Kapitel 109

40 3 0
                                    

Und im selben Moment merkte ich, dass es falsch war. Ja, wir hatten unsere gemeinsame Zeit gehabt und ja, sie war schön gewesen. Aber das war jetzt vorbei und wir waren nur Freunde. Ich stand auf und lief aus dem Zimmer. Ich konnte jetzt nicht mehr mit Noah über all meine Gefühle reden.

Am nächsten morgen fuhr Noah, ohne dass ich mich von ihm verabschiedet hatte. Ich hatte Training, als er vom Taxi abgeholt wurde.
Dass ich nicht mit ihm reden konnte, fand ich nicht so schlimm. Auch dass wir uns geküsst hatten war nicht das Problem. Aber dass ich mich nicht von ihm verabschieden konnte, das war schrecklich. 

Mein Herz zerriss, als ich beim Mittagessen an einem Tisch saß, alleine und Noah war nicht da. Mit Basti hatte ich nichts mehr zu tun. Uns hatte nur die Freundschaft zwischen ihm und Noah verbunden. Ich war wieder alleine.

Aber das Training beschäftigte mich sowieso. Ich hatte gar keine Zeit, viel an Noah zu denken, denn immer war irgendeine Trainingseinheit, ich musst zum Psycho-Doc, oder der Unterricht kam dazwischen. Die Schule hatte ich bei dem ganzen Olympia-Trouble und dem Noah-Drama völlig vernachlässigt. Mein Schnitt war von 1,45 auf 2,9 gerutscht, ich wusste gar nicht, wie ich noch hinterher kommen sollte. 

Aber die Zeit flog, zwischendurch musste ich immer mal wieder zum Kadertraining und ich war in Bestform, obwohl mein Leben einem Chaos glich. Die olympischen Spiele rückten immer näher, die Flüge waren schon längst gebucht und die deutsche Mannschaft hatten wir auch schon kennengelernt. etwa zwei Wochen, bevor wir losfliegen sollten, rief Stefan Selene und mich zu sich. "Wir haben uns dazu entschlossen, dass ihr ein Wochenende nach Hause fahren sollt, damit ihr familiäre Unterstützung und nocheinmal Ruhe für eure große Reise bekommt. Es kommen zwar einige euer Verwandten mit, aber es tut euch trotzdem gut, nocheinmal nach Hause zu fahren." Na super! Zuhause gab es alles andere als Ruhe für mich! Dort gab es nur Stress und Ärger, mehr nicht. Aber was sollte ich machen? Immerhin übernahm das Internat dieses Mal die Fahrtkosten.

Also fuhren wir mit dem Zug nach Hause. Mich beschlich das Gefühl eines Dejavùs, als ich mit dem Bus aus der Stadt in mein Dorf fuhr. Es hatte sich schon wieder so viel verändert, dass ich es kaum ertrug, aus dem Fenster zu schauen. Aber dieses Mal stand an der Bushaltestelle jemand, nämlich Jan, Leo (Leider) und ein paar alte Nachbarn, die mich noch aus meiner Kindheit kannten. Sie hatten ein Plakat gemacht, auf dem stand "Olympia 2020: Alia wird siegen". Ich musste automatisch lächeln. Sie freuten sich alle sehr für mich und auch Jan sah sehr viel besser aus als erwartet. Er hatte zwar tiefe Trauerspuren im Gesicht, doch ansonsten sah er gut aus. Er hatte etwas abgenommen und trotz allem ein fröhliches Lächeln im Gesicht.

Ich freute mich riesig, als ich aus dem Bus stieg und alle riefen:"WER WIRD GEWINNEN? ALIA! ALIA!" Ich umarmte jeden einzeln (auch Leo) und bedankte mich. Gemeinsam mit allen machten wir uns auf den Weg zu unserem Haus, wobei ich viel erzählen musste. Irgendwann ließ ich mich ein bisschen zurückfallen, um Jan zu fragen, wie es Mama ging. "Nicht so gut", meinte er:"Sie trinkt ziemlich viel und raucht auch. Außerdem ist sie immer noch Stinksauer auf dich, dass du ins Internat zurück gegangen bist." Ich seufzte ein bisschen. "Bist du auch sauer?", fragte ich vorsichtig. "Nein! Also, als du zurückgegangen bist, fand ich das natürlich auch ziemlich scheiße, aber ich kann dich auf jeden Fall verstehen. Und außerdem:Olympia! Das war doch immer dein Traum! Ich kann es immer noch nicht fassen! Und ich darf sogar mitkommen. Ich habe mich so gefreut, als ich die Nachricht bekommen habe. Aber wer ist Noah?" "Ein Freund von mir. Er ist auch auf dem Internat. Oder besser war"fügte ich traurig hinzu. Ich war Jan sehr dankbar, dass er nicht weiter nachfragte.

Bis zum ZielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt