#78 - EndeGelände des Geburtstags

49.8K 2.6K 106
                                    

Vielleicht erzählte mir Leo ja auch von alleine davon. Aber da war ich mir ehrlich gesagt nicht so sicher. Er dachte bestimmt genauso wie Caro – nämlich dass ich ausflippen würde. Besonders weil Caro ja eh immer am Ende mit einem gebrochenen Herzen dastand, sobald sie sich verliebte. Was bei Leo aber auch nicht anders war. Ich dachte an diese blöde Julie zurück, mit der er mal zusammen gewesen war und die ihn eiskalt betrogen hatte, und verdrehte die Augen. Diese kleine doofe Kuh sollte sich bloß weiterhin fern von ihm halten. Ich wusste ehrlich gesagt nicht, ob die beiden noch Kontakt hatten. Vor kurzer Zeit hatte er sie erst erwähnt. Hm, vielleicht sollte ich doch mal nachforschen.

Aber nein, das wollte Caro ja nicht. Dann sollte ich das auch lassen. Ich war jemand, der sich an Versprechen hielt. Und zwar immer. Und ich würde es diesmal wieder nicht brechen.

„Ich fahre jetzt heim, okay? Ich bin dir eh keine große Hilfe mehr und wir sind ja eh fast fertig", zog Caro mich wieder aus meinen Gedanken und ich nickte.

„Ne klar, fahr nach Hause!"

„Ich geh nur schnell noch deiner Familie tschüss sagen", informierte sie mich und ich folgte ihr aus der Küche.

Im Gang trafen wir auf Mom und Jana, die Caro beide fest drückten.

„Danke, dass du uns geholfen hast", sagte Mom zu ihr und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Ach, nichts zu danken, das mache ich doch immer gerne, das weißt du doch, Ali", winkte Caro mit einer lässigen Handbewegung und einem Lächeln im Gesicht ab.

„Sooo, wir haben die Bänke und Tische in den Keller gebracht, ihr dürft uns jetzt offiziell die drei Muskeltiere nennen!", ertönte Leos Stimme auf Englisch von der Kellertreppe her und die drei Jungs erschienen am anderen Ende des Flurs.

„Die heißen Musketiere, nicht MuskeLtiere, du Dödel!", korrigierte ich ihn lachend und erntete dafür Gelächter bei Mom, Caro, Jana, Manu und Harry und ein Augenverdrehen von Leo.

„Wir sind aber die Muskellltiere, du Besserwisserin!", raunzte er mich an und stupste mich mit dem Ellbogen in die Seite.

(Anmerkung: Auf Englisch sagt er „Muscleteers" anstatt „Musketeers".)

„Ich fahre jetzt nach Hause", kündigte Caro an und winkte den dreien zu. Sie hatte ein perfektes Lächeln aufgesetzt und ließ sich nichts anmerken, was in ihr vorging. Ich konnte den Sturm in ihrem Inneren trotzdem bis hierhin wüten hören.

„Lass dich drückeeeen!", rief Manu und schloss die lachende Caro kurz in die Arme.

Harry war ebenfalls vorgetreten und wollte Caro als Abschied umarmen, schließlich wusste niemand, wann die beiden sich mal wieder sehen würden.

„Sei weiterhin schön lieb zu meiner Sam", sagte sie zu ihm und grinste ihn frech an, „sonst muss ich dir alle Knochen brechen!"

„Keine Angst, soweit wird es nicht kommen", versprach Harry und zog mich an sich. Er drückte mir einen Kuss an die Schläfe und ich lächelte.

„Ciao, Caro", sagte Leo und umarmte Caro. Ich hielt die Luft an, während sie sich umarmten, und Harry sah mich von der Seite her an. Ihm war meine Reaktion nicht entgangen.

„Ciao, schlaft gut!"

Caro hatten sich so schnell es ging von Leo losgemacht und zur Haustür gedreht. Sie fuhr sich einmal durch ihre blonden Locken – das tat sie immer, wenn sie nervös war oder nicht wusste, wie sie in einer Situation reagieren sollte. Verdammt, sie tat mir so Leid! Wenn ich könnte, würde ich ihr die Hälfte ihrer Unsicherheit abnehmen.

Denn unsicher war sie. Nicht nur, was sie jetzt denken sollte, sondern einfach insgesamt. Wie sie das jetzt weiter machen sollte.

Sie drehte sich noch einmal um, wank uns einmal kurz zu und verschwand dann nach draußen in die Dunkelheit.

Ich warf Leo unauffällig einen Blick zu und ertappte ihn dabei, wie er die Haustür anstarrte, die jetzt ins Schloss gefallen war und durch die Caro gerade verschwunden war.

Oh Gott, es brannte mir so sehr auf der Zunge, nachzufragen, was los war, wieso das passiert war!! Aaahhh, ich musste hier weg, sonst würde mir noch irgendetwas rausrutschen!

„Wenn hier schon so schön die Aufbruchsstimmung herrscht, können wir uns ja auch gleich aus dem Staub machen", sagte Manu und wuschelte seiner kleinen Schwester einmal durch die Haare, was sie natürlich gar nicht toll fand.

„Neeeein, wir gehen noch nicht!", protestierte sie und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Doch, Jana, Mama wird sonst sauer, wenn du so spät ins Bett kommst", entgegnete Manu und sah seine Schwester auffordernd an.

„Das ist aber mein Geburtstag, da kann ich wohl einmal so lange aufbleiben, wie ich will!", sagte sie trotzig und zog grimmig die Stirn kraus. So sah sie nicht aus wie ein sechzehnjähriges Mädchen, sondern eher wie ein sechsjähriges Mädchen, aber den Kommentar verkniff ich mir lieber.

„Jana, du hast morgen neun Stunden Schule. Und ich werde sicher nicht Mamas Wut auf mich ziehen, also sei so freundlich und sag tschüss und beweg deinen Hintern hinaus zu meinem Auto", ordnete Manu ihr genervt an und startete bei mir die Verabschiedungsrunde.

Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

„Hör auf zu lachen, du blöde Kuh", grummelte Manu, als er mich umarmte. Ich biss mir auf die Unterlippe und sah ihn nur an.

„Ach, komm schon", meinte er und wandte sich dann an Harry, damit seine nervige Cousine-Schrägstrich-beste-Freundin ihn nicht weiter auslachen konnte. (Was ich natürlich trotzdem tat, auch wenn er mich nicht mehr ansah.)

„Tschüss, Harry, bis bald irgendwann mal wieder. War cool mit dir!"

Jana umarmte mich jetzt ganz fest, bedankte sich noch fünftausendmal für den tollen Geburtstag, bis ihr Bruder sie mit den Worten „du kannst nach Hause laufen, wenn du nicht gleich kommst!" voranscheuchte.

„Dann schlafe ich eben hier, das ist auch kein Problem!", schoss Jana zurück und Manu verdrehte nur die Augen, der schon die Türklinke der Haustür in der Hand hatte.

Der Punkt ging eindeutig an Jana.

„Tschüss, kommt gut heim!"

„Bis bald!"

„Gute Nacht!"

„Schlaft gut!"

„Liebe Grüße nochmal zu Hause!"

Die beiden brausten davon und Leo gab einen langen Seufzer von sich, als wir uns im Wohnzimmer auf die Couch setzten.

„Endlich Ruhe", stöhnte er und ließ den Kopf in den Nacken sinken.

Da sprach er mir aus der Seele.

Ich schloss die Augen und massierte mir die Schläfen. Puh, ich war froh, dass der Geburtstag jetzt vorbei war. Endlich. Es war wirklich ein cooler Tag gewesen, aber es war auch schön, wenn so ein Tag zu Ende ging, das wollte und konnte ich nicht leugnen.

„Ich muss jetzt ins Bett", stellte ich klar und richtete mich wieder auf. „Dringend."

„Ja, nicht nur du", meinte Mom und gähnte ausgiebig hinter ihrer vorgehaltenen Hand. Sofort steckte sie uns damit an und wir gaben ein Gähnkonzert vom besten von uns.

Am Ende lachten wir alle und saßen dann noch ein paar Minuten schweigend da. Es war ein wunderschönes, angenehmes Schweigen. Ein Schweigen, wie man es nur mit den Personen erleben konnte, die man besser kannte als sich selber.

HeartthrobWo Geschichten leben. Entdecke jetzt