35: den Schuldigen finden

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"Alle erstmal gewohnt entspannt einlaufen", hallte die Stimme von Filip durch die Halle, während sich der Trainer erschöpft auf die Bank am Seitenrand niederließ und sich seufzend durch die Haare fuhr. Was hatte er angestellt? Bei seinem Co Trainer platzte nun die Neugier: "Was zur Hölle ist bitte vorgefallen, dass Steffen gekündigt hat?", wollte er Filip ausquetschen. Doch Filip war jetzt einfach nicht in der Lage darüber sprechen zu können, was sich vor wenigen Minuten in seinem Büro abgespielt hatte. Er fühlte sich so fertig als hätte er einen Marathon hinter sich. Diese Auseinandersetzung war in jederleih hinsicht für Filip total anstrengend gewesen - körperlich aber auch vor allem seelisch. Immer wieder hörte er den Franken sagen: "Ich habe keine Lust mehr auf diese ganze Scheiße: Ich kündige." Hatte er soeben nicht nur Aneta verloren, sondern auch Steffen? Schaffte er es wirklich, alle Menschen, die ihm wichtig sind, von sich zu stoßen, dass niemand mehr bei ihm sein wollte? Was machte er falsch? Wer würde als nächstes folgen? Vermutlich nimmt Aneta, wenn es wirklich so kommen wird, die Kinder zu sich, weil er als Trainer einfach nicht die Zeit hat, sich um die beiden zu kümmern. Sein Vater wird eh kein einziges Wort mehr mit ihm reden, wenn er die Wahrheit über ihn erfahren würde und dass würde er zwangsläufig im Falle einer Scheidung. Wenn er so weitermacht, würde er hier bald vollkommen alleine stehen. Sprengi hatte mittlerweile aufgegeben, mit Filip ein Gespräch zu führen, denn dieser war vollkommen in Gedanken und hörte seinem Co Trainer gar nicht zu.

Also stand Sprengi von der Bank auf, lehnte sich an die Wand und beobachtete die Mannschaft, wie diese Runde um Runde lief. Doch auch wenn es wohl vom ersten Anblick so aussah, als würde hier eine normale Trainingseinheit abgehalten werden wie jeden Tag. Es fühlte sich einfach alles anders an. Es fühlte sich nicht richtig an. Alle waren irgendwie in ihren Gedanken und dachten über das Geschehene nach. Alle hallten die Stimme von Steffen in den Ohren: "Ich kündige." Harald fragte sich, wie er bitte die ganze Saison heil überstehen möchte, wenn er der Einzige auf der Halbrechten Position ist. Natürlich konnte auch Sven auf Halbrechts spielen, aber war der Nachwuchsspieler schon bereit eine so große Verantwortung zu tragen? Natürlich konnte Pavel für ihn in der Abwehr stehen und ihm wenigstens etwas Luft zum Atmen geben, aber Harald hatte Respekt vor der Verantwortung, die auf ihn zukommen würde, wenn Steffen wirklich nicht mehr wiederkommen würde. Bestimmt würde der THW sich zwar nach Ersatz umsehen, aber bis dieser gefunden und einsatzbereit ist musste er alles alleine auf seinen Schultern tragen.

Weiter hinten lief Dule seine Bahnen und hatte das Geschehene noch nicht wirklich realisiert. Es fühlte sich alles an wie ein falscher Film. "Ich kündige", verfolgte auch ihn die Stimme von Steffen. Tiefe Schuldgefühle brannten in seiner Brust. Er hatte als Kapitän versagt. Er war dafür zuständig, dass alles innerhalb der Mannschaft nach Plan lief, dass er keine Konfilkte gab. Doch er hatte zu spät gemerkt, dass Steffen seine Hilfe gebraucht hätte. Wieso war er nie auf den Franken zugegangen? Er hatte zwar gemerkt, dass bei Steffen zur Zeit nicht alles nach Plan lief, doch nie hatte er zu ihm das Gespräch gesucht. Er hatte versagt. Dule gab sich die Schuld daran, dass alles eskaliert ist und Steffen ist nun weg. Er wusste nur eins, dass es seine Aufgabe nun war, wieder alles auf die richtige Bahn zu lenken. Er musste Steffen wieder herholen, auf welche Weise auch immer.

Auch die anderen machten sich Gedanken, aus welchem Grund nun Steffen die Kündigung hingelegt hatte. Natürlich hatten alle mittlerweile von dem nächtlichen Ausflug von den dreien mitbekommen, was nur noch für mehr Verwirrung unter den Spielern führte. In Niko hatte sich mittlerweile eine große Flutwelle an Wut auf Filip angestaut. Wie konnte er zulassen, dass so etwas geschieht? Wieso hatte er kein bisschen Verständnis für Steffen gezeigt? Er war nicht gerade unschuldig daran, dass Steffen diesen Weg gewählt hatte. Anderenseits machte er sich selbst Vorwürfe. Wieso war er auf die bekloppte Idee gekommen, eine Schwulenbar zu besuchen? Gestern Abend hielt er es für den genialsten Einfall aller Zeiten. Jetzt fragte er sich, wieso er nicht daran gedacht hatte, welche Auswirkung das alles für Steffen, sie und die Mannschaft haben könnte.

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