Kapitel 48

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Der Pfiff.
Alle stellten sich hinter den Startblock.
Alle klopften sich die Beine aus und sprangen auf und ab.

Dann ertönte es.
"In your marks"
In den Startblock rein.
"Set"
Aufrichten.
Schuss.

Ich stürzte aus dem Startblock und dachte nichts.
Alles war aus meinem Kopf gefegt, ich sah nur die Hürden vor mir.
Und dahinter das Ziel.

Die erste Hürde. Perfekter Sprung.
Im Augenwinkel sah ich, wie die Läuferin neben mir mit hielt.

Zweite Hürde.
Weiter.
Dritte, vierte, fünfte.
Die Hälfte war geschafft, ich hatte keine Ahnung, an welcher Stelle ich stand.

Ich sprintete, langsam wurde es schwarz in keinem Kopf. Ich spürte, wie die Kräfte mich verließen.
Wie alles verschwommener wurde.

Sechste, siebte, achte.
Nur noch zwei Hürden.

Noch einmal alles geben.
Neunte.
Meine Beine waren schneller als mein Körper, ich hatte das Gefühl, dass ich nach hinten über kippte.

Letzte Hürde, ich striff mit meinem Nachziehbein knapp die Kante, doch nichts passierte. Die letzten Meter sprintete ich noch einmal, doch ich konnte nicht mehr.

Ich stolperte ins Ziel und hatte keine Ahnung, auf welchem Platz ich war.
Ich ließ mich auf den Boden fallen.

Noah und Via stürmten zum Rand hinter der Ziellinie.
Ich sah sie, doch ich hatte keine Kraft, auf zu stehen.

Irgendwann gab mir jemand, wahrscheinlich ein Helfer oder eine Helferin, eine Flasche Wasser.
Ich hatte Durst, mein Mund war trocken, doch ich konnte den Deckel nicht öffnen.

Irgendwann zog mich jemand hoch. Ich wankte zur Seite, wo Noah mich in eine feste Umarmung zog.

"Super! Richtig geil!", er küsste mich auf den Kopf.
Ich lächelte. "Welcher Platz? Welche Zeit?", fragte ich.
"Ich glaube dritte. Das heißt, du bist sicher weiter. Und deine Zeit weiß ich leider nicht."

Via umarmte mich auch. "Toll!", meinte sie und grinste.
Jette umarmte mich auch, Selene war schon irgendwo anders hin abgehauen.

"Ich denke, du bist im Halbfinale", Steffan war plötzlich aufgetaucht:"13,89 Sekunden."

Ich nickte glücklich.

Ich nahm mir meine Sachen aus der Kiste, die die Helfer und Helferinnen zum Ziel getragen hatten.

Dann zog ich mir meine Spikes aus und ging mit den anderen auf Socken zu unseren Plätzen zurück.

Dort saß dann auch Selene, die jedoch nicht hoch blickte, als wir kamen.
War sie etwa nicht ins Halbfinale gekommen?

Auslaufen und alles wollte ich noch nicht, da der nächste Lauf ja schon am Nachmittag statt finden würde.

Langsam machte auch Via sich fertig, wir wünschten ihr viel Glück.
"Meinst du, Selene wird mich in Ruhe lassen, wenn wir wieder zurück in Deutschland sind?", fragte ich Noah.

Er schüttelte den Kopf. "Ich glaube, sie wird erst einmal prahlen mit ihrem Erfolg, den sie hier in Gyor vielleicht erzielen wird, und dann wird sie alles noch schlimmer machen."

"Mach mir doch nicht so eine Angst! Was soll ich denn dann machen?", die Angst davor ergriff mich mit einem Schlag. Ich konnte plötzlich nicht mehr atmen. Mein Kopf setzte aus.

Ich kam in die Wirklichkeit zurück, als Noah meine Schultern packte und mich schüttelte. "Mach dir jetzt noch keine Gedanken darüber! Wenn es gar nicht mehr geht, wechselständig DZ halt wirklich die Schule. Aber ich bin ja auch da. Das wird alles wieder."

Ich lächelte zaghaft.
Dann wurde Via aus dem Callroom geführt. Zu ihrer Startlinie.

Sie lief auf Bahn sechs, ganz am Rand.
Wir drängten uns an die Bande, bereit sie an zu feuern.

Sie sprintete schnell, war aber nicht an einer guten Position. In der Kurve waren alle ungefähr gleichauf. Ein sehr großes Mädchen mit einem sehr seltsamen Lauf Stil gewann Abstand zu den anderen.

"Via! Zieh! Komm, die letzten Meter! Lauf!",brüllte ich.
Und schon zischte sie direkt vor uns vorbei, ins Ziel. 24,72 Sekunden und leider als letzte. Also war sie nicht im Finale.

Schnell liefen wir zur Ziellinie.
Via lag auf dem Boden, ihr Brustkorb hob und senkte sich schnell. "Via", rief Noah.
Sie hob den Kopf und sah uns an. Langsam erhob sie sich. "Super."
Via lächelte nicht einmal. "Scheiße! Fuck, fuck, fuck!", fluchte sie.

"Hey, Via. Das ist schade, aber du kannst es jetzt nicht ändern. Und du bist bis hierher gekommen. Das ist toll", ihr Trainer redete auf sie ein, als Via an die Bande ging.

Ich nahm sie in den Arm.

Bis zum ZielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt