#54 - Kartenhaus

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Mit einem ziemlichen Ruck zog es mir den Teppich unter den Füßen weg und ich fiel. Ich fiel und fiel und fiel.

Harry war meine Reaktion natürlich nicht entgangen, und er riss die Augen auf und hob beschwichtigend die Hände, während in mir einmal mehr eine Welt zusammen brach. Wie oft er das immer schaffte. 

„Nein nein, du denkst falsch!"

Ich hörte ihn kaum.

Wie kann man denn da falsch denken!?

„So habe ich das nicht gemeint", sagte er, verhaspelte sich dabei fast und verzog gequält das Gesicht, während er in seinem Oberstübchen nach den passenden Worten grub. 

Zu erklären, was man dachte, war nicht einfach, das wusste ich zu gut. Es wäre viel besser, wenn der eine einfach in den Kopf des anderen gucken könnte, damit er wusste, was darin vor sich ging und was der eine dem anderen nicht in Worten übermitteln konnte. – Obwohl, dann würde er vielleicht auch Sachen erfahren, die er gar nicht wissen wollte...

„Ich habe nie an unserer Liebe gezweifelt."

Sein Blick nagelte mich fest und ich konnte die Augen nicht von ihm wenden. Ich saugte seinen Anblick in mich hinein, wie er hier auf meinem Bett vor mir saß. Vielleicht war es das letzte Mal, dass ich ihn hier sah.

„Ich habe nie daran gezweifelt", wiederholte er. "Das musst du mir glauben! ...Ich habe nicht gewusst, ob wir dem Druck standhalten können. Das war das Problem. Ob wir es schaffen, trotz meines Berufs zusammen zu bleiben. Ich wusste es nicht, ich konnte es nicht einschätzen..."

Gedankenverloren ließ er den Blick durch mein Zimmer schweifen.

„Ein Leben als weltberühmter Mensch ist nicht einfach. Und das Leben für seine wichtigsten Menschen erst recht nicht, und ich bin mir nicht sicher, ob ich dir das zumuten möchte. Dass du so vieles im Leben dafür aufgibst, damit wir zusammen sein können. Ich liebe dich, Gott, ich liebe dich so sehr, aber ich will nicht dein Leben und deine Möglichkeiten einschränken."

„Und wo genau ist da jetzt die Begründung für dein beschissenes Verhalten?", ging ich dazwischen und sah ihn ungerührt an. Ich würde mich nicht von ihm einlullen lassen. Oh nein. Wenn er meinte, dass er mich mit all den schönen Worten, die er da gerade aussprach, vom Wesentlichen ablenken konnte, na dann hatte er sich aber gewaaaltig geschnitten.

„Ich wollte sehen, ob ich es durchhalten würde. Ob ich es schaffen würde, ohne dich zu leben."

Er rutschte ein Stück zu mir her, aber ich sah ihn nur warnend an, was ihn in der Bewegung stoppen ließ. 

„Ich kann es nicht", fuhr er schlicht fort. Er stand auf und krallte beide Hände in seine Haare. 

Ich saß einfach nur da und glotzte ihn an. Was anderes war nicht drin für mich. Das war eigentlich schon zu viel für mein Herz und meinen Kopf und insgesamt für mich. 

Er drehte sich zu mir her und ließ seine Hände sinken.

„Es geht nicht. Selbst wenn ich sagen würde, ich gebe dich frei, damit du in Ruhe dein Leben leben kannst... ich kann es einfach nicht. Ich bin so egoistisch und will dich nicht gehen lassen." Die Worte sprudelten jetzt aus ihm heraus. Seine anfängliche Redeschwierigkeiten waren wie vom Erdboden verschluckt und seine Zunge kam seinen Hirn kaum hinterher, die Worte zu bilden und auszusprechen. „Ich kann es einfach nicht, Sam. Ohne dich bin ich nicht ich selber. Ich habe mit Zayn letztens darüber geredet, und er hat mir geschildert, wie ich mich verändert habe, seit ich dich kenne. Und ich muss zugeben, ich sehe dieselbe Veränderung in mir, wie die Jungs sie in mir sehen. Du hast mich wirklich zu einem besseren Menschen gemacht. Trotzdem kam es mir falsch vor, dass ich dich so einnehme. Dass du wegen mir kein richtiges Leben führen kannst. Denn wenn die Welt einmal weiß, dass du meine Freundin bist – dass du meine große Liebe bist – , wirst du keine ruhige Minute mehr haben. Du wirst nicht mehr aus dem Haus gehen können, ohne dass sich die ganze Welt über dich auslässt. Was du für eine Jeans trägst, was du für Sachen einkaufst, wo du hingehst. Du wirst dir vorkommen wie in einem Käfig. Jeder begafft dich, jeder zieht über dich her, egal wie perfekt du auch zu sein versuchst. Sie finden alle immer etwas, worüber sie sich das Maul zerreißen. Ich habe schon viele an diesem Starsein zerbrechen sehen. Wir sind bisher davon verschont geblieben, weil wir fünf uns gegenseitig auf dem Teppich halten und immer für einander da sind, aber ich könnte nicht mit mir selber weiterleben, wenn ich zuschauen müsste, wie dein wunderbares Lächeln nach und nach aus deinem Gesicht verschwindet und du keine Lebensfreude mehr ausstrahlst. Ich würde mir das niemals verzeihen, Sam. Deswegen wollte ich sehen, ob ich ohne dich leben kann. Damit du dir ein Leben aufbauen kannst und wir später irgendwann wieder zusammen kommen können. Das wäre nämlich nur eine zeitliche Trennung gewesen. Nicht für immer. Denn ich möchte mein Leben mit dir verbringen, egal ob jetzt oder erst in fünf Jahren, wenn die One Direction-Zeit für mich vorbei ist. Du bist mein Lebensinhalt, Sam."

HeartthrobWo Geschichten leben. Entdecke jetzt