Kapitel 22

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Ich wusste nicht, wie ich am Abend ins Bett gekommen war. Ich konnte mich nur daran erinnern, dass ich nach den Duschen einen Anfall bekommen hatte. Meine Knie waren einfach weich geworden und hatten meinen Körper nicht mehr getragen, der plötzlich schwer wie Blei war.

Ich wachte jedenfalls in meinem Bett auf und wollte nicht auf stehen. Oder besser gesagt, ihm konnte nicht. Meine Beine wollten nur nicht gehorchen

Irgendwann schaffte ich es doch und zog mich an, um zum Frühstück zu gehen. Dich allein bei den Gedanken an Essen wurde mir schlecht. Kein Magen kniff und ich musste mich auf mein Bett legen.

Gekrümmt lag ich dort und wusste nicht, was ich nun tun sollte. Würde Selene sofort zu Steffan oder sogar zu Herrn Esser gehen und ihnen bescheid sagen, dennoch nicht zum Frühstück kam?

Ich zwang mich also dazu, runter in den Speisesaal zu gehen. Dort roch es nach  Rühreiern und mir wurde wieder schlecht.

Erst in meinem Zimmer wurde mir bewusst, dass ich die Kantine fluchtartig verlassen hatte, noch bevor irgendjemand mich sehen konnte.
Bis das Training begann würde hoffentlich alles wieder besser sein.

Ich hatte recht. Als es Zeit wurde, mich zum Training fertig zu machen, ging es mir wieder einigermaßen gut. Ich hatte zwar immer noch Magenkrämpfe, aber ich konnte trainieren.

"Hey, wo warst du denn beim Frühstück? Ich habe dich gar nicht gesehen?", fragte Noah sofort, als ich beim Sportplatz ankam. Ich zuckte mit den Schultern und sagte nichts.

Beim Training spürte ich Noahs Blick ständig auf mir und versuchte, ihn nicht anzuschauen.

Er merkte, dass etwas mit mir nicht stimmte. Nach dem Training fing er mich auf dem Weg zu meinem Zimmer ab.

"Hey, warte doch mal!", rief er mir hinterher, woraufhin ich nur noch schneller ging. Ich möchte allein sein, ich brauche keine Menschen!

"Alia, bleib doch mal stehen!", rief er immer wieder. Irgendwann blieb ich so abrupt stehen, dass er fast in mich reinlief. Genervt drehte ich mich um. Ich wusste nicht, warum ich genervt war, er hatte es eigentlich nicht verdient.

"Was ist denn los?", fragte Noah. " Nichts", log ich. "Warum hast du nichts zum Frühstück gegessen? Ich sehe dich das etwas nicht stimmt. Du kannst doch mit mir reden!"

"Ich kenne dich gerade einmal seit ein paar Tagen. Warum sollte ich  dir erzählen, wie es mir geht, was für Probleme ich in meinem Leben habe? Es geht dich doch sowieso nichts an. Du erzählst es nur allen und dann muss ich mir irgendwelche Geschichten anhören! Lass mich doch einfach in Ruhe!", giftete ich ihn an. Im selben Moment tat es mir schon wieder leid, aber das konnte ich ihm jetzt unmöglich zeigen.

Er zog die Schultern hoch und drehte sich um. Ohne ein weiteres Wort ging er in Richtung Wohnhaus.

Ich sag es ja. Ich kann mir keine Freunde machen. Ich nun zu blöd dafür!

Mit hängenden Schultern ging ich zurück in mein Zimmer. Jetzt war ich wieder einsam. Ich hatte nun niemanden mehr, mit dem ich reden konnte.
Ich hätte mich ohrfeigen können!

Den restlichen Tag verbrachte ich wieder so wie früher, bevor Noah gekommen war. Ich versank in meinem trüben Gedanken und trainierte. Wie eine besessene. Aber das Training lief gut. Ich war in Topform, alles hatte sich geändert.

Am Abend hatte ich sogar wieder Appetit und das erst mal seit vielen Wochen ging es mir wieder einigermaßen gut.

Auch die nächsten Tage waren gut, ihm dachte kaum an Noah, der mich nun wieder ignorierte. Ich ignorierte ihn genau so, ich wollte nicht an ihn denken.

Bis zum ZielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt