76: Es ist noch nicht zu spät für ein Happy End

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- Manchmal ist die richtige Person eigentlich schon da, aber aus Angst wieder enttäuscht zu werden schweigt man und traut sich nichts zu sagen. -

Draußen war es bereits dunkel, doch Filip saß noch immer im Trainingszentrum in seinem Büro und arbeitete an den Spielanalysen für das anstehende wichtige Spiel auswärts in Wetzlar. Nach den zwei Tagen Auszeit, in welchen er kurz einen Abstecher nach Tschechien in die Heimat gemacht hatte, hatte ihn nun der Berufsalltag wieder eingeholt. Es klopfte an die Bürotür und kurz darauf steckte Sprengi seinen Kopf nochmal zur Tür herein. "Ich bin dann mal weg", verabschiedete sich sein Assistent in den wohlverdienten Feierabend nach Hause. "Schönen Abend noch", wünschte ihm der Tschechen und wand sich dem alten Spiel wieder zu, welches so eben auf seinem Bildschirm lief. Sprengi, der hingegen immer noch am Türrahmen lehnte und seinen Freund skeptisch musterte, hatte schon den ganzen Abend irgendwie das Gefühl, dass irgendwas heute anders war. Und hatte bereits die leise Vorahnung, dass es sich dabei nur um eine Person handeln konnte. Den ganzen Abend über hatte sich Sprengi nicht getraut den Tschechen darauf anzusprechen, doch jetzt versetzte ihn dieser Anblick einfach einen Stich ins Herz. Aus diesem Grund räusperte er sich, damit der Tscheche, der so vertieft in die Videoanalyse war, wieder auf seine noch Anwesenheit aufmerksam wurde. Verwirrt schaute Filip von seinem Bildschirm auf und schaute in Richtung Tür, wo Sprengi noch immer am Türrahmen lehnte. "Wolltest du nich nach Hause gehen?", fragte dieser seinen Co Trainer verwirrt. "Ja schon. Aber willst du nicht auch mal nach Hause fahren?", schlug dieser dem Tschechen vor, sich auch mal Feierabend zu gönnen, schließlich hatten sie bereits über 3 Stunden Videomaterial angesehen und auch Filip fielen bereits fast die Augen zu.

"Ich mach auch bald Schluss", meinte dieser und aus seiner Kehle kam ein tiefes Seufzen, denn er wollte irgendwie an diesem Abend nicht nach Hause zu seiner Wohnung fahren. Zwar war es der letzte Abend, an welchem Steffen noch bei ihm wohnen würde. Doch irgendwie wollte der Tscheche nicht in seine eigenen vier Wänden zurückkehren. Er wollte nicht das Steffen wieder auszog. Doch ihm dies zu sagen, traute sich der Tscheche auch nicht. Er wusste, dass es besser war, wenn Steffen wieder in seine eigene Wohnung gehen würde und sie wieder auf professionelle Distanz gingen. Es war einfach besser so. Sie hatten sich in den letzten Wochen bereits wieder zu häufig Auszeiten von der professionellen Distanz gegönnt. Auch wenn sich sein Herz nach Steffens Nähe sehnte, wusste er, dass es besser war. Es würde sich nichts an der Tatsache ändern, dass er Steffens Trainer ist. "Es ist wegen Steffen, oder", riss ihn schließlich die Stimme des ehemaligen Rechts Außen aus den Gedanken, der sich nun von seinem Platz an der Tür wegbewegt hatte und sich dem Tschechen gegenüber setzte. Stumm nickte der Tscheche und fuhr sich erschöpft durchs Haar. Die lange Autofahrt, die abendliche Trainingseinheit und die stundenlangen Videoanalysen hatten ihre Spuren hinterlassen und sein innerliches Gefühlschaos trugen nicht gerade dazu bei, dass sich Filips Körper mal eine Auszeit gönnte. Er spürte den abwartenden Blick auf sich, weswegen sich Filip seufzend dazu entschied, nun doch seinem ehemaligen Mannschaftskollegen Einblick in seine Gedankenwelt zu gewährleisten.

"Steffen kann morgen wieder zurück in seine Wohnung und irgendwie will ich nicht nach Hause fahren, weil mir dann nur noch mehr bewusst wird, dass die gemeinsame Zeit morgen vorbei sein wird", gestand der Tscheche, dass ihn der bevorstehende Auszug von Steffen, dann doch mehr mitnahm, als er es zugeben wollte. "Ich will irgendwie nicht, dass er geht", fügte Filip hinzu. "Und wieso sitzst du dann hier, schaust dir irgendwelche Videoanalysen an und fährst nicht nach Hause zu Steffen und sagst ihm, dass du nicht willst, dass er geht?", entgegnete Sprengi daraufhin und zog dabei eine Augenbraue abwartend nach oben, sodass Filip sich kurz ein Lachen verkneifen musste. "Sprengi du weißst auch, dass das nicht geht. Ich bin sein Trainer ... wir... das mit uns kann einfach nicht funktionieren...", versuchte Filip irgendwelche Gründe zu finden, weshalb er noch nicht in sein Wagen gestiegen war. "Jetzt hör doch auf damit, Filip. Du weißst auch, dass niemand von uns ein Problem damit hätte. Mittlerweile sieht doch das jeder Blinde, dass ihr beide es wollt. Aber ihr seid einfach beide zu feige, dem anderen endlich zu sagen, was ihr füreinander empfindet. Filip, du hast ihn bereits einmal gehen lassen: Willst du dir nochmal vorwerfen, ihn gehen gelassen zu haben?", sprudelte es eindrücklich aus Sprengi heraus. Normalerweise war es immer andersherum und Filip gab ihm irgendwelche Ratschläge. Doch jetzt war es mal an der Zeit gewesen, Filip mal einen Arschtritt zu verpassen. Sprengi hoffte einfach, dass diese Worte nun Wirkung zeigen würde. "Nein natürlich will ich ihn nicht wieder gehen lassen, aber...", stammelte Filip vollkommen aus dem Konzept. "Und wieso sitzt du dann noch hier?", fragte Sprengi. Auf einmal wurde Filip bewusst, dass es seine Chance war. Er wollte Steffen nicht gehen lassen, ohne ihm endlich gesagt zu haben, was er für ihn empfand. Doch er war einfach zu feige, endlich dieses Thema nochmal ansprechen zu wollen. Wie damals vor fünf Jahren. Immer wenn es ernst wurde, machte er einen Rückzieher. Immer wenn es darum ging, Steffen seine Gefühle zu gestehen, machte er einen Rückzieher und stieß den Franken von sich. Sprengi hatte Recht. Wenn er nicht wollte, dass Steffen geht, sollte er seinen Arsch nun nach Hause bewegen und Steffen endlich die Worte sagen, auf die der Franke bereits solange wartete.

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