Filip:
Ungeduldig lehnte ich am Türrahmen und wartete darauf, dass Steffen endlich seine Kopfhörer gefunden hatte, sodass wir endlich los zur Halle fahren konnten. Genervt warf ich einen Blick auf meine Armbandduhr. Ich setzte die Abfahrtszeit zum Spiel oder Training mittlerweile schon aus Prinzip fünf Minuten früher an, sodass wir es dann mit Steffens üblichen fünf Minuten Verspätung pünktlich schafften losfahren zu können. Er hatte noch genau eine Minute, dann mussten wir wirklich los. Gerade kam er wieder aus dem Wohnzimmer in den Flur gehetzt. Erleichtert sah ich, dass er seine Kopfhörer mittlerweile gefunden hatte und nun begann seine Schuhe anzuziehen und sich eine Winterjacke überzuwerfen. Er wollte bereits an mir vorbei aus der Türe stürmen, als ich ihn am Handgelenk festhielt. "Was?", fragte er mich leicht genervt. "Hast du nicht etwas vergessen?", erinnerte ich ihn schmunzelnd daran, dass er vor lauter Stress, seine Tasche im Flur stehen gelassen hatte. Genervt verdrehte er die Augen und lief mit dem Kommentar: "Wenn du mich nicht immer so unter Druck setzen würdest", an mir vorbei aus der Wohnung ins Treppenhaus. Lachend schüttelte ich den Kopf. Es war gefühlt jedes Mal dieselbe Diskussion. Ich folgte ihm die Treppe nach unten zu meinem Wagen. Erleichtert, dass wir es mal pünktlich schafften loszufahren, startete ich den Motor und parkte aus.
Steffen hatte sich unterdessen seine Kopfhörer aufgesetzt, schließlich brauchte er vor dem Spiel immer seine Ruhe. Ich ließ mich die Fahrt über vom Radio berieseln. Jedoch konnte ich dem Drang nicht wiederstehen immer wieder ein verträumtes Lächeln in Steffens Richtung zu werfen, der seinen Kopf an die Fensterscheibe gelehnt hatte und gedankenverloren in die Leere starrte. Es fühlte sich alles irgendwie noch wie ein Traum an. Seit zwei Tagen waren Steffen und ich nun offiziell zusammen. Die Reaktion auf die Bekanntgabe unserer Liebesbeziehung war erstaunlicherweise gut aufgenommen worden. Wir hatten überwiegend positive Rückmeldung erhalten. Natürlich war auch der ein oder andere nicht so schöne Kommentar dabei gewesen, doch diese hatte ich mir erst gar nicht weiter durchgelesen. Diese Ansichten würde es immer geben. Mit diesen Kommentaren mussten wir immer rechnen. Dafür war die Welt leider immer noch nicht aufgeklärt genug um zu akzeptieren, dass gleichgeschelchtliche Beziehung was ganz natürliches waren. Manche Menschen wollen das einfach nicht akzeptieren. Trotzdem war ich erleichtert, dass die Beziehung zwischen einem Trainer und einem Spieler so gut angenommen wurde. Ich hätte mit allem gerechnet, aber nicht mit diesem überwiegend positiven Feedback. Vor allem von vielen anderen Vereinen und Sportler hatten wir besonders liebe Kommentare erhalten, dass sie es schön finden, dass wir uns getraut haben diesen Schritt zu machen und wir als Vorbild für viele andere sein könnten, denen es ähnlich geht, die sich jedoch nicht trauen, zu ihrem wahren Ich zu stehen. In diesem Moment sieht man wieder, wieso wir diesen Sport so sehr liebten. Die Handballgemeinschaft hielt irgendwie immer zusammen.
Trotzdem verspürte ich vor dem ersten Spiel seit unserem Outing eine gewisse Anspannung. Zum ersten Mal war ich etwas erleichtert, dass die Halle heute leer sein würde. Eine gewisse Angst, dass man ausgepfiffen werden würde, sobald man die Halle betrat, bestand irgendwie immer noch. Vielleicht hatten wir beide auch noch nicht begriffen, dass wir nun nichts mehr zu befürchten hatten. Ganz trauten wir beide der Sache noch nicht über den Weg. Man hatte immer noch das Gefühl, dass es doch noch irgendwann eine böse Überraschung geben würde. Aus diesem Grund spürte ich vor dem heutigen Spiel einen besonders starken Druck, dass wir heute eine gute Leistung zeigen mussten. Sowohl ich als auch Steffen würden heute von allen besonders unter die Lupe genommen werden. Heute würden alle Augen auf uns gerichtet werden. Heute würden wir Gesprächsthema Nummer eins sein. Doch dieser Herausforderung mussten wir uns wohl stellen. Doch ich war zuversichtlich, dass wir zusammen diesen Abend hinter uns bringen würden. Einige Minuten später fuhr ich auf den Spielerparkplatz der Sparkassen Arena in Kiel vor. Vor der Halle stand bereits der Bus unserer heutigen Gegner. Die Eulen aus Ludwigshafen. Eine Mannschaft die trotz geringer finanziellen Mittel es geschafft hatte mit Kampf und Teamgeist bereits die vierte Saison in Folge in der stärksten Liga der Welt spielen zu dürfen. Für sie war es ein Privileg auswärts beim großen THW Kiel auflaufen zu dürfen. Aus diesem Grund waren sie ein gefährlicher Gegener den wir nicht unterschätzen durften, auch wenn sie in ihrer individuellen Stärke uns deutlich unterlegen waren. Trotzdem hatten sie heute nichts zu verlieren und dies konnte in einer Mannschaft Kräfte freisetzen, dass sie über ihrem Niveau spielen könnten. Doch davor hatte ich meine Spieler mehrfach gewarnt. Wir durften uns einfach nicht aus dem Konzept bringen lassen. Wir dürfen nicht die Nerven verlieren, auch wenn sie ihre Angriff so lange wie möglich in die Länge ziehen werden, um das Spiel zu verschleppen. Wir mussten in unsere Sträken vertrauen. Eine gut bewegliche Abwehr hinstellen, die es ihnen schwer macht zu guten Wurfchancen zu kommen. Bei Ballgewinnen das Tempo hochhalten und zielstrebig in die zweite Welle gehen und die Phase, in welcher sie sich noch sortieren müssen, ausnutzen. Im Positionsangriff zielstrebig und selbstbewusst unsere Spielzüge bis zur klaren Torchance ausspielen. Dann dürfte es heute Abend nicht schwer werden, die zwei Punkte in Kiel zu behalten. Wir hatten in der Woche gut trainiert. Hatten einen Punkt im letzten Spiel gegen den ungarischen Rekordmeister geholt, der seit Jahren zu den Spitzenteams in ganz Europa zählte. Dann dürfte es für uns keine Schwierigkeit sein, heute gegen die Eulen aus Ludwigshafen ein gutes Spiel zu zeigen und die Punkte hier in Kiel zu behalten. Ich war zuversichtlich, dass dies heute ein gutes Spiel werden würde.
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Hidden Kisses
Fanfiction~Man, denkst du nicht auch manchmal auch an uns zwei? Egal, was heute ist, es war 'ne wunderschöne Zeit~ Sie hätten sich niemals so nah kommen dürfen und doch geschah es unüberlegt und aus dem Bauch heraus. Entscheidungen wurden unüberlegt getroffen...