Kapitel 65: Wald

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Ein breites Grinsen legte sich auf meine Lippen. Der Erste Schritt war getan.
Bringe Adam dazu sich zu verwandeln.
Das hatte ich geschafft und konnte es von der Liste streichen. Doch es gehörte mehr dazu als nur das. Ich ging auf den Wolf, der durch die Luft schnupperte zu und strich ihm über den Kopf. Durch die plötzliche Berührung zuckte er zusammen, jedoch legte er seinen Kopf sofort wieder in meine Hand. Adam kam eine Schritt auf mich zu und während ich seinen Kopf kraulte, drückte er ihn immer stärker gegen mich, sodass ich mein Gleichgewicht verlor und umkippte. "Pass doch auf!", lachte ich. Er knurrte verspielt und während seine buschige Rute hin und her zuckte. Na warte! Diese Herausforderung konnte ich mir kaum entgehen lassen. Ich griff rechts und links in seinen Hals, stemmte meine Füße gegen seinen Unterbauch und schleuderte ihn über mich hinweg. Diese Bewegung war als Mensch deutlich anstrengender, als in Wolfsgestalt. Auch mein Körper sträubte sich davor, solche Bewegungen aus zu führen. Der stechender Schmerz in meiner Schulter erinnerte mich daran. Meine volle Konzentration lag auf Adam und so ignorierte ich es einfach. Mein Körper brachte sich von ganz alleine in eine abwehrende Haltung. Beine schulterbreit auseinander und die Arme nach vorne gerichtet, um einem eventuellen Angriff entgegen zu wirken. Ich werde ihn fertig machen. Adam war mittlerweile wieder auf seinen Pfoten und knurrte mich an. Das Adrenalin schoss durch meinen ganzen Körper und auch ich stieß ein tiefes Knurren hervor. Ich forderte ihn heraus. Und er nahm an. Adams Kopf schwenkte suchend durch die Luft, als würde er versuchen, den Winkel zu finden um mich doch irgendwie sehen zu können. Seine Ohren zuckten wild umher und suchten nach den kleinsten Geräuschen, während seine Nasenlöcher sich weiteten und wieder zusammen zogen, um möglichst viele Gerüche in sich auf zu nehmen. Und sich auf einen bestimmten zu konzentrieren. Auf meinen. Er ging erst einen, dann zwei Schritte auf mich zu, bis er unerwartet in meine Richtung los preschte. Ich hatte nur wenige Sekunden Zeit zu reagieren und so drückte ich mich vom Boden ab, platzierte meine Hände geschickt auf seinem großen Kopf und hüpfte so tollpatschig über ihn hinweg, wie es nur ging. Meine beeinträchtigte Schulter gab nach, ich verlor das Gleichgewicht und purzelte unsanft über seinen muskulösen Rücken. Ich löste meine Verwandlung aus, bevor ich irgendwie auf dem Boden aufschlagen konnte und landete hinter ihm auf den Boden. Adam bremste ab und drehte sich langsam um. Seine Ohren zuckten wieder und bewegten sich in die vielen Richtungen der Geräusche in unserem Garten. Langsam hob ich nacheinander meine Pfoten und zog sie kaum hörbar über die langen Grashalme. Jeder Muskel meines Körpers wollte sich bewegen. Wollte umkehren und in den Wald hinter mir laufen. Jagen und heulen so laut es nur ging. Das Knacken eines Zweiges ließ Adams Ohren sofort in meine Richtung deuten. Er beugte sich herunter und begann zu knurren. "Da bist du!"
Seine kräftige Stimme ließ einen Schauer durch meine Pfoten jagen. Das letzte mal, dass er so lebendig geklungen hat, war schon einige Monate her. Er sprang zu mir herüber, doch ich machte einfach kehrt und lief durch die noch recht kahle Hecke, die den Wald von unserem Garten trennte. Ich lief und lief, Adam immer hinter mir. Der Wind drückte an mir vorbei und brachte mir jegliche Gerüche des erwachenden Frühlings mit. Ich wusste nicht wie lange ich gelaufen war, doch als ich atemlos zum stehen kam und mich umschaute, war dort keine Spur von Adam.

"Verdammt...", knurrte ich. Er hatte mich verloren. Oder eher gesagt ich hatte ihn verloren. Ich setzte mich auf den Boden und begann zu warten. Er wird mich aufspüren müssen und diesmal wird es nicht so einfach sein. Er wird sich schon zurecht finden, oder etwa nicht? Die Zeit verging und als Adam immer noch nicht auftauchte, begann ich mir langsam sorgen zu machen. Ich werde ihn suchen müssen. Gerade als ich das beschlossen hatte und mich schon aufgerichtet hatte, zog mich ein rascheln zurück auf den Boden der Tatsachen. Ich war im Wald, alleine. Genau das, was wir nicht sein dürfen. Es gab mehrere Möglichkeiten, was das Rascheln verursacht haben könnte. Entweder es wird mich töten oder eben nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass es für mich nicht gut ausgehen wird, wenn ich da blieb, war einfach zu groß. Ich sprintete sofort in die gegengesetzte Richtung davon und hörte wie  das Etwas aus dem Gestrüpp sprang und mich verfolgte. Ich schlug um die Bäume Kurven und wich den tief hängenden Ästen aus. Doch all das brachte nichts. Die Schritte waren noch immer da. Ich riskierte einen Blick hinter mich, doch das einzige was ich erkannte, war das was ich schon wusste. Es war ein Wolf. Und genau dieser Blick nach hinten, war das was mich zu Fall brachte. Meine Pfote blieb an einer Wurzel hängen und beförderte mich so mit einer gewaltigen Kraft zu Boden, dass ich mit meinem Kopf auf den Boden aufschlug. Ich war noch bei Bewusstsein, doch der Schmerz war so stark, dass sich alles drehte und ich mich mühselig aufraffte, nur um dann direkt wieder umgeworfen zu werden. Mein Verfolger rammte mich so heftig, dass mir jegliche Luft mit einem dumpfen Ton aus dem Körper wich und ich mit ihm zusammen einen kleinen Hang herunter kullerte. Auch wenn das meine Schmerzen nicht gerade minderte, sondern sie nur verstärkte, machte es mich trotz allem wieder fitter im Kopf. 

Unten angekommen, richtete ich mich auf der offenen Lichtung auf und schüttelte meinen vor Schmerzen pochenden Kopf. Mein sonst so sauberes weißes Fell, war staubig und überall hingen keine Zweige und Grashalme in meinem Fell. Ich konzentrierte mich und knurrte bedrohlich den Wolf an, bis ich erkannte wer es war. "Adam!", rief ich baff und automatisch lockerten sich meine Muskeln. Adam richtete sich auf und schüttelte kleine Erdbröckchen aus seinem blonden Fell. Er hatte mich echt gefunden. "Aua!", meckerte er. "Was stehst du einfach so im Weg herum?!" "Ich bin nicht stehen geblieben!", protestierte ich und ging auf ihn zu. "Ich bin an irgendetwas hängen geblieben. Weißt du eigentlich wie viel Angst du mir gemacht hast? Verfolgst mich einfach ohne einen Ton mehrere Minuten!" Ich biss ihm in die Überschüssige Haut an seinem Hals, gerade so stark, dass es ein wenig zwickte. "Lass das!", sagte er und schüttelte mich ab. "Ich hab gerade erst wieder deine Witterung aufnehmen können. Dein unmakierter Duft hängt überall in der Luft." Adams knurren wurde von einem tiefen Bass begleitet, wobei er seinen Kopf an meinem Hals rieb und meinen Geruch einsog. "Er hat es also noch immer nicht gemacht." Ich runzelte die Stirn. Wovon zur Hölle sprach er.  "Dich markiert und für sich beansprucht, meine ich." Ich fühlte mich so wohl in Adams Nähe, dass ich glatt vergaß, welche Hintergedanken er haben konnte. Unfreiwillig erinnerte ich mich an unseren Kuss. Das Blut schoss mir augenblicklich in jeden Zentimeter meines Kopfes und ich spürte wie er immer wärmer wurde. Wäre Adam nicht blind, würde er jetzt statt einen weißen Wolf einen pinken zu Gesicht bekommen. Ein schelmisches Grinsen schlich sich auf Adams Lippen und keine Sekunde später begann er laut los zu lachen. "Du vergisst, dass ich deine Emotionen riechen kann.", sagte er mit einer Stimme, die jeden dahin schmelzen lassen würde. Nur mich nicht. Oder doch ein wenig? Oh man... unfreiwillig flatterte mein Herz, was ihn wohl nur noch mehr an stachelte. "Ich wittere deine Hitze, deinen Duft, deinen unberührten Körper." Er kam plötzlich so selbstbewusst auf mich zu, dass ich nach hinten auswich. Er kann was wittern?! Egal wie sehr er mich aus dem Konzept gebracht hatte, dass konnte ich einfach nicht so stehen lassen. Gerade als ich den Mut gefasst hatte, ihm meine Meinung zu geigen, drang das Geräusch von brechenden Zweigen zu uns. Adam blickte sofort auf und hatte jegliche Selbstsicherheit, die er gerade gewonnen hatte wieder verloren. Ihn so zu sehen ließ mich nach der Nummer von gerade ein wenig triumphieren, auch wenn es nicht mein Verdienst war. "Was hattest du noch einmal gesagt? Du konntest gerade erst meine Witterung aufnehmen?", sagte ich und wagte es nicht den Blick von den Bäumen am oberen Ende des Hanges zu entfernen.
"Ja, ich bin deinem Geruch sofort gefolgt und, naja hab die Entfernung wohl unterschätzt. Bin sogar am Anfang mal gegen einen Baum gelaufen..." Zum Ende hin wurde er immer leiser, wohl in der Hoffnung, dass ich den Rest nicht verstanden habe. Doch ich ignorierte es. Ein Schauer lief mir kalt den Rücken hinunter, während mein Fell sich sträubte. Er... hatte mich nicht verfolgt. Ich konnte spüren wie uns Etwas tief aus dem Wald heraus brobachtete. Etwas oder Jemand...

Der Wolf in MirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt