"Wie meinst du das!", brüllte Aleyna zu mir herüber. Ihr hasserfüllter und doch panischer Blick bohrte sich in mein Fleisch und hinterließ tiefe Stichwunden. Der gewaltige Kloß der mir noch immer die Luft abschnürte, wagte sich kein bisschen zu bewegen. Es war als würde die Zeit anhalten. Meine Gedanken rasten in einer solchen Geschwindigkeit durch meinen Kopf, dass er im Takt meines Herzens pochte. Etwas berührte meine Schulter und die plötzliche Wärme, die an dieser Stelle entstand, holte mich zurück in die richtige Zeit. Ich blickte auf. Ethan schenkte mir einen ermutigenden Blick und drückte seine Hand fester auf meine Schulter.
"Jenna, wenn du nicht selbst an dich glauben kannst, wie sollen es dann die anderen tun?", sagte er sanft. "Du hast schon mehr, als nur einer Person geholfen und bist vermutlich die einzige Person, die sich mit Kräuterkunde in unserem Rudel auskennt. Du kannst mehr, als du denkst." Es war als würde sich der Kloß lösen und langsam, aber dennoch verschwinden. Ethan hatte recht. Auch wenn es jetzt vielleicht aussichtslos scheint, kann ich doch etwas tun und ihr damit vielleicht das Leben retten. Ich schaffte es ein Lächeln auf meine Lippen zu bringen, bevor meine Gesichtszüge ernst wurden und ich in den Tiefen meines Gehirns kramte. Irgendwo hatte ich doch schon mal etwas gelesen. Eigenschaften von Blut. Konsistenz von Blut. Farbe. Rotes Blut. Dunkles Blut. Schwarzes Blut. Schwarzes...
Ich war mir zuerst nicht sicher, doch dann erinnerte ich mich an eine Seite aus Nanas vielen Büchern. Eine Geschichte, nein, eher eine Aufzeichnung über eine Frau die bei der Geburt ihres Kindes starb. Die Mutter lag auf ihrem Bett in einer Lache aus schwarzem Blut, während die Hebamme einen Wolfswelpen in der Hand hielt. Die Zeichnung war aus einer anderen Zeit und doch war sie erschreckend. Jeder normale Mensch würde es für normale Kunst aus vergangenen Zeiten halten, über Dämonen und Monster, die natürlich nicht existieren. Doch uns Wölfe ließ es daran erinnern niemals einen Menschen zu heiraten oder gar Kinder mit ihnen zu bekommen. Jedoch kennt kaum ein Wolf die Gründe es nicht zu tun. Man konnte also von Glück reden, dass Wölfe eher ihren Artgenossen zugeneigt sind, statt den Menschen.
An den Text konnte ich mich noch so wage erinnern und ich weiß, dass die Frau zuletzt verstorben war und den Grund müsste ich jetzt herausfinden! Die damals benutzten Zutaten waren niedergeschrieben und so langsam zählte ich sie zusammen und suchte dabei nach der fehlenden Zutat. Ob in dem Lupus est filium mehr darüber stand? In diesem so mystischen Buch waren Geschichten niedergeschrieben, die nirgendwo sonst zu lesen waren. Ich musste meine Nase noch einmal in dieses Buch stecken!"Ich brauche zwei Schüsseln, gefüllt mit heißem und kaltem Wasser. Dazu einen Lappen und Handtücher." Ethan nickte und verließ schon den Raum, als ich meine Augen zu Aleyna bewegte. "Ich benötige außerdem noch Salz, viel Salz und Zucker. Ethan kann nicht alles alleine finden und zu mir bringen." Sie nickte und stand vorsichtig von Ninas Seite auf, bevor sie ihm hinterher stürmte. Ich zog alles aus meiner Tasche heraus. Rillengläser mit diversen getrockneten Kräutern, Pflanzen und Samen. Kompressen und Bandagen. Kochsalzlösung. Skalpell, Spritze, Pinzette und und und. Während ich auf die Gegenstände vor mir starrte und überlegte womit ich überhaupt anfangen sollte, schaute ich noch einmal hoch. Ninas Atmung war schnell und flach, sodass es in meinem Hinterkopf kribbelte. Es war fast so als würde sie jeden Moment aufhören zu atmen. Die Anspannung die durch meinen Körper fuhr war fast nicht auszuhalten.
"Wo soll ich das Wasser abstellen?", fragte mich Ethan, der mittlerweile mit beiden Schüsseln und diversen Handtüchern auf der Schulter wieder im Türrahmen stand. Ich räusperte mich, um meine Konzentration erneut anzukurbeln. "Stell es bitte her ab.", sprach ich so deutlich wie möglich, stand auf und deutete auf den Boden neben Nina. Vorsichtig legte ich meine Hand auf ihre glühende Stirn. Ich griff nach dem ersten Handtuch und legte es in das kalte Wasser, bis es sich komplett vollzog. Ich setzte mich auf Ninas Bettkante und schaute in ihre erschöpften Augen. Sie folgten mir. Sie war noch bei Bewusstsein. Ein bedrücktes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. "Wir müssen deinen Körper kühlen.", flüsterte ich. "Dabei benötige ich aber Ethans Hilfe. Alleine schaffe ich das nicht." Ich schaute von ihr auf und blickte zu Ethan der neben mir stand. "Ich verspreche auch nicht hin zu schauen.", sagte er sanft und mitfühlend. Man konnte es kaum sehen, geschweige denn brachte er es auf irgendeine Weise rüber, doch ich spürte es. Er sorgte sich um Nina. In all der Zeit, hatte er sie so gut es ging gemieden und jetzt konnte ich sein Bedauern spüren. Ich schluckte schwer. Er bedauerte, dass sie sterben würde. So vorsichtig wie möglich half er mir dabei, Ninas Shirt auszuziehen, sodass ich sie mit dem kalten Tuch abtupfen konnte. Meine Augen fielen auf die dunklen Adern, die an ihrem Arm emporsteigen zu ihrer Schulter. Ich drückte das Wasser aus dem Handtuch, begann behutsam über ihren Oberkörper zu streichen und sammelte so den Schweiß auf, der auf ihrer blassen Haut abperlte. Dadurch dass sie so furchtbar blass war, sahen die dunkeln Adern nur noch schlimmer aus. Es war als pulsierten die vielen kleinen Äderchen.
Mittlerweile war auch Aleyna wieder im Zimmer und begann mit Ethan, nachdem ich ihnen das Rezept auf gesagt hatte, verschiedene Kräuter, unter anderem auch Eisenhut zu zermalmen und mit dem warmen Wasser zu vermengen. Ich achtete darauf, dass es beide richtig machten, während ich Nina in eine Decke einwickelte, jedoch ihren Arm außen vor ließ. Bevor ich begann, ihren Arm aus der schwarz gefärbten Bandage zu befreien, legte ich mir die Kochsalzlösung zurecht. Die kalten Schweißperlen, die langsam meinen Rücken herunter flossen, vermehrten sich immer weiter, als ich die Bandage abwickelte und eine neue Welle des Gestanks mir entgegen kam. Ich zögerte keine Sekunde damit, die Wunde gut auszuspülen, sodass meine vorher gut geglaubte Arbeit, jetzt totalen schrecken auslöste. Ich konnte den Faden kaum noch sehen, da er von den angeschwollenen und aufgerissenen Enden fast vollständig verschluckt wurde. Ich tat mich schwer damit, die Fäden zu finden und zu entfernen. Ich weiß nicht wie lange ich dort saß und die Fäden entfernte, bevor ich die offene Fleischwunde erneut ausspülte. Ich entriss Ethan und Aleyna regelrecht die Paste und verteilte sie großzügig auf und in der Wunde, in der Hoffnung, dass es irgendwie helfen würde.Es waren, bestimmt schon mehrere Stunden vergangen und noch immer zeigte Nina keine Besserung. Ich hatte das Medikament aus Nanas Buch gemacht, es aufgewertet und doch nichts. Ich hatte jegliche schmerz mildernde und Entzündungshemmende Pasten gemacht. Essbare und nicht essbare. Zum Auftragen und zum injizieren. Mir gingen langsam jegliche Rezepte aus und die Kräuter verschwanden nach und nach, sowie auch meine Hoffnung Ninas irgendwie zu retten. Ich traute mich gar nicht aufzusehen. Doch ich spürte die Trauer und Betrübtheit, der einzelnen Wölfe. Ich war mit meinen Gedanken derartig weg getreten, dass ich nicht bemerkte, wie lange ich schon an der einzelnen Wurzel dran war, und sie mittlerweile als Staubkörnchen durchgehen könnten. Eine Hand griff nach meiner und stoppte so meinen Wahn. Ethan, der die ganze Zeit neben mir gesessen hatte und mir seine Wärme schenkte, schaute mich an mir vorbei zu Aleyna. Sie hatte ihren Platz an Ninas Seite verlassen und hockte nun vor mir auf dem Boden. Ihre Augen tief rot und leicht geschwollen. "Ich glaube, dass du alles getan hast, was du konntest.", flüsterte sie zittrig. "Ich danke dir, dass du es versucht hast." Mein Herz sank schwer in meiner Brust zusammen. Aleyna bedankte sich bei mir. Ihre Hoffnung war verschwunden. Sie hatte akzeptiert, dass es ihr letzter Moment mit Nina gewesen war. Ich starrte sie regungslos an, als sie sich nach vorne beugte und mich umarmte. "Ich kann es nicht mit ansehen." Aleynas Stimme versagte zum Ende hin und ich spürte ihren zitternden Körper an meinem und ihre warmen Tränen die auf meinen Hals fielen. Im nächsten Augenblick hatte sie das Zimmer verlassen. Während mein Geist und Körper noch immer auf dem Boden festgenagelt war, folgten meine Ohren ihr bis sie das Haus vollständig verlassen hatte. Ethans Hand legte sich wärmend um meine Taille, während sein Kopf sanft gegen den meinen sank. Er sagte nichts. Er schenkte mir nur seine Wärme und die Geborgenheit, welche ich gerade mehr als alles andere benötigte. Ich war erschöpft und hatte einfach keine Kraft mehr. Ich wusste nicht einmal wie viel Uhr es war.
Nach einigen Minuten der Stille, schaute ich auf mein Handy. Es war wieder Abends. 19:24 Uhr um genau zu sein. Ich löste mich aus Ethans Armen und stand auf, um meine Gelenke zu strecken. Jeder Knochen schmerzte. Ich setzte mich vor Ninas Bett und wagte es kaum in Ninas Augen zu Blicken. Doch ich tat es und mein Herz setzte aus bei dem anblick ihrer fast schwarzen Augen, die mich anstarrten. Ihre Pupillen hatten sich so stark geweitet, dass es jegliche natürliche Augenfarbe verdrängt hatte. Erst dachte Ich, dass sie an mir vorbei schaute, doch sie starrte mich direkt an. Es war schon zu spät, bevor ich es überhaupt merkte. Erst eine, dann mehrere Tränen fanden ihren Weg über mein Gesicht und nässten Ninas Decke unter mir. "Es tut mir so leid.", schluchzte ich und griff nach ihrer gesunden Hand. Nina reagierte nicht. Das einzige was mir zeigte, dass sie lebte, waren ihre Augen und die viel zu schnelle unkontrollierte Atmung. "Es tut mir leid.", flüsterte ich erneut, griff ihre Hand jetzt auch mit der anderen und legte meinen Kopf darauf ab. "Mutter aller Wölfe. Schafferin des Lichts. Luna, Göttin der Nacht, des Mondes. Strahle heller als jeder Stern. Erhelle den Weg auf Erden, sodass die Geister ihren Weg gen Himmel finden. Erfülle diese Nacht in deinem Schleier, sodass meine Freundin ihren Weg zurück findet. Rette ihr Leben...Ich bitte dich, als Dienerin der Nacht..."
_______________________________________________
Da hab ich glatt vergessen das neue Kapitel hochzuladen, aber hier ist es :D
Ich kann euch leider nicht versprechen, dass das nächste Kapitel auch in 2 Wochen erscheinen wird. Hab gerade viel um die Ohren und meine Kreativität hat mich verlassen. Möchte euch aber auch keine halbherzigen Kapitel schenken. :)
Vielleicht kehrt sie ja diese Woche wieder zurück, aber das weiß ich nun mal leider nicht.Bis dahin ♡ und bleibt gesund
DU LIEST GERADE
Der Wolf in Mir
WerewolfJenna Blake hat ein Geheimnis, dass sie vor ihren Mitmenschen geheim halten muss. Sie ist ein Werwolf. Das war nie wirklich ein großes Probelm, als sie jedoch mit ihrer Familie in ein fremdes Revier zieht, muss sie ein anderes Geheimnis noch stärker...