80. Kapitel

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Unsicher lief ich die Treppe hoch, nachdem ich Schuhe und Jacke ausgezogen hatte, und öffnete dann Kiteru's Zimmertür. Direkt geradezu war sein Bett und links am Fenster stand ein Schreibtisch, auf dem sich Zettel und Bücher stapelten. Ich schaute nach rechts und mein Blick fiel auf die große Kommode, die dort an der Wand stand. Davor waren haufenweise Klamotten verstreut.

Seufzend ging ich zu seinem noch ungemachten Bett und legte die Decke zusammen, bevor ich mich darauf setzte. Jetzt, wo ich wieder allein war, kamen die Erinnerungen von eben wieder hoch und schnell zog ich mein Handy aus meiner Hosentasche, um mich irgendwie abzulenken. Als ich Schritte auf der Treppe vernahm, steckte ich mein Handy weg und schaute aufmerksam Kiteru an, der gerade in sein Zimmer kam. Er hatte zwei Tassen Tee dabei und reichte mir eine.

,,Danke.", meinte ich und nahm die Tasse an. Er setzte sich ebenfalls auf sein Bett und begann dann zu sprechen. ,,Also, wenn du nicht erzählen möchtest, was passiert ist, dann ist das in Ordnung. Aber... ich wollte dich nur wissen lassen, dass ich auch viele familiäre Probleme hatte und mich schon oft mit Leuten gestritten habe. Ich werde versuchen zu verstehen, was dich bedrückt oder zum Weinen gebracht hat.", sagte er und schaute mich dabei lange und liebevoll an.

Unsicher schaute ich in die Teetasse und atmete durch. Ich war mit ihm und Yuuji auf der selben Mittelschule. Ich kann ihm vertrauen, denn er kennt die Probleme, die meine Eltern hatten. Er war auch immer für mich da, als mich irgendein Junge blöd angemacht oder bedrängt hat.. ich könnte ihm von dem erzählen, was... ich gesehen habe..

Ich schluckte. ,,A-also.." ,,Ist okay, du musst nicht.", sagte Kiteru fürsorglich und strich mir über den Rücken. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich gleich in Tränen ausbrechen würde. Ich will nicht so schwach wirken. ,,A-aber- ich..", stotterte ich und versuchte das miese Gefühl zu verdrängen. ,,Nein, ich merk doch, dass du dich dabei unwohl fühlst. Lass es erstmal, okay?", fragte er und lächelte mich an. Einen Moment zögerte ich, nickte dann aber und trank mit ihm den Tee aus, während er ein bisschen über seine Eltern sprach und wie oft er allein war.

Während Kiteru die leeren Tassen wegbrachte, schrieb ich Kiyoomi schnell, dass ich bei jemandem aus dem Volleyballclub übernachten würde, weil wir angeblich noch ein paar Aufstellungen besprechen würden. Seufzend schaute ich aus dem Fenster, wo es schon langsam dunkel wurde. Ich verstehe das einfach nicht. Was hat sie was ich nicht habe?

Ich spürte, wie mir der Gedanke daran die Kehle zuschnürte. Ich war fest davon überzeugt, ich hätte jemanden gefunden, bei dem es nicht nur wieder wie bei Yuuji ist. ,,Ryoko? Was ist los?", hörte ich Kiteru, der kurz darauf auf mich zukam. Die Tränen, die sich gebildet hatten, verschwimmten meine Sicht und ich sah nur noch seine Silhouette. ,,Hey.. alles okay?", fragte er. Ich schüttelte einfach nur den Kopf und fand mich kurz darauf in einer Umarmung wieder.

Unter Tränen erzählte ich ihm dann die Einzelheiten des heutigen Tages und auch dass ich wusste, dass es vielleicht nicht ganz richtig war, die beiden auszuspionieren. Kiteru hörte mir aufmerksam zu und inzwischen lagen wir in seinem Bett, während ich mich immernoch an seinen Hoodie krallte und schniefte. ,,Na komm, du solltest jetzt besser schlafen. Du siehst sehr erschöpft aus.", sagte er und strich mir über den Kopf.

Im Halbschlaf kuschelte ich mich an seinen Hoodie und schloss meine Augen. Er hatte nicht ganz Unrecht. Dieser Tag hatte sehr an meinen Kräften gezogen. Während ich langsam in den Schlaf segelte und fast schon weg war, hörte ich noch wie Kiteru begann zu sprechen. ,,Soll ich dir etwa sagen, Ryoko? Ich liebe dich."

×××

Als ich langsam meine Augen öffnete, blickte ich direkt in das Gesicht vom schlafenden Kiteru. Ich schreckte hoch und schaute mich um. Was ist gestern- Kiteru's leises Murren jagte mir fast einen Herzinfarkt ein. Allerdings drehte er sich nur auf die andere Seite und schlief friedlich weiter. Okay, ich muss hier weg.

Vorsichtig stieg ich aus dem Bett und schlich zu seinem Schreibtisch. Aus dem Wirrwarr von Zetteln zog ich einen leeren und schnappte mir einen Bleistift. Ich hinterließ eine Nachricht, dass ich ihm sehr dankbar war, aber leider nach Hause musste. Schnell verließ ich sein Zimmer, bevor er doch noch wach werden würde und zog mir im Flur meine Schuhe und Jacke an. ,,Tut mir Leid, dass ich einfach so abhaue.", flüsterte ich leise und öffnete die Haustür.

Fast schon, als wäre ich nie da gewesen, verließ ich das Haus und machte mich vom Acker. Aber letztendlich ist es doch besser so. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie peinlich das geworden wäre, wenn ich neben ihm im Bett aufgewacht wäre und er dann schon wach wäre. Besonders nach seinen Worten-

Ich blieb plötzlich mitten auf dem Gehweg stehen. Hatte ich mir das eingebildet oder ist das wirklich passiert? Hat er das wirklich gesagt? Dass er mich.. liebt? Schnaufend lief ich weiter und vergrub meine Hände in meinen Taschen. ,,Scheiße.", zischte ich und schaute dann in den Himmel. Die Sonne ging gerade auf, woraus ich schloss, dass es noch relativ früh sein müsste. Natürlich war ich faul genug, keinen Blick auf mein Handy zu werfen.

Mein Magen knurrte und angepisst starrte ich den Boden an. Ich verdrängte in dem Moment ein paar Erinnerungen und lief einfach weiter. Immer in Bewegung bleiben, nicht stehen bleiben und nachdenken. Ich beschloss, mich auf den Weg zum Bäcker zu machen, sodass ich dort vielleicht ein oder zwei Brötchen kaufen konnte.

Nicht mehr weit von meinem Ziel entfernt, kamen mir Kinoshita und Narita entgegen. Fast schon erleichtert schaute ich sie an, während ich meinen Plan änderte. ,,Guten Morgen, ihr zwei.", sagte ich und zwängte mir vorerst ein Lächeln auf. Mir war leider immernoch nicht danach, ehrlich zu lächeln. ,,Guten Morgen.", grüßten die beiden im Einklang. Kinoshita hielt eine Tüte, wahrscheinlich voller Brötchen und anderen Gebäcken, in der Hand.

,,Ihr habt doch sicher nichts dagegen, wenn ich mit euch frühstücke, oder?", fragte ich. ,,Ehm..", machte Narita und schaute seinen Kumpel fragend an. ,,Nein, wir haben nicht dagegen. Du kannst gerne mit uns frühstücken.", lächelte Kinoshita daraufhin. Und somit habe ich mir ein kostenloses Frühstück reserviert. Die perfekte Ablenkung.

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Okay, diesmal ist tatsächlich alles nach Plan verlaufen.

Naja... außer der Tatsache, dass ich jetzt sogar auf Pinterest von Kuroo's Limo-Werbung vollgespamt werde.

Kageyama X OC || Der Blitz des SpielfeldesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt