Bis zum Ziel

Kapitel 42

Kurze Zeit später kam Noah rein.

Er setzte sich an meine Bettkannte und lächelte mich ein bisschen unsicher an.

"Was ist denn los? Du hast mich einfach ignoriert die letzten Tage. Ich..."

"Hat Steffan dich hier her geschickt?"
Noah nickte.
Und ich wusste nicht, was ich nun fühlen sollte.
"Selene hat ein paar Sachen gesagt und ich denke, dass sie damit recht hat. Sie meinte, ich würde bei der EM verlieren,mit großem Abstand. Und sie hat recht. Ich bin einfach nicht gut genug."

Noah schüttelte entsetzt den Kopf. "Hallo? Du bist eine der Favoritinnen, wenn du weiter trainierst. Du bist gut!"

"Das meinte Steffan auch"
"Und der hat Ahnung. Glaub mir."

"Ich denke trotzdem, dass es besser ist, nicht mit nach Gyor zu fahren."

"Alia, bitte trainier einfach weiter, du kannst doch dann immer noch entscheiden, ob du antreten willst oder nicht.", sagte Noah. Dann lächelte er, als ich zaghaft nickte.

Er umarmte mich und verließ dann das Zimmer. Nicht wissend, dass ich nicht wirklich vorhatte, weiter zu trainieren. Ich würde mich hier abmelden.

Die nächsten Tage verliefen besser. Es war nur noch eine halbe Woche hin, bis wir aufbrechen würden.

Mein Training war gut gewesen. Ich hatte nun nicht mehr dieses Gefühl der Leere, sondern ich verspürte Wut. Pure Wut.

Und diese Wut steckte ich in mein Training. Ich war wie eine geladene Waffe, die hoch gehen würde, wenn ein falsches Wort gesagt oder eine falsche Sache gemacht wurde.

Doch immer noch hatte ich nicht vor, bei der Europameisterschaft teilzunehmen.
Also lief ich zu Herrn Esser ins Büro und klopfte dort.

"Herein?", fragte Herr Esser.
"Hallo Herr Esser. Ich möchte gerne mit ihnen etwas besprechen ", meinte ich und setzte mich auf den Leder Sessel vor seinem Schreibtisch.

Er sah mich fragend an.
"Ich würde mich gerne von diesem Internat abmelden."
"Warum das denn? Und das kannst du leider nicht selber entscheiden, du bist noch nicht volljährig. Hast du das mit deinen Eltern besprochen?"

"Ich denke, ich habe nicht das Potential dazu, so erfolgreich zu sein, wie es hier von mir verlangt wird. Und nein, ich habe das noch nicht mit meinen Eltern besprochen" Wie auch?, schob ich in meinen Gedanken hinterher.

"Gibt es denn einen besonderen Grund, dass du weg möchtest?"

"Nun ja, die Europameisterschaften sind sehr stressig und ich bin der Überzeugung, dass ich nicht gut genug für dieses Niveau des Leistungssports bin. Ich bin für diesen Druck nicht gemacht, dem halte ich nicht stand"

"So wie Steffan mir das berichtet, hast du durchaus das Potential dazu. Ich denke, dem Druck hältst du schob seit einem Jahr aus und ein weiteres Jahr wird da kein Problem sein.
Dieses Niveau des Leistungssports Ost schon ein sehr hohes, aber du bist gut genug, dass du es erreicht hast. Das musst du dir klar machen, nicht jeder schafft es auf dieses Internat."

Ich nickte und merkte, dass es keinen Sinn hatte, mit Herrn Esser darüber zu reden. Ich müsste dazu meine Eltern sprechen, doch das ging erst in Gyor an irgendeiner Telefonzelle.

Also entschied ich, dass es kein zurück mehr gab. Ich würde nach Gyor fahren und auch dort antreten. Ob ich eine Favoritin war, wie alle sagten, würde ich dann sehen. Und spüren.

Ich würde an der Europameisterschaft teilnehmen.

Und fing an, meine Koffer zu packen. Bald würden wir das deutsche Team kennenlernen. Die anderen Athleten, die auch nach Gyor fahren würden.