Kapitel 70

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Er löste sich wieder von mir und sah weg. Sofort schossen mir Gedanken durch den Kopf, alle Gefühle, die ich noch Sekunden zuvor hatte, waren verflogen. Zurück blieb nur Angst. Eine große Angst, dass Noah das nicht wollte oder dass er es bereute. Dass ich nicht gut genug war oder er keine Gefühle für mich hatte.

Doch er drehte sich wieder zurück und hatte dieses Lächeln auf den Lippen. Ein besonderes, etwas, das er nie zuvor gezeigt hatte kam zum Vorschein. Verletzlichkeit. Und das rührte mich fast zu Tränen. Er öffnete sich mir so, dass er Seine komplette Fassade fallen ließ und sein wahres Ich zeigte.

Und dann küsste er mich wieder.

Irgendwann löste ich mich von ihm. "Ich glaube, wir müssen mal zurück.", flüsterte ich und er nickte.

Etwa eine halbe Stunde später lag ich in meinem Bett und dachte nach. Ich war glücklich! Und diese Ironie, dass ich etwa eine Stunde vor dem Kuss meinem Trainer und dessen Chef versichert hatte, dass nichts zwischen Noah und mir lief, ließ mich grinsen.

Wir müssten aber aufpassen, dass wir immer noch wie ganz normale Freunde rüberkamen.
Und was mich wirklich verwunderte war, dass ich bis zu dem jetzigen Kuss nicht gemerkt hatte, dass ich in ihn verliebt war. Selbst, als er mich damals geküsst hatte, hatte es mir zwar gefallen, aber Liebe hatte ich dabei nicht gespürt.

Ich hatte noch so viel zu erleben und zu erfahren!
Und dann war auch noch das Wochenende. Ich hatte mit Steffan besprochen, dass er meine Eltern anrief und sich bei ihnen erkundigte, ob ich nach Hause kommen konnte. Denn das war eigentlich ein großes Problem. Wenn ich nicht nach Hause konnte, müsste ich hier bleiben, in einem Hotel oder einer anderen Unterkunft, denn das Internat würde unbewohnbar sein, während es repariert werden würde.

Morgen würde das Wochenende sein und zum Glück hatte ich klären können, dass ich nach Hause fahren würde.

Einen Teil der Fahrt würde ich sogar mit Noah verbringen können, bevor ich dann in einen anderen Zug umstieg, der in die komplett andere Richtung fuhr.

Ich hoffte sehr, dass in diesem Zug nicht noch andere Athleten sein würden, denn dann könnten Noah und ich ein bisschen allein sein, bevor wir uns für eine viel zu lange Zeit nicht sehen würden.

Wir packten alle schon fleißig unsere Koffer, alle waren aufgeregt, nach Hause zu fahren. Ich musste plötzlich an Selene denken. Ich hatte immer Joch nicht geklärt, wie sie gedopt hatte.

Und deshalb fuhr mir durch den Kopf, dass ich jetzt zu ihr hin gehen könnte und mit ihr reden könnte. Aber wie würde sie reagieren? Würde ich es aushalten, wenn sie wieder damit anfing?

Doch ich schob diese Gedanken bei Seite. Jetzt ging es um sie, nicht um mich. Ich musste sie nur so überrumpeln, dass sie sich nicht wehren konnte.

Ich erhob mich von meinem Bett und lief zum neben Zimmer. Dort klopfte ich kurz, wartete aber nicht auf ein herein. Selene saß auf dem Boden und sortierte irgendwelche Klamotten. Sie sah hoch, als ich sie ansprach:"Ich habe lange überlegt. Aber Selene, ich mache mir sorgen. Um dich."

"Was willst du? Warum das denn?"
"Weißt du noch letztes Jahr als wir zur Europameisterschaft gefahren sind? In der Zeit hast du dich ständig über geben, aber trotzdem hast du trainiert und hast einen muskulösen Körper bekommen."

Selenes Augen weiteten sich erschrocken. Nun begriff sie, worum es ging. "Du hast dich gedopt. Das habe ich am Tag unseres Finals gemerkt. Als du trotzdem gestartet bist, nachdem du dich über geben hast."

Selene sah mich an. Sie schloss die Augen, als könnte sie es nicht fassen.
Dann nickte sie.

Bis zum ZielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt