38: Nach der Kündigung

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Unterdessen im Hause Weinhold

Steffen:

Ich hatte gekündigt - ich hatte mich von den Pflichten als Handballer befreit und vor allem hatte ich mich von Filip befreit. Ich spürte wie ich langsam wieder Platz zum Atmen hatte. Den ganzen Tag über war ich in meiner Wohnung auf der Coach rumgeflackt und hatte nicht den Zwang ins Training zu müssen. Ich konnte einfach nichts tun. Ich wusste nicht, wann ich das letzte Mal einen Tag auf dem Sofa verbracht hatte und einfach nichts getan habe. Im Fernseher trudelte nebenbei irgendeine Spielshow, während ich einfach die Ruhe genoss.

Es war ein so schönes Gefühl nicht ständig von irgendwelchen Herzattacken und Kribbelfluten überfallen zu werden. Ich hatte mir auch den Vorsatz genommen, heute vollkommen von allem Abstand zu nehmen. Mein Handy hatte ich auf den Nachttisch in meinem Schlafzimmer verband und auf stumm geschalten. Natürlich vermutete ich, dass die anderen aus der Mannschaft eine Erklärung für meine plötzliche Kündigung wollten, doch ich wollte im Moment niemanden sprechen. Diese Erfahrung musste auch Toby machen, als er von der Arbeit nach Hause gekommen war.

Rückblick - Nachmittag:

Ich hatte keine Ahnung wie lange ich bereits auf dem Sofa gelegen bin und mich einfach von irgendwelchen Fernsehrsendung berieseln hatte lassen. Ich hörte wie sich die Wohnungstür öffnete und Toby zur Tür herauskam. Als er ins Wohnzimmer kam, grüßte ich ihn und bekam erstmal einen halben Herzinfarkt, weil er nicht damit gerechnet hatte, mich anzutreffen. "Man Steffi muss du mich so erschrecken? Was machst du hier?", lautete seine Begrüßung. "Ich bin jetzt offiziell arbeitslos", verkündete ich übermäßig glücklich, denn ich war immer noch der Meinung, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Bei meinem Freund klappte erstmal die Kinnlade hinunter und er schaute mich an, als hätte er einen Geist gesehen. Nachdem er sich vom ersten Schock erholt hatte, wollte er wissen, wieso. "Weil ich es satt hatte, deshalb", lautete meine knappe Antwort. Nachdem er mehrere Male versucht hatte mehr Informationen aus mir hinauszubekommen, doch erfolglos geblieben ist, war er mit einem genervten Kommentar: "Dann schmoll halt weiter vor dich hin", auf seinem Zimmer verschwunden. Natürlich hätte ich ihm das Geschehne erklären können, doch ich wollte einfach einen Moment lang nicht an Filip, die Jungs und den Handball denken. Ich wollte einfach mal die Freiheit genießen, die mir die Kündigung gegeben hatte.

Nun saß ich noch immer vor der Klotze. Auf unserem Wohnzimmertischchen trümelten sich unzählige Flasche mit alkoholischem und nicht alkohlischem Inhalt. Wann ich das letzte Mal Nahrung zu mir genommen hatte, wusste ich, wenn ich ehrlich bin nicht. Doch ich hatte einfach keinen Hunger. Generell hatte mich eine Motivationslosigkeit überfallen, die dafür sorgte, dass ich außer, um mir was frisches zu trinken zu holen, beziehungsweise einen Abstecher Richtung Toilette zu nehmen, das Sofa nicht verlassen hatte. Es war kurz vor 21 Uhr, als Toby wieder aus seinem Zimmer kam und mir einfach die Fernbedienung aus der Hand riss und mir den Fernseher ausschaltete. "Hey spinnst du", fuhr ich ihn an und versuchte ihm die Fernbedienung abzunehmen. "Ich mache das hier nicht, weil ich dich ärgern will, sondern weil ich mir verdammt nochmal Sorgen um dich mache. Du schaust so gut wie nie Fernseher, weil du es für Zeitverschwendung hälst. Und jetzt sitzt du seit ich gekommen bin vor der Klotze und hast nicht mal was gegessen. Also: Was ist los?", er ließ sich neben mich auf das Sofa fallen. Da ich aber keine Lust zum reden hatte, versuchte ich ihm die Fernbedienung wieder abzunehmen. Jedoch erfolglos. "Man Toby du bist so ein Spielverderber", fuhr ich ihn genervt an. "Irgendwann wirst du mir dankbar sein", entgegnete dieser und zog auffordernd die Augenbraue nach oben. "Ich hab keine Lust zu reden, kapiert?", fuhr ich ihn an. "Ich will nur wissen, wieso du gekündigt hast und jetzt wie so ein Harzt Vier Empfänger auf der Coach rumgammelst", gab Toby dieses Mal nicht auf. "Sag du es mir: Du bist doch der Psychologe", entgegnete ich pampig. Doch Toby ließ weiterhin nicht locker, bis ich schließlich eben was von mir gab. "Ich hab es einfach nicht mehr mit Filip ausgehalten, zufrieden", fauchte ich. "Und dafür gibst du deine größte Leidenschaft auf: Der Steffen, den ich kenne, hat sich von niemanden die Freude am Handball vermiesen lassen: Erinnerst du dich, noch an den einen Jugend Trainer, der dich total nicht leiden konnte und dir immer gesagt hat, du wirst es nie schaffen. Du hast dich davon nicht runterziehen lassen und hast weiter für dein Ziel gekämpft und jetzt spielst du bei einem der besten Handballvereinen in der Welt, konntest dein Hobby zum Beruf machen und das gibst du auf wegen so eine dummen Liebesgeschichte aus der Vergangenheit. Der Steffen von damals, hätte ausgeblendet, dass da jetzt ein gewisser Filip Jicha an der Seitenlinie steht und hätte sein Ding weitergemacht und sich nicht lustlos aufs Sofa verbannen lassen", hielt Toby seiner typischen Motivationsreden.

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