Kapitel 60: Kaffee

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Ich bemerkte erst, dass ich mich die ganze Nacht um Adam gekümmert hatte, als die ersten Sonnenstrahlen das Zimmer erhellten. Erschöpft ließ ich mich auf meinen Stuhl fallen und streckte mich ausgiebig. Mein Rücken schmerzte vom ganzen stehen und mein Kopf brummte durch den fehlenden Schlaf. Ethan saß noch immer auf dem Boden und Atmete gleichmäßig ein und aus. Ich beobachtete ihn etwas und überlegte wann er eingeschlafen war. Ich entspannte kurz meine Augen und blickte dann auf die Uhr. Es war kurz vor sieben und so entschloss ich mich, nach unten zu gehen und nach Nina zu schauen. Bevor ich das Zimmer verließ blickte ich noch einmal zu Adam, dessen Gesicht fast vollständig verbunden war. Ohne irgendjemanden aufzuwecken, streifte ich durch die Küche, stieg über umgeworfen Becher, klebrige Flecken und Chipskrümel. Isaac und Aidan hatten sich auf der Couch breit gemacht, während es sich Aleyna auf dem Sessel gemütlich gemacht hatte. Meine Gedanken streiften noch immer zu Adam, dessen Zustand wirklich schlimm gewesen waren. Die tiefen Schnitte zogen sich über dein halbes Gesicht über die Augen. Ich hoffte nur, dass er sein Augenlicht behalten würde... Doch woher kamen seine Verletzungen? Die Befürchtung, dass ihn das Biest erwischt hatte schlich sich in meinen Kopf, jedoch überkam mich auch die Erleichterung, dass er es überlebt hatte. Die Frage wie er es geschafft hatte lag jedoch offen. Sobald er wieder fit genug ist, wird er es sicherlich erzählen.

So leise wie nur möglich öffnete ich die Wohnungstüre von Nana und steckte meinen Kopf hinein. Nina lag noch immer auf der Couch und ihre gleichmäßige Atmung ließ darauf schließen, dass sie noch fest schlief. Da ich nicht stören wollte schloss ich die Türe wieder hinter mir. Eine Bewegung neben mir ließ mich zusammen zucken und erschrak mich so stark, dass ich sogar einen kleinen Schrei von mir gab. Ich blickte in Louis große runde Augen die mich freudig an strahlten und Johns verwirrtes Gesicht. "G-guten Morgen.", stammelte ich mit einem lächeln, als sich mein Herzschlag wieder beruhigt hatte. Ich kam mir ganz schön blöd vor, wie ich da vor John stand. Ungekämmte Haare, Augenringe, blutiges Shirt und Jogginghose. Louis war alles egal, er streckte seine Arme nach mir aus und ließ sein Körpergewicht nach vorne fallen, sodass ich keine andere Möglichkeit hatte als ihn aufzufangen. Er warf seine kleinen Arme um meinen Hals und begann an meinen offenen Haaren zu spielen. John stellte die Tasche, die er in der Hand hielt auf den Boden ab und blickte mich noch immer verwundert über mein Aussehen an. "Was...", begann er unterbrach sich dann aber selber mit einem Kopfschütteln. "Nein, sag es mir lieber nicht, sonst muss ich es deinen Eltern sagen." John nahm seine Tasche wieder hoch und wollte Louis nehmen, der dich aber strickt weigerte von meiner Seite zu weichen. Er seufzte und nickte dann in Richtung der Treppe. "Am besten kommst du mit hoch." Ich folgte ihm ins obere Stockwerk. Seine Wohnung lag über Nanas und hatte ungefähr die selbe Größe. Küche und Bad waren an der selben Stelle nur dass alles moderner eingerichtet war. Das Schlafzimmer teilten die beiden sich, wobei Louis Spielzeug im Wohnzimmer verteilt war. Eine kleine schwarze Couch stand gegenüber des Fernsehers, während ein Glastisch mit vier Stühlen dahinter an der Wand stand. Der Teppich vor dem Fernseher wurde zum Spielplatz für Louis, weshalb dort auch kein Fernsehertisch stand. Die dunkle Küche wurde durch die große Balkontür gut beleuchtet und brachte so ein gewisses Gefühl von Freiheit. Fast so wie mein großes Fenster, welches mich, genau wie John in den Wald blicken ließ. Ich setzte Louis ab und half ihm dabei seine Straßenkleidung auszuziehen. Als der letzte Schuh aus gezogen war, rannte er auch schon los zu seinen Spielsachen und all die Aufmerksamkeit an mir hatte er verloren. "Willst du einen Kaffee?", fragte John auf dem Weg in die Küche. Ich nickte als Antwort, setzte mich auf einen der Stühle und entspannte so lange die Augen, bis John mir den Kaffee hin stellte. "Siehst ganz schön fertig aus.", meinte er und trank einen Schluck, was ich ihm gleich tat. "War wohl eine wilde Party." "Ohja...", sagte ich und nahm noch einen Schluck. Der heiße Kaffee erwärmte meinen Körper von innen nach außen und gab mir ein beruhigendes Gefühl der Erleichterung.
Nachdem ich ungefähr die halbe Tasse getrunken hatte, spürte ich die neu gewonnene Energie durch meine Adern fließen. John, der mich zwar beobachtete, wie ich den Kaffee trank, erwartete nicht von mir etwas zu sagen und doch sah ich noch immer die Verwirrung in seinen Augen. Wahrscheinlich malte er sich aus was Gestern passiert war und wollte es sehr gerne wissen, befürchtete aber, dass er es dann meinen Eltern sagen müsste. Da sie es aber ohne hin erfahren würden, konnte ich es ihm auch erzählen und das tat ich. Ich erzählte ihm alles was er wissen musste. Von der Menge an Partygästen, vom Alkohol, von der Musik und von dem plötzlichen Panik Ausbruch. Von dem Angriff auf Nina und wie Ethan sie rettete und der ärztlichen Hilfe die ich leistete, bis zu dem Punkt, als ihn im Hausflur traf.

"Warte, warte, warte...", sagte er und schob mir als Geste die Hand vors Gesicht, um mich am weiter reden zu hindern. "Noch mal von vorne. Der getötete Streuner, dein Freund, war gar nicht tot, hat sich versteckt und vom Rudel ferngehalten. Wurde dann schwer verletzt und hat deine Menschenfreundin angegriffen und gebissen, die jetzt von uns weiß und in der Wohnung von meiner Mutter liegt, während eure Wohnung voll mit jungen Wölfen ist, die sich weder über den Streuner noch deine verletzte Freundin freuen?" "Korrekt.", antwortete ich knapp und nahm den letzten Schluck Kaffee zu mir, der noch in meiner Tasse verweilte. 
Ich beobachtete wie die Farbe langsam aus seinem Gesicht verschwand und er erschrocken das Gesicht in seine Hände stützte. "Das kann doch nicht war sein... Jenna weißt du was das für Konsequenzen haben wird?!" Versutzt schaute ich ihn an und versuchte durch seinen Gesten herauszufinden, was er damit meinte. "Ich weiß nicht was du meinst..." "Jenna, es ist vielleicht nicht so schlimm, dass dein, vom Alpha zum Tode verurteilter Freund noch lebt und sich genau in diesem Moment, mitten im Revier aufhält. Jedoch hast du alles was du über uns weißt einem Menschen anvertraut. Einem Mädchen das durch einen noch so kleinen Fehler, unsere Identität preisgeben kann... Damit wäre das Rudel in größerer Gefahr, als wir im Moment sowieso schon sind!" Johns Augen funkelten vor Zorn und er richtete sie direkt auf mich. "Wenn du nicht willst, dass ihr Leben auf dem Spiel steht, dann schaff sie hier weg und zwar auf der Stelle!"

Der Wolf in MirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt