13: Ausgesprochen

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Am Ufer hatte sich eine Menschenmenge um Victor gebildete und alle redeten wild durcheinander und diskutierten darüber, ob das Team von Sander den Wettkampf gewonnen hatte. Doch eine Person hielt sich aus dem ganzen Konflikt raus. Steffen hatte sich schweigend an den Steg gesetzt und ließ seine Füße ins Wasser hängen. Unterdessen zerbrach er sich den Kopf darüber, was er Niko angetan hatte, dass er in letzter Zeit nicht so gut auf ihn zu sprechen war. Wieso musste er ihn immer verletzten? Und wieso ließ er es überhaupt zu, dass Niko ihn so fertig machte? Was hatte er dem Österreicher getan? War er gerade dabei einen weiteren Freund zu verlieren? Dann musste er wieder daran denken, was einst zwischen ihnen gewesen ist. Er war ihm in den letzten Jahren so sehr ans Herz gewachsen. Vom Nikos ersten Tag hier in Kiel an, war er ihm sympathisch gewesen. Im Laufe der Jahre hatte er sich irgendwie zu seinem kleinen Bruder entwickelt. Auch wenn sie so viele Jahre trennten, hatten sie so viele Gemeinsamkeiten. Sie hatten zahlreiche Abende damit verbracht, einfach miteinander über ihre Probleme zu reden. Noch nie zuvor war es Steffen so leicht gewesen, mit einer Person über derart private Angelegenheiten zu reden. Es war immer so einfach gewesen mit Niko zu reden. Er war der beste Zuhörer, den man sich wünschen konnte. Nicht selten hatte Steffen mit dem Gedanken gespielt, ihm sein größstes Geheimnis anzuvertrauen. Doch jedes Mal hatte er doch einen Rückzug gemacht.

Jetzt war er froh, dass er es ihm nicht gesagt hatte. Wer weiß, ob Niko es nicht bereits in der Welt herumposaunt hätte. Auch wenn Steffen sich schlecht fühlte, gerade so über Niko herzuziehen, hatte sich der Österreicher es einfach nicht anders verdient. Er hatte mit der ganzen scheiße angefangen, ohne das Steffen überhaupt eine Ahnung hatte, was Nikos Problem war. Wenn er es könnte, würde er am liebsten die Zeit zurückdrehen und an den Zeitpunkt zurückkehren, an welchem zwischen ihnen noch alles in Ordnung gewesen ist. Steffen hatte keine Ahnung, was in der Sommerpause geschehen war, dass Niko sich nun wie ein Arsch verhielt und seine Wut immer ausgerechnet an ihm auslassen musste. Er hörte Schritte hinter sich und ohne sich überhaupt umzudrehen, fauchte er: "Niko lass mich in Ruhe!" Doch die Person, die sich ihm näherte war nicht Niko. Erst als eine vertraute Hand seine Schulter berührte und diese warme Stimme flüsterte: "Ich bin nicht Niko", wusste Steffen, wer soeben zu ihm gekommen war. Er spürte wie sein gesamter Körper versteifte, während Filips Hand auf seiner Schulter ruhte. Sein Herz begann wie verrückt gegen seinen Brustkorb zu hämmern und Steffen hoffte einfach, dass Filip von all dem nichts mitbekommen würde. Dass es Filip nicht anders ging, ahnte Steffen nicht. "Darf ich?", fragte er vorsichtig und zeigte auf den freien Platz neben Steffen. Wortlos zuckte Steffen mit den Schultern. Seine Kehle war wie zugeschnürrt. Er schaffte es einfach nicht in Filips Nähe ein Wort herauszubekommen und dafür hasste er sich so sehr. Wieso konnte nicht einfach wieder alles wie früher sein?

Als Filip die Hand von Steffens Schulter nahm und sich neben diesen an den Steg setzte, breitete sich in Steffens Bauch eine gewisse Erleichterung, aber auch eine winzige Enttäuschung aus, denn er hatte das Gefühl genossen, von ihm wieder berührt zu werden. Doch Steffen wusste auch, dass es so besser war und er sich nicht wieder von seinem Herz leiten lassen durfte. Er musste gegen diese verdammten Gefühle ankämpfen. "Wir haben übrigens gewonnen", versuchte Filip ein Gesprächsthema zwischen den beiden aufzubauen. Steffen nickte daraufhin nur gedankenverloren. "Aber das ist nicht das was dich beschäftig, oder?", fragte Filip vorsichtig und Steffen machte es Angst, dass Filip ihn immer noch so gut lesen konnte. "Sollten wir nicht wieder zu den anderen gehen?", versuchte Steffen dem Gespräch zu entfliehen und wollte bereits aufstehen, als Filip seinen Arm zu greifen bekam. Sofort durchfuhr Steffens Körper ein starkes Kribbeln, welches er seit Jahren nicht mehr gespürt hatte. Für einen winzigen Moment trafen sich ihre Blicke, doch Steffen drehte sich schnell wieder weg. Währenddessen stieg in Filip die reinste Verzweiflung aus. Wie würde er es jemals wieder schaffen an Steffen heranzukommen? Er war so distanziert. Was hatte er bloß angestellt? Unschlüssig biss er sich auf die Lippen. "Steffen!" Da war sie wieder die Stimme, die Steffen so sehr vermisst hatte. Die Art und Weise wie er seinen Namen aussprach. So schön wie kein anderer.

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