#55 - Don't know

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Ich war wie versteinert. Meine Nervenenden fühlten sich an, als würden sie brennen. Mein Inneres brannte. Jede Zelle meines Körpers.

Ich wollte schreien, ich wollte auf der Stelle zusammenbrechen, hier und jetzt.

Ich konnte doch ohne sie nicht leben! Ich war so erbärmlich. Wieso hatte ich sie gehen lassen? Wieso hatte ich mich so verhalten? Ich war so ein Vollidiot.

Aber jetzt war es zu spät. Das nützte jetzt alles nichts mehr, sie wollte mich nicht mehr.

Und ich musste ihre Reaktion akzeptieren.

„Harry", eine Hand berührte meinen Ellbogen. Ich sah auf und Blicke in zwei besorgte hellblaue Augen. Ich wusste, dass er mich momentan nicht ausstehen konnte, aber er war trotzdem immer für mich da, egal was für ein Arschloch ich war und er jeden Grund hatte, mich alleine im Regen stehen zu lassen.

„Wir müssen reingehen. Ist alles okay bei dir?", fragte Niall vorsichtig nach und sein Blick durchbohrte mich.

Ich nickte mechanisch und ging dann an ihm vorbei. Ich fühlte mich nicht mehr lebendig. Wie auch, ohne meinen Lebensinhalt war ich ja auch nicht mehr lebendig.

„Bist du dir sicher, dass alles okay ist?", erklang von hinten, während ich durch den Gang ging.

„Ja, Niall", antwortete ich ein wenig schärfer als beabsichtigt. Sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen, aber das spürte ich kaum. Ich war nicht mehr in der Lage, überhaupt etwas zu fühlen.

An die nächsten zwei Stunden konnte ich mich im Nachhinein nicht mehr erinnern.

Mit wem ich geredet hatte, wo ich gesessen oder gestanden hatte, was ich getan hatte.

Ich wusste, dass wir mehrere Preise gewonnen hatten und dass ich die Dankesrede beim zweiten Award übernommen hatte.

Was ich gesagt hatte - ...keine Ahnung. Das Übliche. Allen danken, die jemals für uns da gewesen waren. Immer schön übertrieben lachen und grinsen und so weiter.

‚Am meisten aber möchte ich dem Mädchen danken, das ich über alles liebe. Sie hat mir meine Lebensfreude wiedergegeben. Ohne sie bin ich nicht ich. Sie wird immer diejenige sein, die mein Herz in ihren Händen trägt, bis in alle Ewigkeit. Niemand anderes wird mein Herz so berühren, wie sie es hat. Sie wird diejenige sein, an die ich mich immer erinnern werde. Sie wird immer meine große Liebe bleiben.'

Wie gerne hätte ich das gesagt.

Aber ich bekam kein weiteres Wort heraus, und außerdem fragte der hyperaktive Moderator mich jetzt etwas.

„Stimmt es, Harry, dass ihr ein neues Album rausbringt?"

Herrgott nochmal, ja, wie oft denn noch! Das wusste inzwischen doch jeder auf dieser gesamten, beschissenen Welt!

Aber ich grinste natürlich, sodass meine Grübchen erschienen, und antworte enthusiastisch: „Jaaa, das stimmt!"

„Und stimmt es auch", fuhr der Moderator laut fort, weil der begeisterte Tumult des Publikums in der Halle anstieg, „dass ihr einen klitzekleinen Song für uns mitgebracht habt, den noch niemand auf der ganzen Welt gehört hat, und ihr den nun hier au dieser Bühne für uns singen werdet??"

Das Ende des Satzes konnte ich nicht einmal mehr verstehen, obwohl ich exakt neben ihm stand, so groß war der Applaus und das Gejohle in der Halle.

Ach ja, wir sangen ja You And I. Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht.

Ich grinste nur immer brav weiter und sah im Augenwinkel, wie die anderen nickten und nach vorne zur Rampe gingen. Ich schloss mich ihnen an und griff nach meinem Mikrofonständer, der gerade aus dem Boden gefahren kam.

HeartthrobWo Geschichten leben. Entdecke jetzt