Krummbein

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Ron verspeist gerade seinen zweiten Schokobecher, während ich noch mit meinen Früchtebecher beschäftigt bin.

„Wir sollten eigentlich nach Harry suchen und nicht hier sitzen und Eis essen", nörgle ich und stochere im Eis rum.
„Man, reg dich ab. Da ist er doch", sagt er genervt und deutet hinter mich. Auf der Straße schlendert Harry entlang.
Er scheint uns noch nicht bemerkt zu haben.
Ich springe auf und rufe ihm zu: „Harry! Harry!" Ich winke ihm aufgeregt.

Er schaut in meine Richtung und winkt mir zu.
„Hallo, Mine!", ruft er und drängelt sich durch die Menge.
Als er sich erfolgreich durchgekämpft hat, schließt er mich in seine Arme. „Wie waren deine Ferien?", fragt er.
„Schön", murmle ich Gedankenversunken.

Er ist ganz schön gewachsen. Hat er schon immer so gut gerochen?

„Du bist echt braun geworden, Mine. Frankreich hat dir gutgetan." Er hält mich vor sich und schaut mir in die Augen. „Und du hast einige neue Sommersprossen auf der Nase.", sagt er und tippt mir auf die Nase.
Es kribbelt in meinem Bauch und ich werde rot.
„Hey man, wie geht es dir, Alter?", ruft Ron hinter mir mit verschmierten Eismund.
Ich bin ihm dankbar für die Ablenkung.
„Ganz gut bisher. Es wird sich gut um mich gekümmert." Er zieht einen Stuhl an unseren Tisch heran und setzt sich.
„Willst du dich nicht auch setzen, Hermine?", fragt er und deutet auf meinen Stuhl.
„Ehm, natürlich", murmle ich und lasse mich auf den Stuhl fallen.
„Man, wir haben überall nach dir gesucht. Wir waren im tropfenden Kessel, bei Madam Malkins, Flourish & Blotts..." „und im Eisladen", unterbricht Harry Ron lächelnd.
Ron grinst ihn an. „In Ruhe essen war auch nicht möglich.", schmunzelt er.
„Wieso?", stutz Harry.
„Hermine wollte die ganze Zeit nach dir su... Aua!"
Ich habe Ron mit voller Wucht gegen das Schienbein getreten.
Verwundert schaut mich Harry an, doch ich beschäftige mich unschuldig mit meinem Eisbecher.
„Sieh dir das an", sagt Ron mit schmerzverzerrtem Gesicht und zieht seinen neuen Zauberstab hervor. „Brandneuer Zauberstab. Vierzehn Zoll, Weide, mit Einhornschwanz-Haar und wir haben alle Bücher besorgt", verkündet er stolz und deutet auf unsere Tüten, in denen die Monsterbücher wieder anfangen zu knurren.
„Der neue Lehrer muss eine echte Klatsche haben", murmelt Ron und tritt gegen seine Tasche. Aus der Tasche kommt ein schmerzhaftes Quieken.
Jetzt komme ich wieder zu mir und besinne mich, warum Harry schon seit einer Woche in der Winkelgasse ist.
„Hast du wirklich deine Tante aufgeblasen?", frage ich ihn mit ernster Stimme.
„Wollte ich gar nicht."
Ron beginnt sich vor Lachen zu schütteln. Ich werfe ihm einen ernsten Blick zu.
„Ich habe einfach die Nerven verloren", erklärt Harry schulterzuckend.
„Das ist überhaupt nicht lustig, Ron! Ich bin erstaunt, dass sie dich nicht von der Schule geworfen haben, Harry!"
„Das bin ich auch", gibt er zu. „Ich dachte eigentlich, dass sie mich verhaften werden. Weiß dein Dad, wieso ich nicht bestraft wurde?"
Ron zuckt mit den Schultern und sagt: „Wahrscheinlich, weil du es bist. Der berühmte Harry Potter. Wenn das einer von uns gemacht hätte, wären wir auf schnellsten Wege nach Askaban. Aber du kannst Dad das heute selbst fragen. Wir übernachten alle im tropfenden Kessel, bis wir am ersten September gemeinsam zum Kings Cross Bahnhof fahren! Hermine ist auch dabei!", fügt er noch hinzu.
Glücklich strahle ich ihn an. „Ja, meine Eltern haben es mir erlaubt, die letzte Woche mit euch beiden hier zu verbringen. Ist das nicht toll?"
„Ja, ist es", strahlt Harry zurück.

„Was ist das eigentlich alles, Hermine?", fragt er und deutet auf meine Tüten voller Bücher.
„Oh das. Na ja, ich habe halt ein paar mehr Fächer gewählt als ihr", erkläre ich und beginne aufzuzählen. „Arithmantik, Pflege magischer Geschöpfe, Wahrsagen, Alte Runen, Muggelkunde..."

„Warum gehst du eigentlich in Muggelkunde?", unterbricht mich Ron. „Du stammst doch von Muggeln ab!"
„Aber es ist spannend, sie aus der Sicht der Zauberer zu studieren", erwidere ich.
„Hast du dieses Jahr eigentlich noch vor zu essen oder zu schlafen, Hermine?", fragt Harry mich mit belustigter Stimme.
Ich gehe darauf nicht mehr ein. „Zehn Galleonen habe ich noch. Meine Eltern haben mir ein bisschen Geld gegeben, damit ich mir ein Geburtstagsgeschenk kaufe..."
„Aber du hast doch erst im September Geburtstag?", fragt Harry erstaunt.
„Ja, dieses Jahr soll ich mir selbst ein Geschenk aussuchen."
„Wie wäre es mit einem Buch?", schlägt Ron belustigt vor.
„Nein, eher nicht", erwidere ich knapp. „Ich hätte gerne eine Eule, aber mein Dad, na ja... hat irgendwelche Probleme mit Vögeln. Daher wollte ich mich nach einem Haustier umgucken."
„Gut, ich wollte auch noch in die Tierhandlung. Krätze scheint der Sommerurlaub nicht bekommen zu sein." Ron zieht den herunter gekommenen Krätze aus seiner Tasche.
Krätze ist dünner als sonst und er verliert an einigen Stellen bereits Fell.
„Er sieht furchtbar aus", keuche ich.
„Dort drüben ist ein Laden für magische Geschöpfe. Dort können wir vorbeischauen", sagt Harry.
Wenig später drängen wir uns in den kleinen Tierladen. Der Laden ist vollgestellt mit Käfigen, in denen es nur vor kleinen Geschöpfen tummelt.
Ron geht zielstrebig zum Tresen, an dem eine Hexe steht. „Das ist meine Ratte", sagt er und klatscht Krätze auf den Tresen. „Ihr geht es nicht so gut, seitdem wir aus Ägypten zurück sind."
Die Hexe untersucht Krätze und fragt Ron anschließend: „Wie alt ist die Ratte denn?"
„Keine Ahnung. Ziemlich alt. Sie hat mal meinem Bruder gehört."
„Welche Kräfte hat sie?"
„Ähm...", er stockt. "Krätze kann, soweit ich weiß, absolut gar nichts."
„Mit dieser Ratte habt ihr aber übelgespielt!", schimpft die Hexe mit ihm und verweist auf eine fehlende Kralle und das abgeknabberte Ohr.
„Sie war schon so als ich sie bekommen habe!", verteidigt sich Ron.
„Eine gewöhnliche Gartenratte wie diese hier, wird nie älter als drei Jahre. Wenn du vielleicht etwas Haltbares suchst, kannst du eine von denen hier nehmen." Sie zeigt auf einige schwarze Ratten, die rechts von ihr in einem Käfig aufgeregt auf und ab hüpfen.
„Nein danke", murmelt Ron.
„Schön, wenn du keine neue willst, gib deiner Ratte einfach Rattentinktur. Vielleicht hilft das ja", sagt sie eingeschnappt und holt eine kleine Flasche unter der Theke vor.
„Okay, wie viel... Autsch!" Eine riesige orangerote Katze ist von einem hohen Regal auf Ron hinuntergestürzt und fängt nun an, nach Krätze zu schlagen.
„Nein, Krummbein! Hör auf!", ruft die Hexe. Krätze bekommt Panik und flutscht Ron durch die Hände und verlässt fluchtartig das Geschäft.
„Krätze!", ruft Ron und eilt ihm hinterher.
„Ich folge ihm besser!", sagt Harry zu mir und jagt hinter Ron her.
Der Kater hat sich mittlerweile friedlich schnurrend vor meine Beine gelegt und ich beginne ihn über das Fell zu streicheln.
„Der Arme Krummbein, viele Jahre ist er schon bei mir und bisher wollte ihn keiner haben. Er ist keine wirklich schöne Katze, aber ich spüre, dass er etwas Besonderes ist", murmelt die Verkäuferin.
Auch ich habe das Gefühl, dass Krummbein eine ganz besondere Katze ist. Außerdem erinnert er mich an mich vor einigen Jahren, bevor ich nach Hogwarts kam.
Allein und keiner wollte mit mir befreundet sein. Krummbein schnurrt freundlich und dreht sich auf den Rücken, während ich ihn weiter streichle.
„Wie viel kostet er?", frage ich die Verkäuferin, ohne lange drüber nach zu denken.
„Für fünf Galleonen kannst du ihn haben", sagt sie verdutzt. Ohne lange drüber nachzudenken hole ich fünf Galleonen aus meiner Tasche und reiche sie der Hexe.
„Komm, Krummbein." Ich hebe ihn auf und er kuschelt sich an mich.

„Du hast dieses Monster gekauft?!", schreit mich Ron an, nachdem ich die beiden wieder in der Winkelgasse finde. „Er hat mich fast skalpiert!"
„Das war doch keine Absicht. Nicht war, Krummbein?", frage ich meinen Kater und kraule ihn über das eingedellte Köpfchen.
Harry beäugt Krummbein.

Bestimmt mag Harry ihn auch gern. Nur will er es vor Ron nicht zugeben!

„Es wird schon spät. Wir sollten zurück in den tropfenden Kessel", sagt Harry, nachdem er einen Blick auf seine Uhr geworfen hat.

Er trägt sie.

Mein Herz macht einen Hüpfer.

Sie gefällt ihm. Etwas, was ich ihm geschenkt habe.

Fröhlich strahlend laufe ich neben Harry her und höre nicht mehr auf Rons Beleidigungen in Richtung Krummbein.
„Oh Hermine, hast du dir eine Katze gekauft?", fragt mich Ginny, nachdem wir den tropfenden Kessel betreten haben. „Ja, sein Name ist Krummbein und er ist ein Kater. Ist er nicht süß?"
„Eh, ja."
„Dieses Monstrum hat mich und Krätze fast umgebracht!", ruft Ron aus der anderen Ecke.
„Nun übertreib mal nicht, Ronald!", rufe ich. „Kommst du mit in unser Zimmer?", frage ich Ginny. Sie nickt und wir machen uns auf den Weg in Richtung Zimmer Nummer Zwölf.
„Krummbein ist Ron ausversehen auf den Kopf gesprungen und er macht aus einer Mücke einen Elefanten", erkläre ich Ginny wenig später in unserem Zimmer, während ich Krummbein über den Kopf streichle.
Ich stehe vor ihrem Bett und sie setzt sich nieder.
„Schau ihn dir doch an. Er könnte niemanden etwas zu Leide tun!" Ich halte Krummbeins Gesicht vor Ginnys.
„Ja, herzallerliebst." Sie schiebt Krummbein zurück auf meinen Arm. „Hermine, ich muss dich was fragen."
„Schieß los."
„Ehm, naja. Wie ist er so?"
„Wie er?", frage ich verdattert.
„Na Harry."
Ich lasse Krummbein fallen, der die von mir unsanfte Behandlung nicht gewohnt ist. Beleidigt faucht er mich an und verschwindet unter meinem Bett.
„W-Wie meinst du das?", frage ich sie stockend.

Was willst du von ihm?!

„Na ja, wie ist er denn so."
„Harry gehört zu den nettesten und ehrlichsten Menschen die ich kenne", sage ich knapp und mit leicht scharfen Unterton.

Was ist auf einmal los mit mir? Am liebsten würde ich ihr Krummbein ins Gesicht werfen!

„Redet er manchmal von mir?"
„Nein. Nie", sage ich wütend und drehe mich von ihr weg. „Ich muss mal nach unten." Und verlasse das Zimmer.

Was fällt ihr eigentlich ein.

Wütend stampfe ich durch den Flur des ersten Obergeschosses.
Mir kommt es vor, als ob ein großes Monster in mir zum Leben erwacht ist.

Wieso bin ich so wütend auf Ginny? Sie hat doch eigentlich nichts Schlimmes getan?

Doch meine Wut lässt sich nicht begründen. Ich bin einfach zu wütend.
Ich will gerade um die nächste Ecke in den Hauptraum biegen, als ich die Stimme von Mr. Weasley höre. Abrupt bleibe ich hinter der Ecke stehen und lausche:
„Harry, Molly möchte nicht, dass ich es dir sage, aber es ist wirklich wichtig", flüstert Mr. Weasley im ernsten Ton.
„Sirius Black, der Mann, den wir überall suchen..."

Hermine Granger und die magische WeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt