Kapitel 95

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Nach Steffens Ansprache schwiegen wir. Er erhob sich und ging. Daraufhin standen wir auch alle auf und kehrten in unsere Zimmer zurück.
Ich legte mich aufs Bett und starrte an die Decke.
Und plötzlich spürte ich einen Zorn in mir hochsteigen.
Mein Körper bebte und ich hatte das Bedürfnis, mich zu bewegen, obwohl ich mich gerade bewegt hatte.
Mein Körper hatte das Bewusstsein darüber verloren, wann er erschöpft sein musste und wann nicht.

Doch dieser Zorn blieb. Auch die nächsten Tage. Er spornte mich an, trieb meine Leistungen auf die Spitze und machte mich auf eine Weise auch glücklich.
Denn mein Training war lange nicht so gut gelaufen. Ich war vollkommen konzentriert und meine Bewegungen waren präzise.
Ich spürte sogar so etwas wie Vorfreude auf den nächsten Wettkampf.

Im Internat liefen unterdessen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Es war wieder etwas Leben in uns gekommen.
Schon am Donnerstag legte ich mein Trikot und meine Hose raus, auch die Spikes brauchte ich bis dahin nicht mehr.

Bis zum Samstag also fiel mein Blick immer öfter auf die Klamotten. Und dadurch steigerte sich auch das Adrenalin in meinen Adern.
Als der Samstag gekommen war, standen wir alle schon früh auf. Das Wetter war glücklicherweise gut, sodass es keine Probleme geben sollte.
Ich kam nicht dazu, etwas zu essen, einerseits weil ich sonst sofort meinen Magen wieder entleeren würde un andererseits weil ich keine Zeit hatte. Wir alle mussten beim Aufbauen sämtlicher Tische und Stühle helfen und irgendwelche Sonnenschirme aufstellen.

Irgendwann fand ich einen Moment, um mir einen Müsliriegel in den Mund zu schieben. Sonst wäre ich noch zusammengeklappt.
Und mein Magen leerte sich zum Glück nicht direkt wieder.
Langsam ging das Gewusel los. Die Mittelstreckenläufer machten sich alle schon warm und ihre Trainer unterhielten sich. Es war ein lautes Stimmengewirr überall zu hören. Außerdem roch es nach Kuchen und Bratwurst, die sich die Zuschauer kaufen konnten. Der Geruch verschiedener Pflanzen hing in der Luft und Kinder jagten sich gegenseitig. Es war Leben im Internat.
Es war nicht mehr viel Zeit bis zu meinem Start. Ich lief also in mein Zimmer und zog die Sachen an, die schon so lange auf dem Boden herum lagen. Ich hatte das Gefühl, dass dieses Rennen heute gut werden würde.

Diese Gedanken machten auch die Aufregung weniger.
Es klopfte, als ich im Sport Bh auf dem Bett saß und meine Startnummer auf das Trikot pinnte.
Es war Noah, der sich wohl fragte, was ich so lange in meinem Zimmer tat.
In seinem Blick sah ich, dass er sich Sorgen machte, doch als er mich sah, war diese Besorgnis verflogen. Ich sah so glücklich aus wie seit etwa zwei Jahren nicht mehr. Meine Haut war nicht mehr so fahl und grau, sondern meine Wangen waren gerötet und ich lächelte.
Daraufhin lächelte auch er und setzte sich neben mich. Er hatte schon Marathonhose und Trikot an, er würde ja noch vor mir laufen.

"War siehst du denn so glücklich aus?", fragte er. "Weil ich glücklich bin! Ich habe das Gefühl, dass das hier heute ein guter Wettkampf wird."
Er lächelte dieses Lächeln, dass sein linkes Grübchen zum Vorschein brachte.

Ich zog mir das Trikot über und nahm mein Spikes und Trinkflasche. "Kommst du?", fragte ich und drehte mich zu ihm um. Er lächelte und nickte.
Gemeinsam liefen wir die Treppe hinunter.
Dort warteten schon Basti, Selene und Steffan. Wir machten uns gemeinsam warm und unter den warmen Sonnenstrahlen machten wir Skippings, Knieheber und Fußgelenksarbeit. Das war unsere Art, den warmen Tag zu genießen.
Als ich schon einige Schweißperlen auf der Stirn stehen hatte, hörten wir auf. Es war noch eine Viertelstunde bis zu unseren Starts.
Wir holten uns alle unsere Spikes und liefen zur Startlinie.

Bis zum ZielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt