Kapitel 61: Verleugnung

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Während ich in der Küche unruhig hin und her lief, um etwas frisches für alle zu kochen, kümmerten sich Aidan und Isaac um die Beseitigung des Chaos, welches sich durch das Haus und dem Garten zog. Als ich ihnen die Aufgabe erteilt hatte, zeigten sie nur wenig trotz, was wohl an Ethans Wutausbruch in der letzte Nacht lag. Isaac bereute es wohl, ihn so gegen sich aufgehetzt zu haben und versuchte es jetzt ein wenig wieder gut zu machen. Mit wenig Widerstand und viel Bereitschaft. Ich versuchte mich zwar auf das Kochen zu konzentrieren, jedoch schweiften meine Gedanken immer wieder zu Nina ab.
Seitdem ich mit John geredet hatte, waren nun mehr als zwei Stunden vergangen und sein bleicher Gesichtsausdruck hing immer noch in meinem Kopf fest.
"Wenn du nicht willst, dass ihr Leben auf dem Spiel steht, dann schaff sie hier weg!"
Und genau das hab ich getan. Es hatte mich komplett aus der Fassung gebracht und ich musste erst einmal durchgehen was ich zu tun hatte. Nachdem ich mich wieder beruhigt hatte und aufhörte auf dem Flur hin und her zu gehen, bewegte ich mich ins Wohnzimmer. Die Wölfe schliefen noch immer. Ich riss Aleyna nur ungern aus dem Schlaf, doch etwas anderes blieb mir nicht übrig. Ihre langen Wimpern flackerten und dann riss sie ihre Augen auf. Es war fast als würden ihre dunklen Augen mir all meine Ängste und zugleich jede Freude zeigen. Wie ein schwarzer See versank alles in ihren Augen und zeigte keine Regung von Gefühlen. Ein Schauer jagte durch meinen Körper. Es war das erste mal, dass ich ihr so tief in die Augen gesehen hatte und das würde ich wohl nie wieder machen. "Ist etwas mit Nina?", fragte sie augenblicklich nachdem sie ihre Augen geöffnet hatte. "So ähnlich.", flüsterte ich als Antwort und deutete ihr, mir auf den Flur zu folgen. Was sie auch ohne zögern tat. Ich erklärte ihr kurz die Situation und sie verstand auf Anhieb in welcher Lage Nina war.

Wie ein Schatten folgte mir Aleyna ins Wohnzimmer meiner verstorbenen Großmutter und beobachtete jeder meiner Taten aus dem Schatten heraus. Vorsichtig weckte ich Nina, die mich müde und schmerzverzerrt an knurrte. Ihre erschöpften Augen blinzelte mich trüb an. Während sie langsam wach wurde, ging ich in die Küche und füllte ein Glas mit Leitungswasser, dass ich ihr, nachdem sie sich aufgesetzt hatte, reichte. "Wie hast du geschlafen?", fragte ich und begann Ninas Arm zu mustern. Sie setzte das leere Glas ab und atmete hörbar aus, bevor sie sich streckte. "Ich fühl mich ziemlich kraftlos.", antwortete sie und gähnte. "Und mein Arm schmerzt." "Zeig mal her." Sie streckte ihren Arm aus und gab mir die Möglichkeit einen besseren Blick auf den Verband zu werfen.
Der Verband sah noch wie am Vortag aus, als ich ihn jedoch abwickelte kam der Blutfleck zum Vorschein. Ich unterdrückte einen Zischlaut und stoppte, damit ich es nicht ganz abwickelte und die Wunde frei lag. Ich bewegte mich noch einmal in die Küche und füllte eine Schüssel mit warmen Wasser, suchte die Medikamente, Kräuter und Verbände zusammen. Ich stellte alles auf den Couchtisch und wickelte den restlichen Verband ab. "Das kann jetzt ein wenig unangenehm sein.", warnte ich sie, als ich auch schon den nassen Lappen vorsichtig über ihre Wunde strich und sie säuberte. Nina verzog bei der Berührung das Gesicht. "Unangenehm?", sagte sie. "Das ist nicht unangenehm. Das tut scheiße weh!" Die Wunde war stark gerötet, was auf eine Entzündung hindeutete, weshalb ich noch einigte Kräuter dazu packte. Es wunderte mich schon fast, dass die Verletzung noch so schlimm aus sah, jedoch erinnerte ich mich daran, dass Nina ein Mensch war und kein Wolf. Ein beißender Geruch stieg mir in die Nase, was mich wünschen ließ, nicht die Nase eines Wolfes zu haben. Augenblicklich drehte ich mich um und versuchte die nach tot stinkende Geruchsquelle ausfindig zu machen. Mein Blick blieb an Nina hängen. Ein frischer schwall Blut floss ihr aus der Wunde. Ich schauderte als ich näher an sie heran ging und der beißende Geruch immer stärker wurde. Ich versuchte es so gut es ging zu verbergen und begann durch meinen Mund zu atmen, was es nicht wirklich besser machte. Es roch furchtbar.  Auch Aleyna wird es mittlerweile gerochen haben, denn ich spürte die plötzliche Anspannung im Raum und den Wunsch zu töten. Und diese Mordlust war eindeutig auf Adam gerichtet. Ich räusperte mich und warf Aleyna einen warnenden Blick zu, bevor ich mich wieder Nina zuwandt. "Hier." Ich reichte ihr ein kleines Bündel Kräuter. "Kau darauf herum. Es sind die selben Kräuter wie gestern. Etwas gegen die Schmerzen." "Danke.", antwortete sie mit einem müden Lächeln und begann auf den Kräutern herum zu kauen, wobei ich mich wieder der Verletzung zuwandt. Auch wenn der Geruch nicht mehr so stark war, wie als wenn ich durch die Nase Atmen würde, lag er mir trotzdem auf der Zunge und brachte ein Gefühl der Übelkeit in mir hoch. Nina schien den Geruch selbst gar nicht wahrzunehmen, was mir unmöglich vor kam, jedoch war es so. Meine Augen blieben an dem tief roten, fast schon schwarzem Blut hängen, dass schleichend den Arm herunter lief. Irgendetwas stimmte hier mal so gar nicht. Und es war erschreckend, dass ich nicht wusste was es war. Ich rüttelte mich wach und wischte in einer unsanften Bewegung das schwarze Zeug weg und schmiss den Lappen in die Schüssel. "Au!", schrie Nina auf und wirkte auf einmal hell wach. "Was sollte das denn?", fauchte sie mich an. "Entschuldige.", antwortete ich flach und abwesend. Ich beobachtete das Blut welches sich langsam im Wasser verteilte und es einer roten Farbe verlieh. Ich begann die Kräuterpaste noch einmal auf die Wunde zu schmieren und bandagierte sie danach erneut. 

"So das müsste halten.", sagte ich, als ich endlich mit allem fertig war. Ich wechselte einen Blick mit Aleyna, die sich beruhigt hatte und räusperte mich dann. "Nina...", begann ich. "Aleyna wird dich jetzt nach Hause fahren und sich die nächsten Tage um dich kümmern. Ich werde auch mal vorbei kommen und nach der Wunde sehen, jedoch musst du mir versprechen, dass du niemandem, wirklich niemandem etwas von dem Biss erzählst. Geschweige denn über uns..." "Das würde ich niemals machen!", rief sie ein wenig beleidigt darüber aus, dass ich überhaupt nur daran denken konnte. Nina war ein großartiger Mensch. Ich vertraute ihr, immerhin war sie meine beste Freundin, jedoch musste ich es ihr einfach noch einmal sagen. Ich würde es mir nie verzeihen, wenn ihr wegen mir noch weitaus schlimmere Dinge widerfahren würden.

Abwesend rührte ich das Rührei in der Pfanne umher und bemerkte nicht einmal, dass es am Rand schon dunkel wurde.
"Und erzähle deinen Eltern nichts von ihr! Sonst ist es ihre Pflicht dem Alpha alles zu berichten..."
Mein Magen krampfte sich bei dem Gedanken zusammen, dass Shila alles erfahren würden und sie sich vielleicht sogar dafür entscheiden würden, Nina zu beseitigen... Wir verletzen keine Menschen, geschweige denn töten sie, jedoch kann ich mir vorstellen, wie dieses Tabu vom Alpha in Notsituationen gebrochen wurde. Doch darüber wollte ich garnicht erst nachdenken und meine Eltern wollte ich schon gar nicht in diese Situation bringen. Sie mochten Nina und würden sich schrecklich fühlen, ein aufrichtiges Mädchen wie sie es war, dem Tode zu überlassen. Und selbst wenn sie sich für Nina einsetzen würden, würde es wohl kaum etwas aus machen...

Der Wolf in MirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt