51: Kleiner Sturzpilot

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Filip:

Es war mitten im Training, als auf einmal mein Handy klingelte. Normalerweise würde ich es im Training nicht wagen ans Telefon zu gehen, doch mein Bauchgefühl sagte mir, dass irgendwas nicht in Ordnung war. Also gab ich Sprengi ein Zeichen, dass er das Training kurz weiter übernehmen sollte und zog etwas abseits mein Handy aus der Hosentasche. Eine unbekannte Nummer wurde auf dem Display angezeigt. Einen Moment überlegte ich ob ich doch nicht rangehen sollte, doch dann hatte ich mich zum Glück doch entschieden anzurufen. Es war das Sekretariat von Matejs Schule am anderen Ende der Leitung. Ich wusste sofort, dass es kein gutes Zeichen war, wenn die Schule sich unter der Schulzeit meldete. Die Dame, deren Name ich leider nicht verstanden hatte, teilte mir mit, dass Matej im Sportunterricht einen Unfall hatte und nun auf dem Weg ins Krankenhaus sei. Sofort wurde ich kreidebleich. Beinahe wäre mir das Handy direkt aus der Hand geflogen. Erneut wurde ich von den unterschiedlichsten Horrorszenarien heimgesucht. Ich sagte der Frau, dass ich mich sofort auf dem Weg mache und legte sofort wieder auf. Ich musste schrecklich ausgesehen haben, als ich zu den anderen zurückkehrte. Sprengi warf mir sofort einen entsetzenden Blick zu. „Matej ... Unfall ... ehm ich muss leider gehen", schaffte ich es nicht einmal mehr klare Sätze zu formulieren. Natürlich hatten sofort alle Verständnis und ich konnte auf dem direkten Weg die Halle verlassen. Meine Sachen ließ ich einfach in der Halle liegen.

Auf dem Weg zum Klinik hatte ich dann ganze fünfmal versucht, Aneta zu erreichen, um sie über Matejs Unfall zu informieren, doch sie war kein einziges Mal rangegangen. Also war ich nun wieder auf mich alleine gestellt. Mein Herz schlug wie verrückt, während mich diese Ungewissheit fertig machte. Die Minuten bis ich das Klinikum am Ende der Straße entdecken konnte, zogen sich wie Kaugummi unendlich in die Länge.

Nun hatte ich so eben mein Wagen auf dem Parkplatz des Krankenhauses abgestellt und eilte auf den Eingang der Notaufnahme zu. Als ich diese betrat wurden mir erstmal entsetzte Blicke zugeworfen. Im ersten Moment fragte ich mich wie schrecklich ich wohl aussehen müsste, doch als eine Rettungssanitäterin, die an mir vorbeilief, mich fragte, ob ich bitte eine Maske aufsetzen konnte, wusste ich wieso mich alle so entsetzt angeschaut haben. Schnell griff ich in meine Hosentasche und zog eine der THW Kiel Masken hervor. Orientierungslos schaute ich mich um. Dann entdeckte ich so etwas wie eine Anmeldung, hinter welcher eine junge Dame kam. „Filip Jicha, mein Sohn Matej müsste hier eingeliefert worden sein", sprudelte es aus mir heraus. Die Frau schien zum Glück schon öfters aufgebrachte Eltern erlebt zu haben und warf sofort einen Blick auf ihren PC. „Ja der Sportunfall – warte ich bringe Sie zu ihrem Sohn", ließ ihre ruhige Stimme mich erleichtert aufatmen. Sie führte mich den Gang entlang, auf welchem uns immer wieder hektisch irgendwelche Ärzte und Pfleger entgegenkamen. Überall saßen auf dem Gang irgendwelche Patienten herum, die darauf warteten endlich aufgerufen zu werden. Es schien die Hölle los zu sein. Erneut zog ich den Hut von allen Mitarbeitern des Gesundheitswesens, die diesem Stress standhielten. Beinahe wäre ich gegen die junge Dame gelaufen, die auf einmal stehengeblieben war und gegen eine Tür klopfte. „Ja", vernahm man eine tiefe Stimme, bevor im selben Moment, eine mir irgendwoher bekannt vorkommende Person die Tür öffnete. „Herr Papke, Dr. Reichert der Vater von Matej wäre jetzt hier", wand sich die Dame an die Person, dieser nickte und deutete mir an, dass ich reinkommen konnte.

Ich nickte der Person mit ihren dunkeln Haaren und grünen stechenden Augen, die mir irgendwoher vertraut waren zu und betrat das Behandlungszimmer. Sofort sah ich meinen Sohn. Er saß ihn seinem Messi Barcelona Trikot in Sportklamotten auf der Behandlungsliege, während der Arzt neben ihm sich besorgt über eine stark blutende Platzwunde beugte. „Oh Gott Matej, was hast du denn bitte angestellt", besorgt lief ich auf meinen Sohn zu und drückte sofort mitfühlend seine Hand. „Hey Papa", grinste mich mein Sohn an. Ich hätte mit allem erwartet, aber nicht damit, dass mein Sohn die Sache irgendwie lustig finden würde. „Sie sind der Vater von unserem kleinen Sturzpilot hier?", der Arzt um die 50 schaute zu mir auf und ich nickte, während ich Matej besorgt über die Wange fuhr. „Wir versuchen gerade die starke Blutung zu stoppen, die zum Glück dabei ist nachzulassen, anschließend würde ich die Wunde säubern und ihn dann anschließend nähen. Dann können Sie ihren Sohn wieder nach Hause nehmen. Er sollte sich die nächsten Tage auf jeden Fall ausruhen und hat vorerst absolutes Sportverbot. In einer Woche würde ich ihn dann nochmal sehen wollen und die Fäden ziehen. Da würde ich dann auch nochmal ein CT machen, um schwerwiegende Verletzungen auszuschließen", klärte er mich über das weitere vorgehen auf. Ich nickte und atmete erstmal erleichtert auf, dass es doch nicht ganz so schlimm war wie im ersten Moment vermutet. „Gut dann sehen wir uns Little Messi in einer Woche wieder – du meidest bis dahin irgendwelche Kästen und Herr Papke kümmert sich jetzt um die Versorgung deiner Wunde", wand sich der ältere Mann im Kittel an meinen Sohn und hielt diesem die Faust hin gegen welche Matej lachend seine Faust boxte. Dann wand sich der Arzt nochmal an mich ob ich noch irgendwelche Fragen hätte. Da ich dies verneinte, verabschiedete er sich anschließend auch von mir und verließ das Behandlungszimmer.

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