Kapitel 28: Kälte

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Das Blut schoss im Takt meines Herzschlages durch meinen Kopf und es war schwer noch etwas anderes zu hören, außer meine Gedanken. Ich muss meine Familie verlassen, meine Freunde, und vor allem Ethan. Ich werde ihn nie wieder sehen. Ich bin alleine. Ohne Rudel. Ohne Partner. Das ist ein Todesurteil für mich. Nein, nein, nein ich darf nicht sterben, doch ich werde es. Nach und nach nahm übernahm mich die Panik. "Shila bitte tue das nicht. Ich flehe dich an!", bettelte meine Mutter ihren Alpha an, doch sie zeigte keine Reaktion. Jeder meiner Familienmitglieder war kreidebleich und selbst Jace starrte nur auf den Boden. Ich erkannte seine Verzweiflung daran, wie er versuchte sein Zittern zu verstecken und wahrscheinlich war ich die einzige im Raum, die es überhaupt wahrnahm. Mein Vater packte die Hand meiner verzweifelten Mutter, um sie zu beruhigen. Doch es brachte kaum etwas. Die Tränen rollten ihr nur so über das Gesicht und was konnte ich dagegen machen? Garnichts. Ich stand nur da und akzeptiere mein Schicksal. Mein Rudel, nein, vor allem mein Alpha könnte mir nie wieder trauen. "Sie wird sterben. Bitte überdenkt noch einmal eure Entscheidung.", bat mein Vater. "Unsere Entscheidung steht fest.", sagte sie in einer Stimme die so kalt, wie ihre Augen waren. "Sie hat einen anderen Wolf getötet, sie wird schon überleben." Ich konnte darauf nicht Antworten. Was sollte ich auch sagen? Bitte schickt mich nicht in den sicheren Tod, ich bin ein Omega?! Niemals. Mein Körper zitterte unkontrollierbar, sodass ich anfing meine Hände zusammen zu drücken. "Mutter.", sagte auf einmal die ernste Stimme von Ethan. Erst jetzt bemerkte ich, dass er neben mit stand. Er legte beschützen den Arm um mich und zog mich an seine Brust. "Wenn ihr sie verstoßt, werde ich das Rudel mit ihr verlassen." Warte, was? Ich schaute sofort nach oben in seine leuchtenden bernsteinfarbenen Augen, die vor Entschlossenheit nur so trotzten. Ethan würde wegen mir das Rudel verlassen? Wegen mir?
Ein lauter Knall ließ mich zusammen zucken. Mr. Davis hatte auf den Tisch geschlagen und stand wutentbrannt von seinem Stuhl auf.
"Das wirst du nicht!", knurrte er laut.  "Antonio, beruhige dich.", sagte Mrs. Davis ruhig und durchbohrte jetzt Ethan mit ihrem kalten Blick. "Weißt du was du da gerade gesagt hast, Ethan?" "Ja das weiß ich und ich meine es auch so." "Du willst deine Familie, dein Rudel für einen Wolf verlassen, der seine eigenen Rudelmitglieder tötet?"Die Frage war wie ein Schlag ins Gesicht. Natürlich würde er das nicht...
"Ja Mutter, das werde ich. Sie hat zwar Lisa getötet, doch das ist mir egal. Sie ist mein Mate! Ich kann nicht ohne sie leben und werde es auch nicht. Wenn ihr es so entscheidet, gründe ich mein eigenes Rudel und zwar mit ihr!", sagte er so entschlossen, dass mein Herz einen Sprung machte. Das Blut schoss sofort in meine Wangen und ich musste aufpassen, dass ich nicht komplett rot anlaufen. Das was er gerade gesagt hatte, war fast so etwas wie ein Heiratsantrag unter Wölfen. Mrs. Davis drückte ihre Augen weiter zusammen und ließ Ethan und mich nicht aus ihrem Blickfeld. Dann atmete sie einmal tief ein und lehnte sich zurück. Nach kurzem Schweigen, durchbrach sie dann die Stille. "Na schön. Wir überdenken unsere Entscheidung noch einmal.". Sie schaute nun mich eindringlich an und ich sah deutlich, dass sie nicht erfreut war. "Da dein Urteil morgen dem Rudel vorgetragen wird, wirst du es mit ihnen zusammen erfahren." Mit diesen Worten stand sie auf und verließ mit Mr. Davis den Raum.

Mir würden jetzt eigentlich dir Beine weg knicken, doch Ethan drückte mich immer noch fest an seine Brust. Ich lauschte seinem Herzschlag und entspannte mich augenblicklich, als mich sein süßer Duft einhüllte. Ich wollte schon etwas zu Ethan sagen, doch wurde schon unterbrochen, bevor ich es erst konnte. "Jenna, wie konntest du das Mädchen nur töten?", fragte meine Mutter, die nun neben mir stand. Ich sah ihr dem Schock an, denn sie hätte nie erwartet, dass ich jemals jemanden töten würde. Ich löste mich aus Ethans Arm und schenkte ihr einen mutigen Blick. "Ich habe es bereits gesagt. Sie wollte mich töten. Ich hab mich nur verteidigt und ehrlich gesagt, weiß ich nicht wie ich das geschafft habe." Ich wurde immer leiser, sodass meine Worte fast ganz untergingen. "Was meinst du damit?", fragte Jace. Genauso wie alle anderen schaute er mich verwirrt an. "Ich weiß es nicht. Ich hatte nur auf einmal so eine unheimliche Kraft." Ich schaute auf meine gesunde Hand und ballte sie zu einer Faust. Die Macht, die ich hatte war weg und ich wusste selber nicht was mit mir los war. Und das machte mir irgendwie Angst.

Ich stand vor meinem Badezimmerspiegel und versuchte mir die Bandage von meinem Hals zu wickeln. "Warte ich helf dir." Ich schaute das Spiegelbild meiner Mutter an. Sie sah mitlerweile nicht mehr so verzweifelt aus und ich glaub sie hoffte, dass ich bleiben dürfte. Sie lächelte und fing an meine Bandage abzuwickeln. "Danke.", murmelte ich und beobachtete, wie die Pflaster langsam freigelegt wurden. Es waren nicht die kleinen Pflaster aus jedem Supermarkt, sondern die aus dem Krankenhaus. Da hatte ich schon echt Glück, dass mein Vater Arzt war. Er konnte sowas einfach ohne Probleme mitgehen lassen. Mein Vater war ein guter Arzt und selbst meine Mutter hatte sich einige Tricks abgeguckt, doch nur was Menschenmedizin angeht. Was die Wolfsmedizin angeht, kam sie nie und nimmer an Nana heran. Sie selbst meinte, dass ich sogar besser bin. Vielleicht würde ich mir mal wieder etwas kochen. Sie zog vorsichtig die Pflaster ab. Wir starrten beide die Wunde an. Naja, eher so ähnlich. "Was zum...?" Ich lehnte mich nach vorne und strich über meinen Hals. Weder ein Kratzer, noch eine Narbe war vorhanden. Es war komplett verheilt. Ich konnte deutlich meiner Mutter ansehen, dass sie auch nicht wusste, warum die Wunden schon verheilt waren. Ich packte die Bandage meines Armes und wickelte sie so schnell wie möglich ab. Jedoch stoppte ich kurz vor Ende, denn die Bandage war Blut durchtränkt, und zwar mit frischem. Ich drehte mich zu meiner Mutter um, die vorsichtig meinen Arm packte. Ich zuckte bei der Berührung zusammen. Zu früh gefreut. Ein stechender Schmerz durchzog meinen Arm bis hin zu meiner Schulter. Behutsam wickelte sie das letzte Stück ab. "Komm setz dich." Sie griff nach dem Notfallkasten, der noch von letzter Nacht hier stand und zog einige frische Bandagen heraus. Sie griff nach einigen weiteren Sachen und tupfte vorsichtig mit einem sterilen Tuch meine Wunde sauber. "Danke.", murmelte ich erneut und lächelte. Meine Mutter lächelte bedrückt zurück und ich wusste genau warum. Ich musste das Rudel wahrscheinlich trotz Ethans versuche verlassen und dann würde ich sie nie wieder sehen.

Der Wolf in MirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt