Kapitel 114

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Ja, ich kann nicht mehr laufen. Es kam raus, dass ich ungefähr von der Hälfte des Rückens abwärts gelähmt war, denn ein Wirbel war bei dem Sturz durchtrennt worden. Das Schlimme an der ganzen Sache war nicht, dass ich gestürzt war, sondern dass ich nie wieder würde laufen können. Es tat wochenlang höllisch weh und gleichzeitig hatte ich nichts als Leere gespürt. Ich wollte es nicht akzeptieren, als der Arzt mir sagte, dass ich nie wieder würde laufen können. Ich schrie herum und weinte und war furchtbar kindisch. Doch das war mir egal. Denn keiner, der dort in einem Raum mit mir war, wusste, wie es sich anfühlte, abhängig von allen anderen Menschen zu sein.
Denn ja, ich bin ein Pflegefall. Ich kann nicht alleine auf die Toilette gehen, ich kann nicht alleine duschen und ich kann mich auch nicht alleine anziehen. Für alles brauche ich Hilfe!
Ich hatte nicht einmal die Chance, noch einmal zu versuchen, meinen Traum zu erfüllen.

Jetzt bin ich aber hier. Viele Jahre später, und im Rollstuhl sitzend, erzähle ich euch meine Geschichte. Denn nachdem ich damals gestürzt bin und nicht mehr laufen konnte, bin ich vom Internat runter gegangen, leider ohne einen Abschluss, und habe angefangen, Vorträge über Leistungssport zu halten.
Noah und ich sind wieder zusammen gekommen, nachdem wir einige Jahre kaum Kontakt hatten. Ich kann natürlich keine Kinder bekommen, aber wir haben welche adoptiert und sind inzwischen auch verheiratet. Und ich konnte natürlich nicht anders, als mich mit meinem Schicksal abzufinden. Was sollte ich anderes tun?

Mein Leben ist natürlich anders verlaufen, als ich es geplant oder mir erhofft hatte, aber alles in allem habe ich viel daraus gelernt. Denn der Leistungssport hat mich zerbrochen. Nicht nur innerlich, sondern offensichtlich auch äußerlich. Damit will ich nicht sagen, dass ihr keinen Leistungssport machen sollt, sondern ich will euch sagen, dass ihr aufpassen müsst, wie ihr trainiert und ob es euch trotzdem noch gut geht. Hört auf eure innere Stimme. Ich habe es nicht getan, als sie mir gesagt hat, ich soll lieber nicht starten. Ich habe sie einfach überhört. Und dann hat sich mein Leben komplett verändert. Ich bin nicht mehr die Person, die ich mal war. Absolut nicht. Denn all meine Erlebnisse haben mich verändert. Nicht unbedingt positiv, aber auch nicht unbedingt negativ. Ich denke, so wie sich jeder mal verändert, so habe ich mich auch verändert. Nur mit einigen Erfahrungen, die mich geprägt haben.

Aber ich bin immer noch Alia Beiter."

Bis zum ZielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt