Der Irrwicht

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Die ganze restliche Woche geht das so. Ich bekomme kaum Schlaf und ich habe das Gefühl, dass mein Leben nur noch aus Lernen besteht.
Mittlerweile ist es auch meinen Freunden aufgefallen, dass ich an manchen Orten auftauche oder wieder verschwinde. Meist schaffe ich es davon abzulenken.
Heute ist Donnerstag und ich habe heute schon Zaubertränke, Muggelkunde, Arithmantik, Verwandlung und Kräuterkunde hinter mich gebracht.
Ich schnaube, während ich die Treppen in die Große Halle hinunter wetze.
„Da ist sie ja!", ruft Harry und deutet auf mich.
„Wo warst du?", fragt Ron, als ich vor den beiden stehe.
„Ich, ähm...", keuche ich. „Ich habe etwas vergessen und bin noch mal zurück."
„Hm, okay", sagt Ron und zuckt mit den Schultern. „Dann lasst uns was essen! Ich habe einen riesen Kohldampf!"
Er dreht sich um und läuft in die große Halle.
Ich gehe an Harry vorbei und will auch in die große Halle, doch er hält mich am Arm fest.
„Was ist los mit dir, Hermine?" Er schaut mir eindringlich in die Augen.
„N-nichts, was sollte schon sein?", stottere ich und meine Knie beginnen zu zittern.
„Ich merke doch das du mich anlügst. Du schläfst wenig, oder? Du hast so tiefe Augenringe."
„I-Ich... Nein mir geht es gut, Harry!", sage ich entschlossen und entwinde mich aus seinem Griff.
„Ich will dir helfen", sagt er.
Wie gerne würde ich ihm von allem erzählen, dass ich mich viel zu sehr übernommen habe, dass mir die vielen Fächer doch Schwierigkeiten bereiten und das komische Gefühl, welches er in mir auslöst, aber er darf nichts von all dem erfahren.
„Vertraust du mir nicht?" fragt er mit traurigem Blick.
„Doch, natürlich", erwidere ich und blicke ihm direkt in die Augen. „Mir geht es gut, wirklich."
Einen Moment schauen wir uns in die Augen, meine Knie beginnen wieder zu zittern, mein Puls erhöht sich und in meinem Bauch fliegen tausende von Flugzeugen.

Das... Nein... Ich kann mich nicht in ihn... Wir sind Freunde...

Ratsch!
Ein lautes Ratschen unterbricht uns und all meine Bücher klatschen mit lautem Getöse auf den Boden.
„Verdammt! Verdammt, Verdammt, Verdammt!", fluche ich und beuge mich hinunter zu meinen Büchern um sie aufzuheben. „Das hat mir noch gefehlt!"
Harry beugt sich ebenfalls hinunter und hilft mir beim Auflesen.
„Wie viele Bücher hast du eigentlich dabei? Diese Fächer haben wir heute doch gar nicht?", fragt er verdutzt, als er meine Bücher aufhebt.
Mit größter Not habe ich heute Morgen all die Bücher, die ich heute benötige, in die Tasche gezwängt, es war nur eine Frage der Zeit, bis die Tasche die Last nicht mehr halten kann.
„Ehm, naja ich dachte, ich kann darin während der Pause lesen", antworte ich und strecke die Hand nach dem Kräuterkundebuch aus auch Harry streckt seine Hand danach aus und für einen kurzen Moment berühren sich unsere Hände.
Wieder kribbelt es.

Wieso? Wir haben früher uns oft an den Händen gehalten. Wieso jetzt auf einmal!

„Entschuldige", sagt er und zieht seine Hand zurück.
„Ich habe noch etwas Zauberband dabei, damit können wir deine Tasche flicken", schlägt er vor und zieht das Zauberband hervor.

Wenig später ist meine Tasche, mehr oder weniger, geflickt.
„Danke Harry", seufze ich während ich das Buch für Verteidigung gegen die dunklen Künste vor der Brust trage. Ich habe mich dazu entschlossen es lieber außerhalb der Tasche zu tragen um zu vermeiden, dass sie wieder auseinanderreißt.
„Wo wart ihr so lang?", fragt Ron und reißt Fleisch von seiner Hähnchenkeule.
„Hermines Tasche ist kaputtgegangen und wir haben sie geflickt", antwortet Harry und deutet auf meine Tasche.
„Ach so", schmatzt er und schlingt sein Hühnchen hinunter. „Gleich haben wir unsere erste Stunde bei Lupin. Ich hoffe, er ist besser als Lockhart", bemerkt er.
„Das sollte nicht allzu schwer sein", erwidere ich und nehme mir etwas Hähnchenbrust.
Ron starrt mich an.
„Oho, das aus deinem Munde!"
„Ich habe doch schon mehrmals zugegeben, dass Lockhart ein Versager ist!", kontere ich und reiche Harry den Teller mit Hähnchen.

Nach dem Mittagessen begeben wir uns zum Klassenzimmer für Verteidigung gegen die dunklen Künste.
Wie gewohnt setzen wir uns recht weit vorne hin und legen unsere Bücher auf den Tisch. Professor Lupin ist noch nicht da und so unterhalten wir uns angeregt.
„Was meint ihr? Ob er auch so ein Spinner ist, wie Lockhart?", fragt Seamus in die Runde.
„Also das mit dem Dementoren im Zug hat er gut hinbekommen", überlegt Ron im Flüsterton, so dass es nur Harry und ich hören.
Ich nicke ihm zustimmend zu. „Ich denke auch. Ich bin wirklich gespannt."
Die Flügeltür schwingt auf und Lupin kommt hinein. Er legt eine alte, verschlissene Aktentasche auf das Lehrerpult und begrüßt uns: „Guten Tag! ihr könnt gleich eure Bücher einpacken. Heute machen wir etwas Praktisches! Ihr braucht nur eure Zauberstäbe!"
Wir werfen uns verblüffte Blicke zu. Normalerweise lernen wir erst den Theorieteil und gehen dann erst an das Praktische. Trotzdem tun wir wie uns geheißen wurde und räumen unsere Bücher vom Tisch.
„Sehr schön! Folgt mir, bitte!", sagt Lupin und er geht aus dem Klassenzimmer hinaus.
Mit Gemurmel erheben wir uns und folgen ihm.
„Was er wohl vorhat?", zischt Lavender.
„Keine Ahnung aber endlich machen wir was Praktisches!", freut sich Harry, während wir durch die Korridore gehen.
„Hier hinein, bitte", sagt Lupin schließlich und öffnet uns die Tür, die in das Lehrerzimmer führt.
Noch nie habe ich das Lehrerzimmer von innen gesehen. Zurzeit sitzt hier nur eine einzige Person drin: Snape. Als wir den Raum betreten, blickt er uns an und schnarrt: „Lassen sie die Tür auf, Lupin, das will ich mir nicht ansehen."
Er steht auf und verlässt den Raum, nicht ohne uns einen verächtlichen Blick zuzuwerfen.
„Nun, denn", sagt Lupin und führt uns zu einem Schrank in der Ecke, der wie von selbst wackelt. „Kein Grund zur Beunruhigung. Dort ist nichts Gefährliches drin! In diesem Schrank steckt ein Irrwicht. Wer kann mir erklären, was ein Irrwicht ist?", fragt er in die Runde.
Natürlich schießt meine Hand sofort in die Höhe.
„Ja, Miss Granger?", sagt er und ich lege los.
„Ein Irrwicht verändert seine Gestalt in etwas, wo vor die Person, die vor ihm steht, am meisten Angst hat. Niemand weiß wie ein Irrwicht aussieht. Sie mögen dunkle enge Räume und verstecken sich gerne in Schränken oder Schubladen."
„Sehr gut. Und das bedeutet, dass wir ihm im Vorteil sind. Kannst du mir sagen warum, Harry?"
Wieder schießt meine Hand in die Höhe und ich hüpfe auf und ab.
„Ehm – weil wir so viele sind und er nicht weiß in welche Gestalt er sich verwandeln soll?", antwortet Harry mit fragendem Unterton.
Ich lasse enttäuscht die Hand sinken.
„Genau!", ruft Lupin. „Der Zauber, der einen Irrwicht vertreibt, ist einfach, aber er verlangt geistige Anstrengung. Einen Irrwicht macht man den Garaus, wenn man über ihn lacht und dafür verwendet man die Zauber Riddikulus. Wir üben das jetzt alle."
Wir ziehen unsere Zauberstäbe und schauen Lupin interessiert an.
„Nach mir bitte!", ruft er. „Eins, zwei"
Riddikulus!", rufen wir alle gemeinsam und imitieren seine Handbewegung.
„Gut, das funktioniert doch schon ganz gut. Das war aber jetzt der leichte Teil und jetzt bist du an der Reihe, Neville!"
Der arme Neville zuckt zusammen und tritt vorsichtig hervor.
„Wovor, würdest du sagen, hast du am meisten Angst?"
Neville bewegt die Lippen aber kein Ton kommt heraus.
„Wie bitte?", fragt Lupin freundlich.
„Vor Professor Snape."
Wir lachen alle laut auf. Snape ist wirklich ein Schreckgespenst.
„Professor Snape?", lacht auch Lupin. „Gut, stimmt es, dass du bei deiner Großmutter lebst?"
„Ähm – ja, aber ich will nicht, dass der Irrwicht sich in sie verwandelt."
Wieder lachen alle.
„Nein, nein. Du sollst nur daran denken was sie meistens trägt."
Er beugt sich zu Neville hinunter und flüstert ihm etwas ins Ohr.
Neville nickt begeistert und Lupin beugt sich wieder auf.
„Gut, bist du soweit?"
Neville nickt schüchtern.
„Nicht vergessen, Riddikulus!", erklärt Lupin noch einmal, dann wendet er sich an den Rest der Klasse: „Denkt noch einmal alle drüber nach, was euch am meisten Angst macht."

Wovor habe ich am meisten Angst? Bisher ist mir in meinem Leben nichts großartig passiert vor dem ich Angst habe.

Mein Blick wandert zu Harry.

Ob der Irrwicht die Gestalt von Voldemort annehmen wird?

„Gut seid ihr bereit?", ruft Lupin in die Runde und als alle nicken deutet er mit dem Zauberstab auf den Knauf des Schrankes und die Tür springt auf.
Sofort dreht sich der Knauf und Snapes Gesicht, mit der berühmten Hackennase, schiebt sich heraus.
„Gut Neville. Jetzt!", ruft Lupin von der Seite und Neville schwingt seinen Zauberstab. „Riddikulus!", ruft er.
Es ploppt leise und Professor Snape ist gekleidet in den Klamotten, die wohl Nevilles Oma trägt. Ein rosarotes Kleid und einen merkwürdigen Hut mit einem ausgestopften Geier auf dem Kopf.
Die Klasse bricht in großes Gelächter aus.
„Sehr schön!", ruft Lupin. „Nun stellt euch in eine Reihe", ordert er an und sofort drängen wir uns alle hintereinander.
Ich stelle mich hinter Harry und beobachte die anderen.
Gerade ist Parvati dran. Sobald sie vortritt verwandelt sich der Irrwicht in eine blutbefleckte Mumie.
Parvati schaudert erst zurück, dann tritt sie entschlossen vor. „Riddikulus!", ruft sie und die Mumie verheddert sich in ihren Bandagen und fällt vorn über.
Wir johlen vor Lachen.
Als nächstes ist Seamus dran und der Irrwicht verwandelt sich in eine Frau mit langem schwarzem Haar und einer Skelettähnlichen Gestalt. Sie öffnet den Mund und stößt einen langgezogenen hohen Schrei aus.
„Eine Todesfee", hauche ich entsetzt und halte mir die Ohren zu.
Seamus ruft mit fester Stimme: „Riddikulus!"
Die Todesfee krächzt auf und hält sich an die Kehle, sie hat ihre Stimme verloren.
Als nächstes ist Lavender an der Reihe. Der Irrwicht verwandelt sich in eine riesige Schlange.
Riddikulus!", ruft sie und die Schlange verwandelt sich in eine Luftschlange.
Ron ist der Nächste.
Ich bin mir ziemlich sicher, in was sich der Irrwicht verwandeln wird und ich liege richtig. Die Mädchen um mich herum schreien entsetzt auf. Der Irrwicht hat sich in eine zwei Meter große, haarige Spinne verwandelt.
Riddikulus!", ruft Ron und die Beine der Spinne verschwinden und ihr Körper rollt vor Harrys Füße.
Harry will gerade seinen Zauberstab heben, als Lupin hervorspringt. „Halt!", ruft er und stellt sich vor Harry. Der Irrwicht verwandelt sich in eine silbrige, weiße Kugel.
Verwundert lege ich meinen Kopf schief und betrachte die Kugel, wie sie still in der Luft schwebt.

Was ist das?

Riddikulus!", ruft Lupin und die Kugel platzt wie ein Luftballon und zischt durch den Raum. „Los Neville, gib ihm den Rest!", ruft er und Neville schreitet entschlossen vor.
Der Irrwicht verwandelt sich erneut in Snape.
Riddikulus!", ruft Neville und wieder steht Snape in Oma-Klamotten vor uns.
Wir alle und besonders Neville, lachen laut auf, dann ertönt ein lauter Knall und der Irrwicht ist verschwunden.
„Gut gemacht!", ruft Lupin. „Gut, ihr habt alle eure Sache sehr gut gemacht, fünf Punkte für jeden, der es mit dem Irrwicht aufgenommen hat, zehn für Neville, weil er zweimal dran war."
Sein Blick wandert zu mir und Harry und bleibt auf uns hängen.
„Und Harry und Hermine bekommen auch jeweils fünf Punkte", sagt er.
„Aber ich habe doch gar nichts gemacht", erwidert Harry.
„Ihr beide habt meine Fragen zu Beginn perfekt beantwortet. Als Hausaufgabe, lest bitte das Kapitel über Irrwichte in eurem Buch und schreibt mir eine Zusammenfassung, bis Montag. Das ist alles, ihr könnt gehen."
„Das war die beste Verteidigung gegen die dunklen Künste Stunde, die wir je hatten!", schwärmt Dean als wir wieder auf dem Flur sind.
„Ja!" ruft Seamus. „Habt ihr gesehen, wie ich es der Todesfee gezeigt habe?"
„Ja, das war wirklich gut", antwortet Ron. „Habt ihr die Spinne gesehen?"
„Ich frage mich, wieso Lupin so vor Harry gesprungen ist", grüble ich und schaue Harry an.

Liegt es vielleicht wirklich daran, dass Harrys größte Angst Voldemort ist?

Hermine Granger und die magische WeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt