10: Trainingslager

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Steffen:

"Ole, Ole, Ole, Ole: Von der Ostsee bis zur Isar immer wieder THW", schrien die Stimme der 10.000 Fans durch die Sparkassen Arena. Es war nur noch 1 Minute auf der Uhr und wir führten mit einem Tor im Derby gegen die SG Flensburg- Handewitt. Es waren nur noch wenige Sekunden, um das Ergebnis nach Hause zu bringen. Zwei wichtige Punkte im Kampf um die Meisterschaft einzufahren. Fokussiert beobachtete ich unsere gegnerischen Spieler, die den Ball durch die Mannschaft wandern ließen. "Dicht machen", hörte ich Bammbamm neben mir hören. Sogard, der mir gegenüberstand trat gegen mich im Eins gegen Eins an, doch ich schaffte es ihn fest zu machen. Freiwurf. Zufrieden reckte ich die Faust in die Luft. Der Blick lag auf der Anzeigetafel. Noch dreißig Sekunden. "Wir schaffen das", sprach ich meinen Nebenleuten Mut zu. Wir verschoben gut, schafften es immer im richtigen Moment, den richtigen Schritt mitzugehen, sodass die Flensburger es nicht schafften, eine Lücke zu finden. Erneut wurde Freiwurf gepfiffen. Es standen nur noch zehn Sekunden auf der Uhr. Der Schiedsrichter zeigte an, dass sie nur noch einen Pass zur Verfügung hatte. Wir stellten uns alle zum Block auf. Es würde nur noch diese eine Aktion sein. Wir durften dieses Tor nicht kassieren. Wir mussten uns für dieses umkämpfte Spiel belohnen. Kurz warf ich einen Blick auf die Auswechselbank. Filip stand am Spielfeldrand. Aufmunternd klatschte er in die Hände. Ich stellte mich in den Block und wartete bis der Schiedsrichter den Wurf frei gab. Dann sprang ich nach oben in der Hoffnung den Ball abblocken zu können. Alles ging so schnell, dass ich als ich auf dem Boden aufkam, nur dadurch das die Halle kreischend in Jubel ausbrauch, realisierte, dass wir es tatsächlich geschafft hatten. Niklas hielt stolz den Ball in seiner Hand, woraufhin ihm alle jubelnd um den Hals fielen. Wir hüpften wie kleine Kinder im Kreis und feierten diesen wichtigen Sieg. Es fühlte sich unbeschreiblich an. Die Halle sang "Schwarz und Weiss", während ich mit der Sonne um die Wette strahlte. Ein besseres Ende hätte das Spiel nicht nehmen können. "Derbysieger", stiegen wir in die Gesänge der Fans mit ein, während wir uns alle überglücklich und vollkommen außer Atem in den Armen lagen. Ich hatte mich gerade von Rune gelöst und wollte gerade erleichtert durchatmen und den Moment genießen, als ich ihn auf mich zu kommen sah. Automatisch bildete sich dieses Lächeln auf meinen Lippen, während mein Herz schneller zu schlagen begann. Ich erwartete, dass er mich einfach genauso wie alle anderen in den Arm nehmen würde, doch dann wanderten seine Hände an meine Hüfte und er zog mich vorsichtig näher zu sich. Ich war wie gelähmt, während in meinem Körper alles verrückt spielte. Es fühlte sich so unwirklich so surreal an. Wie lange war ich ihm nicht mehr so nahe gewesen. Ich schaute ihm direkt in seine wunderschönen blauen Augen und ich spürte diese Zielstrebigkeit in seinem Blick, während er meine Lippen anvisierte. Ich flehte, dass er mich endlich erlösen wurde. Seine Lippen näherten sich immer näher meinen. Ich konnte sie bereits auf meinen Lippen spüren.... doch dann spürte ich wie mich jemand energisch rüttelte und meinen Namen rief"

"Steffen", hallte die Stimme in meinem Ohr. Erschrocken zuckte ich zusammen und riss die Augen auf. Ich schaute nicht in die Augen von Filip. Über mich gebeugt stand mein bester Freund und Mitbewohner Toby. "Wir haben verschlafen! Du musst aufstehen, wenn du die Abfahrt zum Trainingslager nicht verpassen willst", schrie er panisch. Ich war noch so vollkommen neben der Spur, dass seine Worte ohne jegliche Reaktion an mir abbrallten. "Steffi? Hallo jemand zuhause! Du musst aufstehen", versuchte er es erneut mich in die Wirklichkeit zurückzuholen. Während ich so langsam realisierte, dass ich das alles soeben nur geträumt hatte und dieser brennde Schmerz sich in meiner Brust ausbreitete, warf ich wie von einem Roboter gesteuert, die Bettdecke beiseite und tapste zum Schrank. Ich zog das Outfit, welches ich mir bereits gestern zur Seite gelegt hatte, heraus und lief an Toby vorbei ins Badezimmer. "Beeil dich, ich mach dir noch schnell einen Kaffee", drängelte Toby und verschwand in der Küche. Wie eine Marinettenfigur machte ich mich fertig und trat fünf Minuten später immer noch nicht vollkommen in der Realität angekommen in den Flur, wo Toby bereits mein Gepäck abgestellt hatte. Ich bekam eine Tasse Kaffee in die Hand gedrückt, während er mich aufforderte meine Schuhe anzuziehen. "Ich lade deine Sachen schon mal ein", teilte er mir mit und verschwand im Treppenhaus. "Es war nur ein Traum", ermahnte ich mich. Ich musste wieder einen klaren Kopf bekommen. Noch immer hielt ich an dem Gefühl fest. Wie gerne würde ich seine Lippen wieder auf meinen spüren. Ich schüttete den Kaffee einfach hinunter, bevor ich meine Schuhe vom Boden aufsammelte und sie überstreifte. Prüfend kontrollierte ich meine Hosentaschen: Geldbeutel, Schlüssel, Handy! Ich hatte an alles gedacht. Dann verließ ich die Wohnung und schloss die Tür hinter mir. Unten angekommen saß Toby bereits im Auto. Ich ließ mich erschöpft neben ihn auf den Beifahrersitz fallen. Ich hatte noch nicht wirklich die Tür geschlossen, da drückte Toby bereits aufs Gas und raste davon.

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