Kapitel 27: Geständnis

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Ich schaute die ganze Autofahrt aus dem Fenster. Keiner sagte etwas und dass die Musik leise im Hintergrund lief, machte die Situation auch nicht besser. "Wir sind da.", sagte die tiefe Männerstimme, als das Auto stoppte. Ein weiterer Mann im Anzug öffnete mir die verschlossene Türe. Meine Innereien sackten nach unten und ich konnte nur mit großer Überwindung aus dem Auto steigen. Obwohl wir noch einige Meter von dem Anwesen entfernt waren, spürte ich die große Anspannung, die sich durch die Luft drückte und mir jeden Sauerstoff raubte. Mein Körper zitterte instinktiv und am liebsten würde ich jetzt umdrehen und weg laufen. Mir lief der Angstschweiß kalt den Rücken hinunter. Ich musste schlucken, bevor ich die massiven Marmortreppen empor stieg. Dreh einfach um. Jetzt hast du noch die Chance dazu. Die zwei Anzugträger folgten mir und ich überlegte schon, wie ich sie überlisten könnte. Das wäre das einzig richtige, dachte ich während ich mich die drei Stufen hoch zwang. Perfekt getimed öffnete sich die Türe und die Welle von Macht und Dominanz zwang mich schon fast in die Knie. Es war eine furchtbare Präsenz, die ich so noch nie gespürt hatte. Sie drückte sich gegen mich und lastete wie schwere Gewichte auf meinen Schultern, so dass jeder Schritt zittrig und schwach war.
Angst. Das war vor allem das Gefühl das ich verspürte, als ich der wunderschönen schwarzhaarigen Frau kurz in die Augen sah. "Hallo Jenna." Mrs. Davis, elegant wie immer, stand in mir gegenüber. Der kurze Augenkontakt hatte mir gereicht und so schaute ich nur seitlich an ihr vorbei. "Komm doch bitte mit.", sagte sie kalt, während sie sich umdrehte. Ich schluckte nervös und folgte ihr in das drückende Haus. Die zwei Männer begleiteten uns immer noch. Wahrscheinlich damit ich nicht abhaue. Wir gingen durch den langen Flur in ihr Büro. Das drücken würde stärker und es fiel mir schwerer zu Atmen, als ich den Raum betrat. Die Tür schloss sich hinter mir. Meine Augen trafen sofort die von meiner Mutter, die ruhig auf einem Stuhl saß. Neben ihr saß mein Vater und Jace. Ihnen gegenüber saß Mr. Davis. Ich hob meinen Blick noch weiter und schaute zum Ende des Raumes. Ethan. Er saß auf einem Stuhl am Ende des Raumes und erwiderte meinen Blick. Er war kalt und abweisend. Das brach mir das Herz. Er hasst mich. Wieso sollte er mich auch noch lieben, nachdem ich seine Ex getötet habe. Mein Herzschlag verschnellerte sich und am liebsten würde ich jetzt losheulen, doch ich unterdrückte es. Mr. und Mrs. Davis strahlten eine ruhige und doch angsteinflößende Präsenz aus. Ich, als Omega, reagierte am stärkstes auf sie. Der Druck wurde immer stärker und schnürte mir nach und nach die Luft zu.
Mrs. Davis fing zu sprechen an, doch das einzige was ich hören konnte, war das Rauschen meines Blutes. Mein Kopf dröhnte und nervös huschten meine Augen durch den Raum. Mein Herz pochte wie wild und als ich gerade das Gefühl hatte umzukippen, riss mich eine Stimme aus diesem Albtraum. "Jenna.", sprach die mir vertraute und doch fremde Frauenstimme. Ich fand mich in einem Waldstück wieder. Das sanfte Blätterrascheln beruhigte mich sofort.

"Sie könnte niemanden töten! Sie ist dazu ja nicht einmal in der Lage und dann noch jemanden vom Rudel?!", brüllte meine Mutter und augenblicklich war ich wieder im Anwesen der Davis. Ich fühlte mich wie ausgewechselt, denn die vorher so starke Präsenz hatte deutlich abgenommen. Zumindest fühlte es sich so an. "Alice beruhige dich bitte.", sagte Mrs. Davis, wurde aber sofort wieder von meiner Mutter unterbrochen. "Nein ich beruhige mich nicht! Shila schau sie dir doch mal an! Sie hat so starke Verletzungen. Woher willst du wissen, dass sie das Mädchen getötet hat und nicht einfach den fremden Wolf überlebt hat?" Meine Mutter klang so aufgebracht, das sich mein Herz zusammen zog. "Ich war es." Auf Anhieb waren alle still. Die geschockten Blicke meiner Familienmitglieder lagen auf mir, doch meine Augen suchten die von Ethan. Er reagierte kein bisschen darauf. Ich wendete den Blick ab und schaute in das entsetzte Gesicht meiner Mutter. Sie war kreidebleich. "Das kann nicht sein.", stotterte sie  ungläubig. "Ich bin nicht schwach.", sprach ich laut aus und ich spürte selber, dass meine Stimme zitterte. "Ich habe sie getötet, aber nur, weil sie mich töten wollte." Mrs. Davis schaute mich mit einem eiskalten Ausdruck in den Augen an, doch sie ließ mich ausreden. "Sie wollte mich töten, weil sie dachte ich würde Ethan und das Rudel hintergehen. Doch das tat ich nicht! Ich habe jemand unschuldiges beschützt. Jemanden auf der Durchreise. Jemanden der sein Leben noch vor sich hatte." "Woher willst du wissen, dass er es nicht war?", fragte Antonio, doch obwohl sie so bebte klang sie ruhig. "Ich hatte so ein Gefühl-" Ich verstummte, als sich Mrs. Davis stahlharter Blick in meinen Kopf bohrte. Mit einer Handvewegung zeigte sie mir, dass ich fortfahren sollte und das tat ich auch.
"Ich wusste, dass er es nicht gewesen sein konnte. Und jetzt hab ich den Beweis, dass er es nicht wahr." Ich zog mein Handy aus meiner Hosentasche und öffnete das Bild des Wolfes von gestern Nacht. Zum Glück hatte ich Lucas darum gebeten, mir das Bild zu schicken. Ich reichte das Handy Mrs. Davis. Ein Anflug von Angst zierte für einen kurzen Moment ihr Gesicht. Jedoch war der Augenblick so kurz, dass ich es mir auch eingebildet haben konnte. Sie legte das Handy zur Seite und durchbohrte mich wieder mit ihren Augen. "Das wird deine jetzige Situation nicht beeinflussen.", sagte sie ernst. "Du hast ein Rudelmitglied getötet!", ihre Stimme bebte und beruhigte sich wieder etwas. "Dir wird die selbe Strafe wiederfahren wie allen anderen. Du wirst verstoßen und musst dich umgehend aus unserem Revier entfernen. Wenn du unser Revier jemals wieder betreten solltest, unterschreibst du damit dein eigenes Todesurteil." Meine Organe zogen sich zusammen und ich spürte, wie die gesunde Färbung mein Gesicht verließ. Mein Mund wurde trocken und erneut rauschte das Blut durch meinen Kopf.

Der Wolf in MirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt