Teil 57

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Aiden

Sehnsuchtsvoll dachte ich an die eineinhalb Tage in Houston zurück. Gerade lehnte ich rauchend an der Werkstattwand meines Onkels und genoss die kurze Pause. Nach dem Nathan mich so angeschrien hatte, war ich wieder mit ihm nach Hause gefahren. Trotz aller Bedenken hatte meine Mutter mich unter Tränen zu Hause in die Arme geschlossen. Nur widerspenstig hatte ich zurück umarmt. Meine Mutter hatte mir versprochen am Sonntag nach der Kirche mit mir zu reden. Davor sollte ich aber mit ihr die Messe besuchen. Mein Onkel war vor einer Stunde schon gegangen, da er noch zum heutigem Footballspiel musste, zu welchem er sich mit dem Sherif verabredet hatte. Erst nach dem Spiel würden alle in die Berge fahre, wo die Warrens ihre Ranch hatten.

Eine Stunde später war ich fertig mit der Arbeit und fuhr zum Schießtreffen. Von Nathan erfuhr ich, dass das Spiel noch eine Zeit lang gehen würde. Eine einzige Straße führte direkt von der Stadt in die Berge, wo die einzigen Bewohner der Warrenclan war. Durch die Abgeschiedenheit gehörten sie nicht richtig zur Stadt. Die Familie hielt sich meist im Hintergrund, obwohl ich sie wirklich in Ordnung fand. Mit Ella flirtete ich hin und wieder und Ethan zog mich deswegen immer scherzhaft auf. Auf dem Weg zu ihnen fuhr ich vorbei an uralten Bäumen und musste sogar über einen Kiesweg fahren, was meinem Auto nicht besonders gefiel. Schließlich überquerte ich eine in die Jahre gekommene Eisenbrücke, bog um eine Kurve und stand auch schon im Hof der Warrens.

Ethan sprang von einer Bank nicht weit von mir auf und schritt auf mich zu. Wie es aussah, war ich der Zweite, nach meiner Cousine. Ihr Wagen stand im Schatten einer alten Eiche. Schnell parkte ich meinen Honda, sodass ich später problemlos wieder abhauen konnte. Ich riss meine Fahrertür auf und grüßte Ethan. Dann ging ich zum Kofferraum und holte meinen Gewehrkoffer hervor. „Ella wettet gegen mich, dass ich dich heute schon wieder nicht schlage, um 50$, ich hoffe das das Gegenteil der Fall ist.", schmunzelte der Warrensprössling. „Da muss ich dich heute leider enttäuschen. Nathan hat gesagt er gibt mir 100 Dollar, wenn ich dich schlage, also werde ich mein bestes geben!", grinste ich und folgte ihm die Böschung hinunter.

Dahinter lag eine karge Wiese. Ethans Familie besaß bereits seit Generationen viel zu viele Felder. Eine halbe Meile weiter war meine scheiß Cousine bereits fleißig am Schießen. „Meine Mutter hat Chillie gemacht, ich hoffe es ist dir nicht zu scharf.", erzählte Ethan. „Niemals!", gab ich zurück. Mein Magen begann bei der Erinnerung an das gute Essen, welches seine Mutter kochte sofort zu knurren. „Lass für die anderen auch etwas übrig!", warnte er mich. „Ja, ja!", sagte ich nur.

Die drei Mädchen standen nun fast direkt vor uns. Doch bemerkt hatten sie uns nicht. Schnell legte ich einen Arm um Ellas Hüfte und gab ihr einen Kuss auf den Mund. „Aiden!", stieß diese überrascht hervor. Ihr Bruder schöpfte schmunzelnd etwas aus einem Topf, welcher über einer Feuerstellte köchelte. So fröhlich wie ich die letzten Tage war, kannte ich mich selbst nicht. „Schön das du da bist, aber lass und das auf später verschieben. Deine Verwandtschaft kuckt schon.", flötete Ella mir neckend ins Ohr. Ich knurrte nur enttäuscht und holte mir den Teller von Ethan, welcher randvoll mit lecker duftendem Chili gefühlt war.

Um das kleine Lagerfeuer waren neben Holzblöcken ein paar Campingstühle aufgestellt worden. Ich setzte mich auf einen schwarzen Campingstuhl, gegenüber von Ethan. Dieser drückte mir, als ich saß, noch ein gekühltes Bier in die Hand. Die Sonne brannte auf unsere Körper nieder und ich war froh, einen Cowboyhut aufgesetzt zu haben. Nathan sagte zwar immer, dass diese mir nicht standen, aber das war mir egal.

Ethan begann mich ohne große Umschweife auszuquetschen über meinen Verbleib in den letzten Tagen. Natürlich erzählte ich ihm nur die halbe Wahrheit. Niemand sollte unbedingt wissen, dass ich in Houston war: „Ich war in unserem Ferienhaus. Hätte ich meine Mutter um Erlaubnis gebeten, hätte sie nein gesagt." „Aha!", ließ Ethan verlauten. Mir war bewusst, dass er mir nicht glaubte.

Nach dem ich mich gesättigt hatte, schnappte ich mir meinen Waffenkoffer, legte ihn sorgsam auf den Tisch und öffnete den Deckel. Während neben mir Ethan bereits fleißig sine Patronen verschoss, holte ich mein Gewehr ehrfurchtsvoll aus seinem Koffer, lud es, richtete es auf die extra aufgestellten Ziele in der Ferne und zielte. Der erste Schuss saß perfekt. Die Strohpuppe wurde mitten ins Herz getroffen. „Angeber!", murmelte Warren neben mir, da er bis jetzt nichts getroffen hatte. Zwischen uns entstand ein Wettstreit, der lediglich vom Eintreffen der anderen Gäste unterbrochen wurde. Nathan wedelte demonstrativ mit einem 100 Dollarschein vor meiner Nase herum. Anschließend widmete er sich wieder der Hure Jessica.

Der Bruder von Ella hatte mir erzählt, die beiden wären am Coupleday als Paar gekommen. Bei den Blicken, die er mit ihr austauschte, war ich mir sicher, dass die Beiden es schon miteinander getrieben hatten. Unzählige Teenager der Stadt feuerten neben mir ihre Schüsse ab. Kurz bevor die Sonne unterging, wurde ich als Sieger auserkoren und bekam 100 $ von Nathan überreicht. Danach folgte ein geselliges Beisammensein der Jugend von Blackheil. Alle saßen plaudernd um das Lagerfeuer und das Einzige, was noch fehlte war, dass irgendein Vollpfosten seine Gitarre hervor holte. Doch zum Glück blieb das aus. Sonst hätte ich demjenigen nämlich seine beknakte Gitarre an den Kopf geworfen. Passiert war das jedenfalls schon einmal. 😉

Ich unterhielt mich gerade mit Carter über meine Party am letzten Freitag – die ich ja verpasst hatte -, als Ella sich unangekündigt auf meinen Schoß schmiss. Fast hätte ich das Bier über sie geschüttet. Das Gespräch mit Carter verklang prompt. „Was habe ich verpasst?", grinste Ella uns unschuldig an. „Aidens Party letzten Freitag.", antwortete Carter ihr. „Ach ja, da war ja was!", zuckte sie die Achseln, „Oma brauchte Hilfe in der Küche." „Zu solch später Stunde.", klang ich skeptisch. „Erwischt! Ich bin auf dem Highway stecken geblieben, weil irgendwelche Vollhonks ja ein Rennen fahren mussten.", sah sie mich anklagend an. „Du wolltest einfach nicht zu!", forderte ich. Eine lange Haarsträhne hatte sich aus ihrem Zopf gelöst, ich strich sie wieder sorgfältig hinter ihr Ohr. Mir entging nicht die Gänsehaut, welche sich bei meiner Berührung auf ihrem Körper ausbreitete. „Pst! Sonst denken alle noch ich würde Party verachten!", machte Ella.

Um sich abzulenken begann sie in meinen Haaren rumzufahren. Als ich mich wieder mit Carter unterhalten wollte, stellte ich fest, dass Britney auf seinem Schoß saß und wild mit ihm rumknutschte. Das war ja schnell gegangen! Ella war meinem Blick gefolgt. Sie stand auf, hielt mir ihre Hand hin und zusammen spazierten wir in Richtung ihres Wohnhauses. Dort hatten wir endlich mal Zeit, richtig zu unterhalten und konnten uns auch anderen Dingen widmen, wenn ihr versteht, was ich meine...

No way Badboy!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt