Ich sprang in letzter Sekunde aus dem Bus, als ich die alte Eiche neben der Bushaltestelle erkannte. Sonst erkannte ich gar nichts.
Es hatte angefangen zu regnen und ich spürte, wie kalte, nasse tropfen in meinen Nacken liefen. Ich erschauderte.
Ich sah mich um. Es war kein Wunder, dass ich erst in letzter Sekunde aus dem Bus gesprungen war.
Ich erkannte nämlich außer der Eiche nichts wieder.
Statt dem großen Wald hinter der Haltestelle erstreckte sich nun dort ein riesiges Wohngebiet.Ich sah die Straße hinauf. Früher hatte die Haltestelle etwas außerhalb des Dorfes gelegen. Nun, so erschien es mir, lag sie mitten im Dorf.
Ich begann in Richtung zuhause zu gehen. Es regnete immer doller und inzwischen lagen meine Haare in Strähnen auf meinen Schultern.
Ich war froh, als ich in unsere Straße einbog und unser Haus noch stand.
Ich beschleunigte meine Schritte und erreichte die Tür.Endlich war ich zuhause!
Die Tür öffnete sich, nachdem ich geklingelt hatte. Mir gegenüber stand meine Mutter. Sie warf sich mir um den Hals.
"Alia! Endlich bist du da! Es tut mir leid, dass wir dich nicht vom Bahnhof abholen konnten! Wie war deine Fahrt? Hast du alles dabei? Hast du Hunger? Oder Durst? Du bist ja ganz nass!""Mama, vielleicht kann ich erst mal rein kommen?", fragte ich. Sie nickte. "Natürlich"
Ich zog meine Schuhe aus und ging durch den Flur ins Wohnzimmer.
Dort erwartete mich eine Überraschung.
Früher stand an den Wänden ein großes Regal. Voll mit Büchern.
Es war verschwunden.Stattdessen stand eine Kommode dort. Auf ihr lagen unzählige, hässliche Vasen und Skulpturen.
Mein Blick schweifte weiter. Der Esstisch stand auf dem selben Platz. Ich atmete aus.
Bilder hingen keine mehr an der Wand. Das Sofa stand auch immer noch dort, wo es früher gestanden hatte. Aber es war versifft. Und einfach nur ekelhaft, denn auf dem kleinen Tisch davor standen mehrere Flaschen Alkohol. Und zwar leer.
Nun roch ich auch den alten Zigarettenrauch. Er hing in der Luft, in den Vorhängen und in den Klamotten meiner Mutter.
Ich rümpfte meine Nase.
"Mama, seit wann rauchst du?", fragte ich. Sie antwortete:"Schon ein bisschen länger."
Täuschte ich mich, oder konnte man einen leisen Vorwurf hören, dass ich so lange nicht zuhause gewesen war?Ich war plötzlich verlegen.
Deshalb fragte ich:"Wo sind denn Jan und Papa?""Papa ist arbeiten. Mit den Auto ist er in die Stadt gefahren." "Hätte er mich nicht abholen können?", fragte ich. Doch Mama schüttelte den Kopf.
"Und Jan ist in seinem Zimmer.", fuhr sie fort.
Ich nickte und ging in die Richtung seines Zimmers. "Nein, er ist umgezogen und wohnt im Keller", meinte meine Mutter.Ich änderte meine Richtung und ging verwirrt in den dunklen, kalten Keller. Von weitem hörte ich Geräusche. Ich öffnete die Tür und sah meinen Bruder. Ich erschrak. Das war doch nicht mein Bruder?!? Eine fetter Junge saß in einem breiten Sessel. Vor ihm hing ein riesiger Flachbildschirm. In der Hand hatte er einen Kontrolleur und nun sah ich, woher die Geräusche kamen. Jan, mein Zwillingsbruder, spielte Ballerspiele. Wie konnte er mit mir verwandt sein und so anders sein als ich?
Jan hatte mich nicht bemerkt. Ich trat näher. Dann räusperte ich mich. " Jan?", fragte ich vorsichtig. Ich merkte, wie er einatmete. Aber er bewegte sich nicht, als er mir antwortete. "Alia! Was machst du hier?" Mama hatte es ihm nicht gesagt. "Ich bin für das Wochenende hier. Danach fahre ich aber wieder"
"Ah, ok."
Danach kam nichts mehr. Wo war mein Bruder geblieben? Mein toller Zwillingsbruder, mit dem ich über alles reden konnte? Mit dem ich lachen konnte und gegen meine Eltern zusammen halten konnte?Plötzlich hörte ich einen Schmerzerfüllten Schrei von oben. Ich nickte zusammen und rannte dann so schnell wie möglich nach oben. "Mama? Mama, was ist denn?"
Ich sah Mama. Sie lag gekrümmt auf dem Boden, das Telefon in der Hand. Tränen liefen ihr über die Wangen. "Hoffentlich hat sie sich nichts angetan!", war mein erster Gedanke.
"Was ist los Mama?", fragte ich. " Papa", flüsterte sie mit tränenerstickter. "Papa hatte einen Autounfall. Er...er ist tot"
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Bis zum Ziel
Teen FictionRun. Bis zum Ziel. Nicht aufgeben. Sonst bist du raus. Ich rannte. Meine Spikes Nägel gruben sich in die Tartanbahn, ich stieß mich ab und flog mit einer perfekten Technik über die Hürde. Weiter. Ich spürte das Brennen in meiner Lunge. Weiter. ...