Kapitel 66: schwarzes Blut

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"Nein du verstehst es nicht Ethan.", sagte ich und ging leicht panisch in meinem Zimmer auf und ab. "Ich habe ihn sogar gesehen. Es war ein Wolf!" "Vielleicht war es zu dem Zeitpunkt schon Adam. Mach dir nicht so-" "Nein! Es war nicht Adam.", unterbrach ich ihn. Noch immer hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden. Es jagte mir immer wieder einen Schauer über den Rücken. "Er muss es gewesen sein!", betonte ich. Ethan stand von meinem Bett auf und packte mich an meinen Schultern, sodass ich vor ihm stehen blieb. "Er ist abgehauen. Seit dem letzten Kampf hat ihn keiner mehr gesehen. Das Biest ist fort." "Aber-" "Nichts aber!", sagte er und zog mich in seine Arme. Seine Stimme wurde kurz laut, jedoch senkte er sie augenblicklich wieder. "Hör zu Jenna, ich weiß dass du Angst hast, doch ich werde dich beschützen. Er wird nicht wieder zurück kommen. Und wenn doch, dann werde ich ihn töten, das verspreche ich dir!" Bei dem Klang seiner bass gefüllten Stimme und dem wohltuenden Duft der mich komplett einhüllte, entspannte ich. "Okay.", sagte ich ruhig und drückte meinen Körper näher an seinen. "Achja und der Kerl der dich beobachtet hat, wird auch sterben."

Das Klingeln meines Handys weckte mich nicht gerade sanft aus meinem Schlaf. Während sich meine Augen kaum an das helle Licht gewöhnten, als ich mein Handy packte und drauf schaute, brummte neben mir Ethan. Sein Arm, der um meine Taille gelegt war, verstärkte seinen Griff und zog mich näher an sich heran. Nachdem ich gestern Abend so panisch gewesen war, bestand er darauf bei mir zu bleiben. Ich nahm den Anruf mit einem Brummen entgegen und warf einen Blick auf die Uhr. Vier Uhr, an einem verdammten Sonntag.
"Jenna!", schrie Aleyna ins Telefon, wodurch ich mein Handy soweit wie möglich von mir weg hielt. "Man schrei doch nicht so!", gab ich müde zurück. "Jenna du musst sofort vorbei kommen! Ich weiß nicht was ich tun soll. Nina sie...", ob es nun die Panik in ihrer Stimme war oder die schmerzerfüllten Geräusche im Hintergrund, ich war auf der Stelle hell wach. "Ich komme sofort!", sagte ich ernst und legte auf. Vorsichtig stand ich auf, wobei mich Ethan nicht loslassen wollte. "Was ist denn los?", brummte er und rollte sich auf den Rücken, sodass ich aufstehen konnte. Ich griff nach der Jogginghose, die auf dem Boden lag und streifte sie über. "Nina geht es nicht gut.", antwortete ich ernst und versuchte so nicht selber in Panik zu geraten. Ich war schon dabei durch die Tür zu stürmen, als Ethans Hand an mir vorbei schnellte und die Tür zu hielt. "Was-" "Ich fahr dich.", unterbrach er mich und hielt seine Schlüssel mit der anderen Hand hoch. Ich nickte und keine fünf Minuten später saßen wir bei ihm im Auto, mit all den ärztlichen Mitteln die ich tragen konnte. Die Autofahrt war so still wie noch nie. Während ich den vorbeiziehenden Bäumen und Häusern nachschaute, brummte das Auto leise vor sich hin. Mein Kopf hämmerte, sodass ich kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. Es war als würden die kleinen Männchen in meinem Gehirn alles erdenkliche versuchen um mich bei klarem Verstand zu halten, was ihnen jedoch kaum gelang. Warum ging es ihr auf einmal nur so schlecht? Als ich das letzte mal von Aleyna oder Nina gehört hatte, ging es ihr schon wieder besser. Sie hatte so starke Schmerzen... Ob es an diesem schwarzen Blut lag? Ich hoffe nur, dass ich ihr helfen kann... Ich bemerkte nicht, dass wir schon da waren, selbst als das Auto vor ihrem Haus zum stehen kam. Nina wohnte mit ihrem Vater in einem schicken Bungalow mit kleinem Garten. Da ihr Vater jedoch so gut wie nie zuhause war, war es als lebte sie alleine.

"Jenna.", weckte mich Ethan aus meinen Gedanken, als auch schon die Türe aufgerissen wurde und Aleyna heraus stürmte. Ich stieg aus und packte nach meinen Taschen auf dem Rücksitz. "Jenna, endlich bist du da!", rief sie und umarmte mich so überraschend, dass ich erst einmal wie angewurzelt stehen blieb. Aleyna hatte mich noch nie umarmt und ein guter Grund dafür war, dass wir nicht wirklich Freunde waren. Sie hatte mich von Anfang an gemieden, ob es nun daran lag, dass ich Lisa getötet hatte oder wie sie ein Wolf war, konnte ich nicht sagen. Ihr ganzer Körper zitterte und ich roch die starke Angst die von ihr ausging. "N-Nina ging es gestern Abend noch gut, a-aber auf einmal...", Aleynas Stimme verstummte und ihre Augen schimmerten, als wäre sie kurz davor zu weinen. Ich versuchte den großen Kloß, der sich in meinem Hals angesammelt hatte herunter zu schlucken und drückte sie bei Seite. "Zeig sie mir.", sagte ich und spürte das Zittern in meiner Stimme. Aleyna nickte und ging mit schnellen Schritten zurück zur offen stehenden Haustüre. Ethan war mittlerweile auch ausgestiegen und griff nach den zwei Taschen in meiner Hand um sie mir abzunehmen. Er folgte uns still den Weg zum Haus. Um so näher wir kamen, umso lauter wurde das unerträgliche stöhnen. Ich betrat hinter Aleyna das Haus. Augenblicklich stellten sich jegliche Haare an meinem Körper auf und ich musste mich zurückhalten mich nicht sofort zu übergeben. Es half, dass ich noch nichts zum Frühstück hatte. Da war er wieder. Dieser schreckliche Gestank von Verwesung, gepaart mit Erbrochenes und Angst. Im ganzen Haus hatte sich der Geruch verteilt. Aleyna war wohl so in ihrer Panik versunken, dass sie den Geruch kaum war nahm. Ethan der hinter mir durch die Türe trat, rümpfte die Nase und auch er versuchte sich zusammen zu reißen, denn sein Gesicht wurde immer bleicher. Mit jedem Schritt den wir näher auf Ninas Zimmer hin traten, wurde der Gestank schlimmer, sodass ich mir den Ärmel meines Pullovers vor Nase und Mund presste, um den Gestank wenigstens etwas einzudämmen. Vorsichtig drückte ich die Klinke der Türe herunter und bei Ninas anblick, lief mir augenblicklich ein kalter Schauer den Rücken herunter. Nina lag in einer Fütze aus Schweiß und beinahe regungslos in ihrem Bett. Ihre Haut war kreidebleich, während dunkle Augenringe unter ihren halb offenen Augen hervor stachen. Erbrochenes lief ihr aus dem Mund. Ihr qualerfülltes Stöhnen und das Ächzen ihrer Stimme hallte durch den Raum. Sie blickte zwar zu uns, jedoch war ich mir nicht sicher, ob sie uns überhaupt wahrnahm. Ich blieb regungslos in der Türe stehen und blickte auf Nina herab. So etwas schlimmes hatte ich noch nie gesehen. 

Aleyna drückte sich an mir vorbei, packte Nina und drehte sie so, dass sie Luft bekommen würde und nicht an ihrem Erbrochenem ersticken würde. "Bitte!", rief sie verzweifelt. "Du musst ihr helfen!" Durch die Bewegung von Ninas Körper wurde ihre Wunde am Arm freigelegt, wodurch der Kloß in meinem Hals nur noch weiter wuchs. Das Blut drang durch den Verband und färbte das Bettlaken in ein dunkles, fast schwarzes Rot. Ich löste mich aus der Starre und nahm Ethan wieder die Taschen ab, um den Inhalt auf dem Boden auszubreiten. "Ich weiß nicht ob ich das kann...", sagte ich leise und konnte einfach nicht auf blicken, meine Augen starr auf die getrockneten Kräuter und Arzneimittel gerichtet. Ich war mir einfach nicht sicher, ob ich sie auch wirklich retten konnte. So etwas war in keinem Buch vermerkt. Noch nie wurde schwarzes Blut gesehen. Noch nie hatte Jemand den Biss eines Wolfes überlebt...

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Uff... schon Kapitel 66, wer hätte das gedacht? Ich nämlich nicht. Hatte mir vorgenommen, dass die Geschichte nur so 60 Kapitel haben wird und wir sind schon drüber :D und fertig sind wir auch noch nicht...

Jetzt ist der Punkt erreicht der einiges ändern kann.
Keiner hat einen Biss je überlebt, ob Nina also die erste sein wird? Oder wird sie sterben und damit alles zerrütteln, Jennas Hoffnung, ihre Beziehung zu Menschen, was sie letztendlich von ihren Freunden trennen wird...?

Der Wolf in MirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt