Kapitel 18: Unschuldig

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Ethan holte mich früh morgens mit deinem Auto ab und bevor wir irgendwo hinfahren konnten, machte er noch einmal halt bei sich Zuhause. Er hatte noch schnell etwas zu erledigen und so blieb ich im Auto sitzen. Nach dem Anruf gestern Abend, konnte ich das Verhalten der anderen etwas nachvollziehen, doch ich wollte nicht außen vor bleiben. Mittlerweile wusste das Ethan.

"Ein Rudelmitglied ist tot!"
"Wer?", fragte ich geschockt. War es Aleyna? Isaac? Aidon? Oder doch Lisa? Oder einer der älteren?
"Es ist Emil." Ethan klang so traurig, dass es mich selber schmerzte. Ich kannte Emil nur flüchtig, jedoch hat er sich um Ethan gekümmert, als dieser noch klein war. Auch wenn ich wusste, dass diese Wörter nicht viel brachten, sprach ich sie trotzdem aus. "Das tut mir leid."
"Mir auch.", flüsterte er
"Wurde er-?"
"Ja er wurde ermordet. Er wollte seinen Angreifer wohl noch abwehren und hat sich deshalb verwandelt, doch das konnte ihn nicht retten. Der andere war zu stark." Seine Stimme war Schmerz verzerrt, doch sie war auch Hass erfüllt.
"Soll ich vorbei kommen?", fragte ich ihn ruhig, doch er lehnte ab.
"Wir sehen uns ja morgen.", sprach er knapp und legte auf.

Während ich auf ihn wartete, schlichen sich ein paar unschöne Bedenken in meinen Kopf. Was wenn es doch Adam war und er mich angelogen hat? Aber er hat nicht nach Mensch gerochen oder nach Wolfsblut. Nein, ich glaube nicht, dass er gelogen hat. Auch wenn er sich komisch verhält, vertraute ich ihm in der Hinsicht. Nachdem Ethan nach längerer Zeit immer noch nicht wieder kam, beschloss ich ihm zu folgen. Die Haustüre war nicht verschlossen, so konnte ich einfach das Haus betreten. Ich nahm direkt den gestressten und besorgten Geruch war, der das ganze Haus erfüllte. Viele Rudelmitglieder liefen von einem Punkt zum anderen und schienen mich garnicht zu beachten. Ich ging Ethan suchen und hörte ihn in einem Raum reden. Als ich durch die offene Tür lugte, sah ich die Davis, Ethan, die Zwillinge und zwei Polizisten. Die  Polizisten hatte ich schon einmal gesehen, es waren Rudelmitglieder. Auf dem Tisch lagen Dokumente und Antonio, Ethans Vater, war über sie gebeugt. "Ich will, dass ihr das ganze Revier nach diesem Streuner absucht! Noch mehr vermisste darf es nicht geben." "Verstanden.", sagten beide und gingen an mir vorbei. "Jenna!" Ethans Mutter stand nun vor mir und schaute mich eindringlich an. Ethan drehte sich um und als er mich erblickte, wurde er wütend. "Was tust du hier?", zischte er. "Du solltest doch im Auto warten!" "Du hast so lange gebraucht.", sagte ich und drückte mich an ihm vorbei in den Raum hinein. "Es gibt noch mehr vermisste?", fragte ich Antonio, der mich ernst anschaute. Nach langer Stille sprach er dann endlich. "Eigentlich darf ich dich noch nicht einweihen, da du zu jung bist, aber ich mache bei so einer Situation mal eine Ausnahme." Er drehte die Dokumente um und bei dem Anblick wurde mir speiübel. Dort lag ein Foto, von einem halb zerfleischen Jungen. Wahrscheinlich war es der verschwundene Junge Tom. "Der Junge wurde im Wald gefunden. Zerfleischt durch einen Wolf. Danach wurde einer von uns getötet und jetzt gibt es zwei neue vermisste. Ein 19 jähriger Junge und seine 5 jährige Schwester." Er legte mir zwei weitere Bilder hin. "Die beiden werden schon tot sein, doch wir müssen den Wolf finden, der das getan hat." Wie schrecklich direkt davon auszugehen, dass die beiden tot sind. Antonio räusperte sich. "Der Streuner wurde zuletzt westlich gesichtet, also aller höchste Vorsicht und haltet euch daraus! Ich will nicht dass ihr auch noch tot aufgefunden werdet." Mein Herz setzte für einen kurzen Moment aus. Westlich von hier war der Waldteil hinter unserem Haus. "Wisst ihr die Fellfarbe?", fragte ich gespannt und mein Körper spannte sich umso mehr an, als Antonio meine Sorge bestätigte. "Blond." Also meinten sie wirklich Adam. Aber er kann es nicht sein. Ich spüre einfach, dass er unschuldig war. Ich war mir unsicher, ob ich ihnen einfach sagen sollte, dass ich den Streuner kannte, doch ich wusste nicht wie sie reagieren würden. Aber wenn ich nichts tue, würde das seinen Tod bedeuten.

"Ich glaub nicht, dass es dieser Streuner war.", sagte ich zögernd und sofort lagen alle Blicke auf mir. "Wie meinst du das?", fragte mich Antonio und spannte sichtlich seine Muskeln an, was mich nur noch nervöser machte. "I-ich kenne diesen Wolf. Ich habe ihn schon vor ein paar Tagen getroffen. Er ist un-" Ein lauter Knall, unterbrach mich. Mrs. Davis schaute mich wütend an und auch ihre Augen waren jetzt blutrot. In dem zuvor schönen Holztisch, waren nun Risse, die sich von ihrer Hand über den halben Tisch ausbreiteten. "Was hat das zu bedeuten?!", sagte sie und ihre Stimme war wut getränkt. Mir lief es kalt den Rücken hinunter und ich spürte wie meine Beine langsam weich wurden. Nein nicht hier vor allen anderen. Nicht vor Ethan. Sie dürfen nicht wissen, dass ich ein Omega bin. "Du wusstest die ganze Zeit, dass hier ein Streuner umherlungert und du sagst es nicht deinem Rudel?! So eine Information hält man nicht für sich. Es gibt bereits Tote und einer ist aus unserem Rudel! Dieser Wolf ist nicht unschuldig, verstanden?!" Ich schluckte schwer, denn ihre Alphastimme zwang mich zu Boden. Die Luft war durchzogen von Zorn und es fühlte sich an, als wären nur Mrs. Davis und ich in dem Raum. "Ja.", mein Blick wanderte zum Boden und ich musste mich konzentrieren, nicht zusammen zu brechen. Es war anders als bei meinem Großvater oder Ethan, als er seine Stimme im Klassenzimmer angewendet hatte. Ich hätte zuvor nie gedacht, dass Mrs. Davis so stark war, doch jetzt wusste ich es besser. Ich konnte Adam nicht helfen, auch wenn ich es wollte. Meine einzige Möglichkeit war es, ihn vor dem Rudel zu finden.

Der Wolf in MirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt