#61 - Wie funktioniert Atmen gleich nochmal?

62.6K 2.7K 266
                                    

Eigentlich war es unfair. Es war unfair, dass der Mensch der Liebe so ausgeliefert war, sobald sein Herz einem anderen gehörte. Man war nicht mehr Herr der Situation, man war nicht mehr Herr seiner Gefühle.

Himmel, das Leben war so unfair.

Ich vergrub meine Hände ebenfalls in seinen Haaren und drehte uns jetzt herum, sodass ich über ihm war. Ich machte mir nicht die Mühe und stützte mich ab, erstens war ich eh nicht schwer und zweitens hatte ich dazu jetzt nicht die Kraft. Oder den Kopf.

Ich löste mich von ihm und sah ihn an. Meine langen dunklen Haare umrahmten mein Gesicht wie einen Vorhang und er strich sie mit den Händen zur Seite und hielt sie in meinem Nacken fest.

Ich hatte jetzt aufgehört zu weinen, aber das hieß nicht, dass die Welt jetzt in Ordnung war.

Es war absolut nichts in Ordnung.

Wirklich nichts.

Ich musste die Sache mit Harry klären, ich hatte einen Geburtstag zu managen, das Studium lag mir im Magen, der Alptraum war ein Schlag in die Fr... gewesen, ... – kurz gesagt: Ich hatte momentan wirklich einige Päckchen zu schleppen. Aber ich würde das schaffen. Ich glaubte an mich selber. Bisher hatte ich mich noch von nichts und niemandem unterkriegen lassen.

Harry strich mit dem Zeigefinger vorsichtig von meinem Kinn hinunter an meinem Hals bis zu meinem Schlüsselbein. Ich atmete zitternd ein. Verdammt, ich hatte gerade anfangen wollen zu reden, jetzt konnte ich keinen klaren Gedanken mehr fassen.

Sanft zog er meinen Kopf wieder zu sich herunter und küsste meinen Hals. Ich schloss die Augen und gab mich ihm völlig hin. Sein Mund erforschte die Kuhle unter meinem Ohr und es fühlte sich an, als würden wir uns das erste Mal berühren. Es war jedes Mal eine neue Erfahrung.

Jedes Mal verfiel ich ihm mehr und mehr.

Plötzlich war Harry wieder über mir und sein Mund lag auf meinem. Ich hatte die Augen immer noch geschlossen. Mein Herz klopfte wie verrückt. Man konnte die Leidenschaft und die Liebe in diesem Zimmer durch die Luft pochen spüren.

Ich brauchte ihn. Ich brauchte ihn genau jetzt. Ohne ihn würde ich nicht weiterleben können.

Ich schob meine Hände unter sein T-Shirt und fuhr mit ihnen von seiner Hüfte über seinen Rücken bis zu seinen Schultern. Harry stöhnte leise in meinen Mund und presste sich mit einem Hohlkreuz an mich. Bevor ich mich versah, hatte ich das T-Shirt schon ungeduldig über seinen Kopf geschoben und achtlos zur Seite geworfen. Dafür hatten unsere Lippen sich für einen Moment trennen müssen, jetzt zog ich ihn wieder verzweifelt an mich. Ich konnte die räumliche Trennung nicht ertragen, er war wie Balsam für meine Seele.

Wir waren ständig getrennt.

Und wenn wir doch einmal ein wenig Zeit zusammen verbringen konnten, schwebte der Zeitpunkt, in dem einer von uns beiden gehen musste – meistens Harry – , unheilvoll über uns und erinnerte uns daran, wie scheiße das war.

Ich brauchte ihn.

Ich zeichnete die Muskeln an seinem Rücken mit meinen Fingerspitzen nach und spürte, wie sie sich unter meiner Berührung verhärteten.

Für einen Augenblick hielten wir beide inne. Ich öffnete die Augen nicht. Ich wollte unbedingt das schimmernde Grün sehen, aber dafür war keine Zeit, denn da küssten wir uns auch schon wieder, leidenschaftlich, verzweifelt, gierig.

Harrys Hände schoben mein Schlafshirt (ein T-Shirt von ihm, was sonst) bis zu meinen Rippen nach oben. Er sank nach unten und küsste meinen Bauchnabel, meine Hüftknochen, jeden Zentimeter meiner Haut. Ich hatte das Gefühl, dass ich in Flammen stehen würde. Ich brannte, innerlich und äußerlich, und ich wollte, dass es nie aufhörte.

Ich...

Aber genau in dem Moment kam mir, was eigentlich noch alles zwischen uns stand.

„Harry...", sagte ich leise und begegnete im nächsten Moment seinem Blick, der mich erneut total aus der Bahn warf. Wie konnte man so etwas fühlen?

Und eine noch wichtigere Frage:

....wie funktioniert Atmen gleich nochmal???!?

Ich schob ihn leicht mit meinen Knien unter seinen Armen wieder in meine Reichweite und drückte ihm einen Kuss auf den Mund, dann löste ich mich gleich wieder.

„Harry, hör mir zu, ich-"

Aber weiter kam ich natürlich nicht. Seine Lippen brachten mich zum Verstummen. Reflexartig erwiderte ich seinen Kuss, der mich um den Verstand brachte, und riss mich aber im nächsten Moment von ihm los und drehte den Kopf zur Seite.

„Harry Styles, ich versuchte gerade, mit-"

...was wollte ich gleich nochmal sagen?

Alles, was ich wahrnahm, waren Harrys Hände, die von meinen Knien über meinen Oberschenkel bis hin zu meiner Taille über meinen Körper wanderten.

Ich keuchte leise und vergrub die Hände in seinen (viel zu langen) Haaren.

Verdammt, das war nicht fair!!!

„Harold!!", fuhr ich ihn leise an. Naja, oder eher: ich wollte ihn anfahren – alles, was aus meinem Mund kam, war ein Seufzer.

„Baby, du bist so wunderschön", flüsterte Harry und küsste mich wieder. Ich war süchtig nach seinen Küssen. Ich spürte seine Zunge, spürte das Kribbeln in meinem Magen, spürte mein Gehirn, das in meinem Kopf einen Salto nach dem anderen schlug und mich handlungsunfähig machte.

„Okay, stopp!"

Diesmal schaffte ich es, mich wirklich loszureißen. Ich erwischte ihn kalt, weswegen ich seine Hände von mir lösen konnte und ans andere Ende vom Bett auswich.

Zerstreut und ein wenig atemlos fuhr ich mir mit den Händen durch meine verwuschelten Haare und versuchte, meine Fassung wieder zu gewinnen.

Oh Gott, ich durfte ihn nicht ansehen, sein Anblick verschlug mir nur erneut die Sprache. Er sah aus wie ein Engel, den der Himmel mir geschickt hatte. Seine perfekten Gesichtszüge, seine Locken, sein durchtrainierter Oberkörper (nur die Tattoos passten nicht ins Bild, aber das war gerade mehr als egal).

Er war so wunderschön.

„Harry, hör mir zu, bitte", sagte ich leise und schluckte. „Wir haben noch einiges zu besprechen. Ich habe mich noch nicht zu deiner Erklärung geäußert, und genau das würde ich gerne tun."

„Jetzt? Um..." Er sah auf meinen Radiowecker auf meinem Nachttisch, den ich niemals als Wecker benutzte, „...vier Uhr siebzehn?"

„Ja, jetzt, um vier Uhr siebzehn", bestätigte ich ernst. „Gibt es eine bessere Zeit?"

Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel und er lehnte sich in meinem Kissen zurück.

Okay, ich nehme es zurück: Nicht Engel, Gott höchstpersönlich.

Nicht durcheinander bringen lassen, Samantha.

„Dann fang an, meine Schöne", forderte er mich auf und ich konnte in seinen Augen sehen, dass er trotz seiner spielerischen Worte den Ernst der Sache nicht unterschätzte.

HeartthrobWo Geschichten leben. Entdecke jetzt