Kapitel 37: Schicksal

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Ich konnte mich einfach nicht rühren. Meine Sicht verschlechterte sich immer mehr und den Blick konnte ich von seinen leuchtenden Augen nicht abwenden. Es war als könnte ich durch sie in seine Seele blicken. Es war alles andere als erfreulich...

Hass. Schmerz. Tod.

Seine Augen spiegelten seinen Blutdurst wieder und es wollte nichts weiter als diesen Durst zu stillen. Es wollte töten.

Ein lauter Knall durchzog die Luft. Die dunkelroten Augen wendeten sich schlagartig von mir ab. Meine Beine gaben langsam nach und so hockte ich mich ungewollt hin. Mein Blick lag auf Lucas. Er stand mir dem Gewehr in der Hand neben Jeta, er hatte geschossen. Er schrie irgendetwas, doch ich konnte ihn nicht verstehen. Das Blut raste zu schnell durch meinen Kopf. Mein Kopf schmerzte und so kniff ich kurz die Augen zusammen. Ich hoffte einfach, dass meine Sicht sich dadurch bessern würde und es die Schmerzen lindern würde. Doch das war vergebens. Als ich sie wieder öffnete sah ich, wie das Biest auf Lucas zu preschte und ihn mit voller Wucht weg schlug. Durch den Schlag ließ er das Gewehr fallen und flog einige Meter durch die Luft, bis er an einem Baum aufschlug. Regungslos blieb er liegen. Verdammt! Sie werden sterben wenn ich nichts tue... Aber ich kann es nicht. Eine Träne floss über meine Wange und ich biss meine Zähne so feste zusammen wie ich konnte. Ethan. Bitte. Rette sie...

"Jenna!" Ich riss meine Augen auf und starrte in den dunkeln Wald. Er kam mir zwar bekannt vor, doch es war nicht der Wald in dem ich eine Minute zuvor noch auf dem Boden hockte.
"Jenna." Die sanfte Frauenstimme hallte durch den Wald. Ich erkannte sie auf anhieb und drehte mich um. Auf einem Felsen, direkt vor mir, saß die weiße Wölfin. Ihre blauen Augen strahlten mich an. "Wo bin ich?", fragte ich und war selber überrascht darüber, dass ich sprechen konnte. "In deinem Geist und meiner Heimat. Ich bin seit Beginn deines Lebens an deiner Seite." "Und wer bist du?" "Ich bin der Himmel, der Mond, der Geist und die Vernunft. Ich bin du und du bist ich."
Was meinte sie nur damit? Sie war ich? Doch warum war ich anders? "Warum bin ich die einzige, deren Wolf anders ist?", sagte ich zu ihr. "Ich bin bestimmt auch die einzige, die mit ihrem Wolf reden kann!" "Da irrst du dich.", sagte sie sanft, doch ich konnte die Ernsthaftigkeit in ihrer Stimme heraus hören. Auch wenn sie noch so minimal war. Sie hebte den Blick in den Himmel. Ich folgte ihr und schaute auf den riesigen Vollmond, der ein Drittel des Himmels einnahm.
"Es gibt noch eine weitere Person." Sie schaute wieder zu mir und ihre Augen funkelten im Mondlicht. Man könnte meinen, ihre Augen wären der Mond selbst. "Euer Schicksal ist miteinander verknüpft. Du wirst ihn erkennen, wenn du bereit dafür bist." Ich wollte etwas sagen, doch wie schon einmal, kam kein Ton heraus.
"Und jetzt verteidige dich und deine Freunde." Mit diesen Worten wurde ich wieder in die Dunkelheit gezogen. Ich wusste bereits wen sie meinte. Ethan...

Ich zwinkerte ein paar mal und befand mich wieder zurück im Wald. Meine Sicht war wieder die alte und ich bemerkte, dass meine volle Stärke zurück gekehrt war. Mein Blick lag sofort wieder auf dem Biest, welches langsam auf Lucas reglosen Körper zuging.
"Lass ihn in Ruhe!", brüllte ich so laut ich konnte und richtete mich wieder auf. Der Kopf drehte sich langsam zu mir. Es war das erste mal, dass ich ihn klar sehen konnte. Er war gewaltig. Der muskelüberzogene Körper war bedeckt von kurzem braunen Fell, dass erst an seinem Nacken etwas länger wurde. Alte Kampfnarben überzogen seinen Rücken und eine große Narbe zog neben seinem Auge hinunter bis zum Hals. Die Zähne länger und spitzer, als ich sie jemals gesehen habe. Es war einfach nur furchteinflößend.
Als sich unsere Augen trafen, erwischte mich eine Welle seines Hasses. Sein bedrohliches Knurren richtete sich nun wieder gegen mich. Er drehte sich nun ganz zu mir um und ich sah wie jeder Muskel sich unter dem dünnen Fell bewegte. Eigentlich wäre ich bei dieser Präsenz sofort zusammengebrochen, doch jetzt nicht. Der Wille meine Freunde zu beschützen war zu groß. Ein tiefes grollen entsprang meiner Kehle und so tat ich das, was ich als Omega niemals hätte machen sollen.

Ich forderte ihn heraus.

Einen Alpha.

Und dazu noch einen sehr mächtigen.

Seine massiven Pranken versanken im feuchten Waldboden und hinterließen die unheilvollen Abdrücke, die ich bereits schon kannte. Ich wich nicht von der Stelle, auch wenn mein Instinkt danach schrie weg zu laufen. Mein knurren wurde immer lauter. Mein Blick fiel kurz auf das am Boden liegende Gewehr. Ich musste schnell handeln. Ich drückte mich so stark ich konnte ab und lief so schnell es nur ging zum Gewehr. Das Biest folgte meinem Blick und preschte auf mich zu. Kurz bevor ich das Gewehr packen konnte, spürte ich die muskulöse Schulter an meiner Brust. Durch die massive Kraft verlor ich den halt am Boden und wurde weg geschleudert. Der Aufschlag am Boden war hart und schmerzhaft. Als ich endlich stoppte, richtete ich mich langsam auf.
"Ich vertrage mehr als ein Mensch!", grollte ich ihn an. Mit einer raschen Bewegung schlug es das Gewehr weg und kam wieder auf mich zu.
Ich hatte einfach keine andere Wahl. Um mich und vor allem Jeta und Lucas zu retten, musste ich es einfach tun. Mir war es egal, ob mich dabei jemand sehen würde. Ich zögerte keine Sekunde und begann mich vor den Augen des Biestes zu verwandeln. Meine Knochen knackten und ich spürte wie mich der erträgliche Schmerz der Verwandlung durchzog. Als die Verwandlung abgeschlossen war, pochte mein Arm wie wild.
Wie ein verletztes Tier stand ich nun einige Meter vor ihm. Sofort kamen mir Zweifel. Was tue ich nur? Mit dem verletzten Arm könnte ich eh nicht kämpfen.

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Hier das versprochene Kapitel!
Jedoch wird das nächste jetzt etwas dauern

Viel Spaß!

Der Wolf in MirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt