Kapitel 97

52 5 0
                                    

Wir warteten auf die Siegerehrung, die nicht mehr lang dauern sollte. Noah und ich hatten uns in die Sonne gesetzt, und Basti hatte sich zu uns begeben. Ich fand das merkwürdig, denn eigentlich hatte Basti nie etwas zu tun.
Außerdem schien er nicht sonderlich enttäuscht darüber zu sein, dass er gegen Noah verloren hatte. Warum war das bei denen so einfach?

Die Jungs unterhielten sich über belangloses Zeug und ich fragte mich, seit wann die beiden so miteinander redeten. Eigentlich hatte ich gedacht, dass sie sich verachten würden, doch dem war wohl nicht so.

Noah drehte sich ab und zu zu mir um und lächelte. Ich lächelte zurück und legte mich ins Gras. Nach dem Winter taten die Sonnenstrahlen gut und meine Haut sog die Wärme auf.

Ich war wohl eingeschlafen, denn Noah weckte mich sanft auf. "Die Siegerehrung", meinte er nur und ich streckte mich, bevor ich mich wieder hin setzte.

Wir liefen zur Tribüne und stellten uns zu den anderen Athleten. Erst wurden die Jungs aufgerufen und ich klatschte und jubelte begeistert, als Noah auf dem ersten Platz stand und die Urkunde und Medaille entgegen nahm.

Auf dem zweiten Platz war Basti und auf dem dritten Platz ein Junge, den ich nicht kannte.
Am Schluss stellten sie sich zusammen auf den ersten Platz und es wurden ein paar Fotos gemacht.

Dann kamen wir Mädchen an die Reihe.
Erst wurde Selene aufgerufen, dann ein anderes Mädchen und als letzte ich. Ich ging nach Vorne, stellte mich auf das Treppchen und lächelte. Herr Esser gab mir die Hand, überreichte mir meine Urkunde und hängte mir die Medaille um den Hals. Auch wir drei Siegerinnen machten noch ein Foto gemeinsam und dann liefen wir wieder zurück.

Die Wettkämpfe gingen weiter, doch Noah und ich hatten keine Lust mehr, weiter zu zu schauen. Unser Tag war fertig und wir verzogen uns auf mein Zimmer.

Ich ließ mich auf mein Bett fallen und streckte meine Arme weit von mir. Noah legte sich neben mich und begann, meinen Nacken zu kraulen.
Eine leichte Gänsehaut über zog mich und ich lächelte, als Noah mir einen Kuss auf den Mund drückte. Ich küsste ihn zurück und liebte das Gefühl von seinen Lippen auf meinen.
Ich schloss die Augen.

Wir lagen lange einfach nur schweigend und kuschelnd da. Es war unglaublich gemütlich und ich spürte, wie die Anstrengung des Wettkampfs in meine Beine Kroch. Jede Bewegung tat weh, es war spürbar, dass ich eine Bestzeit gelaufen war.

Irgendwann liefen wir runter. Wir beide hatten Hunger und wollten etwas essen. Mein Magen knurrte schon laut, als ich den Geruch warmen Essens roch.
Es gab Kartoffelbrei und Rotkohl. Nicht sehr kreativ, doch für meinen müden Körper reichte es.

Wir unterhielten uns über belanglose Dinge und lachten zwischendurch immer wieder. Wir waren fast die einzigen im Speisesaal, die meisten liefen noch draußen herum und sahen den Wettkämpfen zu.

Als es anfing zu dämmern, wurde draußen zusammen gepackt. Der erste Tag der Landesmeisterschaften war geschafft und ich wollte ins Bett. Also verabschiedete ich mich von Noah und lief auf mein Zimmer.
Dort machte ich mich schnell Bett fertig und ließ mich dann in die Kissen fallen.

Ich stehe an der Startlinie. Alle meine Sinne sind auf den Start konzentriert, mein Körper angespannt, ich bin jeden Moment bereit zu starten. Mein Blick fällt einen kurzen Moment in die Zuschauermenge. Und dann sehe ich das Gesicht aufblitzen. Mein Vater schaut mich mit seinen ungewöhnlich klaren, blauen Augen an. Er macht einen Schritt nach vorne, seine Lippen bewegen sich und er scheint etwas zu mir zu sagen. Er tritt näher. Nun kann ich ihn verstehen:"Alia! Warum warst du nicht im richtigen Moment da? Warum hast du nicht das Leben einer Person gerettet, die dir sehr wichtig ist?"
Sein Gesicht verwandelt sich in das meiner Mutter. Sie sieht mich aus leeren Augen an. Auch sie sagt etwas, doch in dem Moment knallt der Startschuss.

Bis zum ZielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt