Kapitel 31: Blüte

13.2K 489 11
                                    

Es war bereits Mittag, als ich mich endlich auf unsere Couch setzen konnte. "Endlich entspannen.", murmelte ich und schaltete den Fehrnsehr an. Ich saß bestimmt nur 5 Minuten da, bevor ich einnickte. Doch mein Schönheitsschlaf dauerte nicht lange, denn ein stechender Schmerz durchzog meinen Arm und weckte mich.
Mein Arm pochte vor sich hin, als hätte er einen eigenen Herzschlag. Was ehrlich gesagt alles andere als angenehm war. Ich setzte mich auf und packte ihn behutsam. Stimmt ja. Ich wollte Medizin kochen. Ich schlürfte zur Wohnungstür und packte mir den ersatz Schlüsselbund meines Vaters. Die Tür viel hinter mir ins Schloss, als ich vor Nanas Tür stand. Ich war in ihrer Wohnung seit mehr als zwei Monaten nicht mehr und es fühlte sich merkwürdig an, sie jetzt einfach so zu betreten. Nach einem tiefen Atemzug, betrat ich die Wohnung. Es roch noch immer nach Nana. Ihr Geruch beruhigte mich auf anhieb. Herrlich. Die Wohnung strahlte so voller Leben, dass man glatt meinen würde, Nana lebt noch. Ich musste lächeln, als ich an die schönen Momente mit ihr zurück dachte. Doch ich merkte auch, wie schrecklich ich sie vermisste. Während ich durch das saubere Wohnzimmer in die Küche ging, viel mir auf, dass die Kräuter, die Nana immer getrocknet von der Decke baumeln lassen hat, nicht mehr da waren. Bestimmt hatte meine Mutter sie weg geräumt. Genauso wie sie auch jedes Staubkorn in ihrer Wohnung entfernt hatte. Ich legte den Schlüsselbund auf die Küchentrese ab und stellte mich unter den Holzbogen, der das Wohnzimmer mit der Küche verband. Ich streckte mich so weit es ging und tastete vorsichtig den Rahmen ab, bis ich etwas kaltes spürte. Nachdem ich den alten Schlüssel in der Hand hielt, ging ich zu Nanas abgeschlossenem Schrank. Es war jetzt nicht so, als hätte sie ihr ganzes Gold in dem Schrank versteckt und würde ihn deshalb abschließen. Sie schloss einfach alles Mythische, was auf Werwölfe hinwies, in diesen Schrank ein. Dort waren diverse Sachen. Von Krallen, Zähnen, Zeichnungen, Eisenhut und Büchern bis hin zu... Romanen? Was hatte sich Nana nur dabei gedacht? Ich zog lächelnd das Buch 'kleiner Werwolf' heraus. Nana hatte es mir früher immer vorgelesen.

Der stechende Schmerz erinnerte mich daran, was ich hier eigentlich machen wollte und so zog ich das alte in ledergebundene Buch meiner Nana aus dem Schrank. Ich legte es vorsichtig auf den Tresen ab unf blätterte durch die ersten Seiten voller Rezepte. Endlich fand ich das, was ich gesucht hatte. Es war das Rezept für eine nicht so lecker riechende, doch wirksame Paste, die die Schmerzen lindert und die Heilung vorantreibt. Wie fast jede Seite dieses Buches hatte Nana sie selbst geschrieben und gebunden. Ich strich über die mitlerweile schon gelbliche Seite. Nanas Handschrift und die dazugehörigen Zeichnungen waren etwas verblasst, doch immer noch gut sichtbar. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht, als ich den dunklen Fleck bemerkte, der sich wie ein zugehöriges Teil der Seite eingebrannt hatte. Ich hatte den Fleck verursacht, als ich ungefähr 7 Jahre alt war. Beim Spielen war ich einen steilen Berg heruntergerutscht und hatte mir mein Bein stark aufgeschürft. Nana hat mich beruhigt und mir dann gezeigt wie die Wunderheilpaste gekocht wird. Hatte, dann aus Versehen etwas davon verschüttet, genau auf das Buch.
Ich überflog flott das Rezept und öffnete vorsichtig die Vorratskammer. Ich war heil froh, dass meine Mutter die Kräuter hier hinein gelegt hatte und nicht einfach weg geworfen hatte. Ich kramte ein paar Töpfe heraus und dann machte ich mich ans Werk, die benötigten Kräuter zu hacken. Was mich schon immer gewundert hatte, war dass auch Eisenhut in das Gebräu kam. Jedoch nur die Blüten. Nana hatte irgendwo die eingepflanzte Blume stehen. Früher stand sie immer in der Küche, doch seit mein Cousin Louis da war, hat sie die giftige Blume weit von seinen kleinen Händen weg untergebracht. Ich ging wieder zu dem massiven Holzschrank und starrte die getrocknete Pflanze an. Doch ich wusste, dass es nicht das einzige war und so durchsuchte ich den Schrank. Ich war echt erleichtert die kleine Pflanze zu finden, da mein Arm doch stark schmerzte. Nachdem ich meine Hände mit Handschuhen geschützt hatte, zog ich vorsichtig, die Menge an Blüten heraus, die ich auch brauchte. Das klingt jetzt übervorsichtig, doch ich weiß nicht, wie die giftigen Blüten auf mich wirken. Immerhin bin ich ein Omega und ich könnte sie noch weniger vertragen und das wollen wir ja nicht herausfinden oder?
Die ganzen Blüten schmiss ich in kochendes Wasser und wartete darauf,dass es eine lila Färbung bekam. Als es soweit war, fischte ich sie heraus und schmiss die anderen Kräuter herein. Nachdem alles eine ganze Zeit lang gekocht hatte, schüttete ich das überflüssige Wasser ab. Ich fing an den Rest im heißen Topf zu stampfen, bis es eine glatte braun-lilande Masse wurde. Während ich sie abkühlen ließ, räumte ich meinen Dreck weg und verschloss den Schrank wieder. Den Schlüssel legte ich auch an den Platz auf dem Türrahmen zurück.

Als die Paste nur noch lauwarm war, legte ich meine Wunde frei. Sie war immer noch tief und aus irgendeinem Grund wollte sie nicht richtig heilen. Doch das würde sich jetzt ändern! Ich wischte vorsichtig das getrocknete Blut von meinem Arm weg und fing an, vorsichtig die Paste aufzutragen. Es brannte für einen kurzen Moment, doch sofort durchzog mich eine wohlige Wärme und die Schmerzen waren einfach weg. Erleichtert ließ ich mich auf Nanas Sessel sinken, als sich ihre Türe vorsichtig öffnet. John schaute mich verwundert, durch den Türschlitz an, doch dann kam er auch schon rein.
"Na Jen.", er schloss die Türe und ließ sich auf die breite Couch fallen. "Hätte nicht gedacht, dass du auch ab und zu hierher kommst." Ich schüttelte den Kopf. "Ich bin das erste mal seit Nanas Tod hier." Sein Blick wanderte zu meinem Arm und überrascht beugte er sich nach vorne. "Hast du die etwa gemacht? Hätte nie gedacht, dass jemand anderes als Nana sie so gut hinbekommt." "Nana hat es mir mal gezeigt und mit dem Rezept kam ich super klar." "Ich nie so wirklich.", lachte er. "So wie auch sonst keiner in unserer Familie. Nana hatte Talent und du hast es auch. Du hast die natürliche Veranlagung zur Heilerin Jenna. Nutze sie." Mit diesen Worten stand er wieder auf und verließ die Wohnung. Hatte ich wirklich so ein Talent dafür?

Es war mittlerweile wieder Abend, als ich auf meinem Bett lag und durch Nanas Buch blätterte. Mir viel auf, dass viele Seiten dem 'Lupus est filium' glichen. Der unterschied war, dass Nanas Version übersetzt war. Außerdem waren einige Zeichnungen nicht drin, wahrscheinlich der dazugehörige Text auch nicht. Die Seiten glitten durch meine Finger, auf der Suche nach etwas ganz bestimmten. Ich klappte das Buch zu, als ich jede Seite abgesucht hatte und nichts fand. Anscheinend waren die Bücher doch nicht so gleich. Es müsste doch irgendwo eine übersetzte Version geben. Warum wusste ich was diese Zeilen heißen? Ich wollte es einfach wissen. Alles über den Geisterwolf...

Der Wolf in MirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt