Kapitel 63: Blind

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Es sind in zwischen einige Tage vergangen, seitdem Adam aufgewacht war. Sobald meine Eltern nach Hause gekommen waren, hatte ich ihnen in aller Ruhe von ihm erzählt. Wie er blutverschmiert auftauchte, die Party aufmischte und dann erschöpft zusammen brach. Von Nina hatte ich ihnen nichts erzählt. Ich wollte sie da einfach nicht mit hinein ziehen, denn wer weiß welche Konsequenzen es für sie haben würde. Die einzigen die davon wussten waren Ethan, Aleyna, die Zwillinge, Aidans Freund Julian, der dabei gewesen war und Darla. Was mich deutlich störte. Isaac konnte es nicht aushalten seiner 15 jährigen Nachläuferin etwas vorenthalten zu müssen. Naja, Nachläuferin stimmt ja auch nicht ganz. Isaac mochte sie immerhin auch und das nicht zu wenig, jedoch hatte er den Anstand zu warten bis sie älter war. Was seinem wilden, kindlichen Wesen etwas Verstand einhauchte. Ich wusste zwar, dass Darla nichts verraten würde, doch das würde sie nicht für mich tun, sondern für ihren Angebeteten. Sie vertraute mir noch immer nicht und das aus gutem Grund. Immerhin hatte ich einen Wolf auf dem Gewissen und sie hatte Lisa sogar gemocht. Keiner sonst wusste von Ninas Situation. Es war ein Geheimnis der neuen Generation. Etwas, dass uns alle miteinander verband. Etwas, dass unsere Zukunft miteinander verknüpfte, denn all das hatte ein viel größeres Ausmaß, als ich zuvor angenommen hatte.

Adam hatte die Tage bei uns gewohnt und er war meinen Eltern langsam ans Herz gewachsen. Am Anfang waren sie sich unsicher, wie sie auf ihn reagieren sollten. Das einzige was sie von Adam, dem Streuner wussten war, dass er Menschen getötet hat, sich dem Alpha widersetzt hatte, zum Tode verurteilt wurde und getötet wurde. Es war also kein Wunder, dass sie ihm gegenüber zuerst mit Feindseligkeit begegnet sind. Ich musste sie anflehen, dass sie mir erst bis zum Ende zuhören müssten, bevor sie etwas voreiliges taten. Selbst Jace hatte sich ihnen in den Weg gestellt und versperrte so die Türe zu meinem Schlafzimmer. "Vertraut ihr.", waren seine Worte gewesen. Und das taten sie. Sie lauschten bis zum letzten Wort meiner Geschichte, sprachen nicht dazwischen, nickten nur einige male, als Zeichen, dass sie es verstanden hatten. Die Anspannung in ihren Gesichtern ließ langsam nach und als ich fertig gesprochen hatte, schauten sie erst mich, dann Jace an und wechselten zum Schluss einen Blick. "Wir verstehen dich, Jenna. Du hast dich schon damals für seine Sicherheit gegen den Alpha gestellt und willst es jetzt erneut eingehen." Ich hatte meine Mutter noch nie so ernst erlebt, wie sie in diesem Moment mit mir sprach. Es war also kaum verwunderlich, dass mir kalter Schweiß den Rücken hinunter lief, in der Sorge, dass sie Adam trotz allem ausliefern würden. "Doch wir lassen nicht zu, dass du dich in solch eine Gefahr begibst." Und da war es. Meine schlimmste Vermutung hatte sich bewahrheitet. Sie würden Adam dem Alpha übergeben. Ich spürte wie mir jegliches Blut in den Adern gefrierte. Mein Blick senkte sich zu Boden, denn ich hatte nicht einmal die Kraft irgendwie zu widersprechen. Ein zweites Mal würde ich ihn verlieren. "Aber-", sprach mein Vater mit erhobener Stimme. "wir können dieses Risiko eingehen!" Mein Kopf schnellte nach oben. Der Frost in meinen Adern schmolz und mein Herzschlag wurde so schnell, dass sich mein Körper mit Hitze füllte. Meine Eltern lächelten mich verständnisvoll an. Ich hatte mich geirrt. Mein Hände zitterten, sodass ich sie in einander verschränkte und mich nach vorne beugte. Eine lauwarme Träne löste sich aus meinen geschlossenen Augen. "Danke."

Auch wenn meine Eltern Adam erst einige Tage kennen, war es fast so, als wäre er teil der Familie. Es freute mich, denn jetzt würden sie ihn nicht mehr aufgeben. Sie würden ihn beschützen. Und das wusste ich mit Sicherheit, denn Shila Davis wusste nicht, dass Adam noch lebte. Doch wusste ich, dass Shila Adam überhaupt etwas antun würde? Meine Gedanken waren gespalten. Einer Seits wurden noch weitere Menschen getötet und Antonio angegriffen, nachdem Adam bereits für tot erklärt wurde. Anderer Seits könnte sie denken, dass es trotz allem Adam war, da er ja noch lebte und nicht wirklich gestorben war. Das einzig Richtige für mich war ihn weiter zu verstecken. 

Ich griff zwei Flaschen Bier aus dem Kühlschrank und schlenderte in den Garten, wo ich Adam das letzte mal gesehen hatte. Ich blieb im Türrahmen stehen und schaute zu Adam herüber. Er saß auf der ungemähten Wiese in Richtung Wald. Die frische Briese strich sanft über seinen Körper und ließ seine offenen Haare mit gleiten. Es sah so aus, als wollte der Wind ihn überreden von seinem Stuhl aufzustehen und in den Wald zu laufen. Die Briese erwischte auch mich und trug den süßen Duft des Waldes mit sich. Das ziehen in meinen Gelenken erinnerte mich daran, dass es schon zu lange her ist, als ich das letzte mal Laufen war. Die Sehnsucht nach Freiheit, die jeder Wolf spürte durchzog meinen Körper. Genau das spürte auch Adam. Er fühlte sich eingesperrt in seinem eigenen Körper. Denn er war nicht wie ich zuerst Mensch und dann Wolf, nein, er war durch und durch Wolf. Und sein eigener Körper bildete nun sein Gefängnis.

Ich stieß jegliche Luft aus meinen Lungen aus und Atmete den verführerischen Duft tief ein, sodass ich ihn in jeden Teil meines Körpers aufnahm. Ich nahm die Flaschen in eine Hand und streifte mir die Socken aus, bevor ich über den Rasen schritt. Die Grashalme bogen sich unter meinen Füßen und kitzelten mich zwischen den Zehen. "Ich hab dir ein Bier mitgebracht.", sagte ich sanft und drückte ihm vorsichtig die Flasche Bier in die Hand bevor ich mich neben ihm auf den Rasen setzte. "Danke, Jen." Adam hielt die Flasche zwar in seinen Händen jedoch trank er nicht. Bis auf seine Füße die den Rasen unter sich kneteten, bewegte er keinen Muskel seines Körpers. Er saß nur da, nahm den Duft des Waldes auf, lauschte seinen Geräuschen und tankte die warmen Frühsommer Sonnenstrahlen. Ich beobachtete ihn eine Weile und nahm dann einen Schluck aus der Flasche. "Wenn du nicht trinkst, wird das gute Bier warm." Endlich rührte er sich. Adam hob die Flasche und nahm einen kräftigen Schluck, bevor er ein genüssliches Seufzen von sich gab. "Das tut gut." Seine Zunge leckte sich über die Lippen und versuchte jeden Tropfen an Geschmack den sie hatten in sich auf zu nehmen. Doch das war es auch schon gewesen, danach viel er in seine Starre zurück. Ich konnte deutlich die Gedanken und Befürchtungen um seinen Kopf kreisen sehen, so viel dachte er nach. Frage auf Frage und Sorge auf Sorge stapelte sich in seinem Kopf an. "Hey.", sagte ich und versuchte dabei so stärkend wie nur möglich zu klingen. "Wir werden das alles hinbekommen, hörst du?!" Adam löste sich erneut aus seiner Starre und blickte zu mir herunter. "Ach meinst du?" Ich konnte Adams misstrauen auf meiner Haut spüren, weshalb ich Schlucken musste. Es war nicht Verwunderlich, dass Adam so fühlte, denn an der Stelle wo mich vorher graue Augen angeblitzt hatten, zog sich eine tiefe Narbe, die ihm jegliches Sehvermögen entrissen hat.

Der Wolf in MirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt