bleiben, ich konnte nicht stehen bleiben. Das konnte ich mir selber nicht antun. Ich konnte heute nicht noch mehr ertragen. Es ging nicht.

„Bitte! Saaam!!!"

Harrys Stimme ging in dem allgemeinen Tumult und den Motorengeräuschen fast unter, aber sie schnitt mir trotzdem genau in die Seele. Seine Rufe waren mein Tod.

Ich erreichte jetzt das Taxi, wo Ramira in der Tür stand, und legte eine Hand neben sie auf den Rahmen der Tür, mit der ich meinen Schwung abfing. Ich bremste schlitternd ab und drehte mich noch einmal um.

Er stand da, weit entfernt von mir. Was für ein Sinnbild. Genau so hatten wir uns auch voneinander entfernt. Innerlich.

Er stand da und sah mich an.

Er hatte eine Hand nach mir ausgestreckt. Seine zu langen Haaren wirbelten um seinen Kopf und es hätte nur noch ein herzzerreißender Song gefehlt und es wäre eine perfekte Filmszene gewesen.

Mein Herz brach erneut.

Wieso gab es bei mir nie ein Happy End?

Die Welt war so unfair.

„Steig ein", hauchte ich an Ramira gerichtet und stieß sie leicht an, während ich immer noch Harry anstarrte. Er stand da wie angewurzelt. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte, mir hinterher zu laufen. Er wusste, dass ich gleich in das Taxi steigen würde und dann weg war. Weg für immer.

Es war vorbei.

Ramira öffnete den Mund, um etwas zu sagen, besann sich dann aber eines Bessere und ließ sich im Taxi nieder und rutschte auf den mittleren Sitz. Sie wusste, dass sie das nichts anging und dass sie auch nicht wusste, was zwischen ihm und mir vorgefallen war. Ich rechnete es ihr hoch an, dass sie sich nicht einmischte, sondern mich so machen ließ, wie ich es wollte.

Genau in dem Moment setzte Harry sich wieder in Bewegung. Er rannte auf mich zu.

„Sam!!!"

Ich bekam keine Luft mehr. Es schmerzte. Es schmerzte so sehr.

Meine Beine gaben unter mir nach und ich sackte zusammen. Es zog jemand im Inneren des Autos an meinem Arm, sodass ich auf dem Sitz des Taxis landete. Mit letzter Kraft streckte ich den Arm nach dem Türgriff aus.

„Saaaaam! Sam, bitte! Geh nicht! Sam!!!!"

Seine Stimme war erstaunlich nah.

Wie ein Roboter zog ich die Tür zu – und dann erschien sein Gesicht vor dem Fenster. Er legte beide Hände an die Scheibe und der Taxifahrer trat aufs Gas.

Harry verschwand hinter uns. Eine einsame Gestalt unter hunderten anderen.

Er bewegte sich nicht. Ich beobachtete ihn durch die hintere Scheibe, bis ich vor lauter Tränen nichts mehr sehen konnte.

Ich drehte mich wieder um, presste die Lippen fest aufeinander und ließ meine Haare seitlich wie einen Vorhang vor mein Gesicht gleiten, während das Taxi über die nächtlichen Straßen von Londons brauste.

„Wer war das, Sam?", fragte Kristie. Sie saß auf der anderen Seite neben Ramira und hatte Harry wohl nicht erkannt. Es war alles einfach viel zu schnell gegangen, sodass außer Ramira und mir überhaupt niemand etwas mitbekommen hatte.

HeartthrobWo Geschichten leben. Entdecke jetzt