Kapitel 54: Schuld

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Ich schlug die Augen auf und starrte in den dunklen Raum. Es brauchte einige Zeit, bis ich so richtig realisierte, dass ich in meinem Bett lag und die Party noch immer im vollen Gange war.
"Er ist mein Schicksal", dieser Satz hallte in meinem Kopf wieder. Ich wusste jedoch trotzdem nicht, wieso er mein Schicksal war, geschweige denn was mein Schicksal war...
Ich schlug die Bettdecke zurück und stand auf. Das Schwindelgefühl, sowie auch der Alkohol waren aus meinem Organismus verflogen und ich war wieder bei vollem Bewusstsein, fast so als hätte ich gar nicht getrunken. Ein Blick auf den Wecker verriet mir, dass es ungefähr 2 Uhr war. Ich wollte schon das Zimmer verlassen, als ich noch einmal kurz in den Spiegel schaute und fast einen Herzinfarkt bekam. Meine Haare standen in alle Richtungen ab und meine Schminke war zum Teil stark verwischt. Die Abkürzung ins Bad würde nicht schaden. Schnell kämmte ich mir die Haare und schminkte mich ab, nur um mir schnell etwas Foundation und Puder ins Gesicht zu klatschen und noch einmal die Augen nach zu ziehen. Wie neu lächelte ich mein Spiegelbild an und schnappte meine Highheels, die ordentlich neben dem Bett standen. Ich öffnete die Türe und schloss sie vorsichtshalber noch einmal ab. Schnell schlüpfte ich in meine Highheels und ging die Treppe herunter. Es war schon etwas leerer als noch vor zwei Stunden, jedoch waren immer noch mindestens fünfzig Leute in meinem Wohnzimmer, wenn nicht noch mal so viele im Garten standen. Ich ging durch die, im Moment langsam tanzende Menge und bemerkte Jeta, die mit Lukas in Mitte der Menge stand. Sie hielten sich in den Armen und tanzen langsam zu der Musik, was mich sofort zum Lächeln brachte. Endlich! Einer von beiden musste ja mal den ersten Schritt wagen. Ich freute mich so für sie, dass ich einfach stehen blieb und die beiden eine Zeit lang beobachtete. Dabei fiel mir ein sehr bekanntes Gesicht auf, welches auf der Couch saß und seine Hände durch dunkle Haare streifte. Etwas überrascht und verwirrt darüber, dass sein Gegenüber das selbe Geschlecht hatte ließ ich von Jeta und Lukas ab und hielt ausschau nach meinen anderen Freunden. Wer weiß wann er mir etwas sagen wird.

Ich stieg über leere Plastikbecher in die Küche und fluchte innerlich, als ich in irgendeine klebrige Pfütze trat. Die würde ich wohl morgen sauber machen, denn jetzt hatte ich einfach keine Lust dazu und es würden sowieso noch weitere Flecken entstehen. Ich schnappte mir einen der noch sauberen Becher und füllte ihn mit Limonade, denn Alkohol war für mich gestrichen. Immerhin war das auch ein Grund für den Kuss mit Nina. Ich liebte sie, aber auf freundschaftlicher Ebene und ich wusste, dass es für sie nicht anders war.

Während ich mir die betrunkenen Gäste anschaute und sie beobachtete, bemerkte ich Ethan, der sich mit Isaac unterhielt. Ich war gerade dabei zu ihnen herüber zu gehen, als ein Schrei aus dem Garten ertönte. Naja nicht nur einer, mehrere Schreie und sofort strömten die vermuteten Partygäste aus dem Garten ins Haus, nur um dann aus der Haustür zu verschwinden.
"EIN WOLF!", schrie jemand panisch in die Menge, weshalb auch die restlichen Gäste in Panik verfielen und aus dem Haus strömten.
Mein Herz rutschte mir in die Hose und der Becher aus der Hand, wobei ich mir die Limonade über die Füße kippte. Er war hier.

Ich war noch nicht bereit dafür... und doch musste ich etwas tun!

Ich drückte mich an den ängstlichen Leuten vorbei durch die Türe und blickte gebannt in den Garten. Wo war er? Meine Augen gewöhnten sich schnell an die mäßige Dunkelheit und ich blickte durch die Bäume hindurch, in der Hoffnung etwas sehen zu können. Und ich sah etwas. Jedoch nicht zwischen den Bäumen, sondern im Unterholz. Knurrend tastete er sich vor und schnappte in der Luft umher, als wolle er die Chance nicht verpassen seine Zähne in Fleisch zu rammen.
Mein Atem stockte als ich ihn sah. Mein Herz begann zu rasen und die Angst breitete sich in mir aus.
Jedoch nicht um mein Leben...
Nein... um das Leben von Nina.

Gebannt schaute ich auf den blutüberströmten Wolf der knurrend und mit angelegten Ohren aus dem Unterholz trat. Keine zwei Meter vor ihm stand sie, Nina. Die Angst war ihr ins Gesicht geschrieben. In gehockter Position ging sie langsam rückwärts, jedoch schloss das Biest den gewonnen Abstand sofort wieder auf. Wie angewurzelt stand ich da. Die Gedanken rasten mir durch den Kopf und meine innere Stimme schrie mich an. Ich muss mich verwandeln! Ich muss Nina beschützen, sonst stirbt sie! Sofort! Was stehst du noch so rum? Laufen endlich los!
Mein Schädel brannte durch die Angst und Gedanken, die meine Sinne vollends benebelten. Ich musste mich beruhigen! Für einen Moment schloss ich die Augen, konzentrierte mich auf meine Atmung und verlangsamte meinen Herzschlag. Es ist egal, dass er mein Schicksal ist. Es liegt in meiner Macht es zu ändern!

Mit dem öffnen meiner Augen konnte ich mich endlich wieder bewegen, doch in diesem Moment schloss das Biest die Lücke zu Nina nun völlig.
"Nina!", schrie ich laut und sprintete nach vorne. Noch während des Laufens schrie ich auf, welches sich in ein Kriegsgeheul verwandelte. Mein Kleid zerriss und aus meinem Körper sprossen die weißen Härchen meines Felles, während meine Knochen zerbrachen und sich neu zusammen setzten. Ich leckte mir über die spitzen Zähne, und hob meine Lefzen die meine Dolchartigen Zähne entblößten. Meine Augen auf mein Ziel gerichtet sprintete ich auf das Biest zu. Plötzlich ging das Licht auf dem ganzen Grundstück aus, was zu Schreien im Haus führte. Ich bremste ab und blickte zum Haus. Jace stand am Stromkasten und schaute mich gestresst und vor allem wütend an. Ich hatte mich vor aller Augen verwandelt. Ob das jedoch jemand wirklich mitbekommen hatte war zweifelhaft. Alle betrunken und in Panik, da kann das Gehirn einem schon einmal einen Streich spielen.

Ein schmerzerfüllter Schrei durchbrach die Luft, brachte mein Trommelfell zum klirren und meine Ohrmuschel zum zucken. Hastig wendete ich Nina wieder den Blick zu, die am Boden lag. Unter dem Biest, der seine Zähne in ihren Arm schlug und anfing seinen Kopf wild umher zu schlagen. Ihre Haut wurde zerrissen und ihr Fleisch zerfetzt, während ich wie erneut an diesem Abend regungslos da stand.
Ich war schuld daran... Ich hätte mich nicht von Jace ablenken lassen dürfen...
An dieser Situation war alleine ich schuld...

Der Wolf in MirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt