#83 - Zersplittert, geflickt

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~Caros Sicht~

„Mama, ich bin bei Sam!", rief ich, als ich in meine Schuhe schlüpfte. Ich wartete überhaupt nicht auf eine Antwort, sondern zog die Haustür hinter mir zu. Mit den Händen in den Hosentaschen vergraben und einer finsteren Miene stapfte ich zum Auto.

Am liebsten würde ich jetzt nicht zu Sam fahren, sondern zu Nico.

Am liebsten würde ich ihm jedes einzelne Haar ausreißen, seine Augen auskratzen, seine Zunge herausschneiden, seine Eier in einer Pfanne.... – okay, ab hier war es nicht mehr jugendfrei.

Als ich bei Ferronis auf meinen Stammplatz vor ihrer Garage fuhr, fing mein Herz an, ziemlich schnell zu pochen.

Fuck, ich hatte nicht daran gedacht, dass ich jetzt zu einhundert Prozent ihm über den Weg laufen würde.

Ich schluckte. Verdammt. Ich hatte noch rein gar keine Zeit und keinen Kopf dafür gehabt, mir darüber Gedanken zu machen.

Gedanken darüber zu machen, was ich wollte, was ich fühlte, was ich dachte, was ich tun sollte.... aaahhhh!

Ich blieb noch für einen Augenblick im Auto sitzen und versuchte, meinen Kopf zu ordnen. Was absolut unmöglich war.

Ich hatte gestern Abend in meinem Bett gelegen und auf mein Handy gestarrt. Ich hatte gehofft, dass Leo mir schreiben würde oder dass er anrufen würde. Ich wusste nicht wieso, aber ich hätte das zu gerne gehabt. Wieso konnte das nicht passieren?

Naja, wollte ich überhaupt, dass er mich anrief oder mir schrieb? Ich wusste es nicht.

Verflixt, ich wusste überhaupt nichts!!

Eigentlich konnte ich überhaupt nicht bis zur Haustür laufen und das Haus betreten, weil ich nicht wusste, wie mein Leben weitergehen sollte.

Ich zog mein Handy aus meiner Tasche und schrieb Sam.

‚Honey, ich kann nicht reinkommen.'

Der Satz klang einfach nur wahnsinnig bescheuert.

Postwendend kam ihre Antwort.

‚Ich hab dein Auto doch schon gehört, wieso kannst du nicht reinkommen?'

Meine Antwort bestand nur aus einem einzigen Wort, aber das war selbsterklärend genug.

‚Leo.'

Ich starrte die drei Buchstaben dieser Nachricht an und fragte mich, wie sie so schnell mein Leben hatten verändern können.

‚Was ist mit ihm?', fragte Sam.

‚Mit ihm ist nichts. Mit mir', schrieb ich zurück und biss auf meiner Unterlippe herum. Ich legte den Kopf in den Nacken und starrte nach oben ans Autodach.

Carolina, denk nach.

Denk nach.

Was machst du jetzt?

Du weißt, du hast Gefühle für ihn.

... Scheiße, ich hatte so krasse Gefühle für ihn, dass ich Angst hatte, darüber nachzudenken, WIE groß sie waren! Es schüchterte mich ein. Jetzt verstand ich Sam endlich, wenn sie von Harry und ihren Gefühlen für ihn geredet hatte. Jetzt verstand ich endlich, was sie damit meinte, dass es einen einfach überrollte und man machtlos dagegen war. Jetzt verstand ich endlich, was das alles hieß, was sie meinte und wie man sich dabei fühlte.

Und ich hatte Angst.

Aber ich konnte da nicht raus. Ich wusste nur zu gut, dass man Gefühle nicht abschalten konnte wie ein Licht durch einen Schalter. Ich würde nie wieder normal mit Leo reden können nach diesem Kuss. Jetzt war alles anders, und jetzt musste ich entscheiden, was ich machen sollte.

HeartthrobWo Geschichten leben. Entdecke jetzt