53: Achterbahnfahrt der Gefühle

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Filip:

Seit mehr als einer Stunde hing ich nun vor meinem PC und zog mir alte Aufnahmen von den vorherigen Begegnungen zwischen dem THW Kiel und Veszprem rein, sowie andere Auftritte der Ungarn gegen andere Vereine in der bisherigen Championsleague Saison. Dabei versuchte ich mögliche Schwachstellen in ihrer Spielweise zu finden so wie als auch ihre Stärken, die wir unbedingt im Griff haben müssen, wenn wir am Ende als Sieger vom Platz gehen wollten. Ich versuchte mich zwar so gut es ging nach den heutigen Ereignissen auf meinen Beruf zu konzentrieren, doch immer schweiften meine Gedanken zu ihm. Immer wieder drang das Bild der beiden in den Vordergrund und hinterließ diese leere Stelle in meinem Herz. Ich hatte soeben ein älteres Spiel abgeschlossen und wollte bereits die nächste Aufnahme anklicken und mich systematisch durcharbeiten, da wurde ich von dem Vibrieren meines Handys aus den Gedanken gerissen.

Als ich sah, dass die Nachricht von Steffen stammte, ließ ich die Videoanalyse Videoanalyse sein und griff nach meinem Smartphone und öffnete den Mannschaftschat, in welchen Steffen geschrieben hatte.

Steffen: Schlechte Nachrichten - Schädel Hirntrauma ich falle bis nach der Nationalmannschaftspause aus, bevor ich anschließend nochmal zur Kontrolle muss😥

Miha: Ach Mensch Raffi 😔

Rune: Gute Besserung , was macht dein Schädel ?

Steffen: Was wohl ... Brummen und danke😘❤

Niko: Dann hab ich am Mittwoch ja noch mehr Gesellschaft @sander und @Raffi 😂

Dule: Gute Besserung und das sollte jetzt nicht zur Gewohnheit werden, wir brauchen nicht noch mehr Ausfälle😰

Frustriert legte ich mein Handy beiseite. Das hieß für uns, dass wir nochmehr improvisieren mussten als eh schon. Aber sich über die aktuelle Situation zu beschweren half uns auch nicht weiter. Wir mussten zusammen als Mannschaft versuchen die Ausfälle zu kompensieren. Mit Veszprem stand uns jedoch ein ordentlicher Brocken gegenüber. Wir mussten eine nahezu perfekte Leistung abrufen, wenn wir am Ende was Zählbares mitnehmen wollten. Das erschreckende jedoch war, dass mir der Ausfall von Steffen aus sportlicher Sicht nicht so hart zu setzte, als die Tatsache, dass ich ihn die nächsten Tage vorerst nicht mehr täglich im Training sehen würde. Das Loch in meinem Herz wurde bei diesem Gedanken immer größer. Ein tiefer stechender Schmerz durchfuhr meinen Körper, als mir bewusst wurde, dass er nun noch mehr Zeit bei ihm verbringen würde. Die Eifersucht begann wieder in meinem Körper zu brennen.

Um diesen bitteren Geschmack und die Gedanken von Steffen mit seinem Alex aus meinem Gedächtnis zu verbannen startete ich erneut eins der Spiele und versuchte mich so gut wie es ging darauf zu fokussieren, doch die Gedanken an Steffen ließen mich einfach nicht los. "Wieso kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?", entfuhr es mir verzweifelt. Wieso war Liebe immer so kompliziert? Auf einmal fiel mir der Link zum THW Archiv auf. Ich wusste nicht wieso, aber meine Maus klickte diesen automatisch an, bevor ich schließlich in der Saison 2014/15 landete und mir zahlreiche Bilder von dieser besonderen Saison vor den Augen herumschwirrten. Immer wieder stachen mir Bilder von Steffen und mir in die Augen. Bei einem Spiel war Steffen überglücklich nach vermutlich einem Heimsieg, soweit ich es beurteilen konnte, Huckepack aufgesprungen und hatte seine Arme um meinen Oberkörper geschlungen. Für einige Minuten starrte ich einfach nur dieses Bild an und so viele Gefühle und Erinnerungen an diese Zeit kamen wieder hoch und hinterließen einerseits ein stechenden Schmerz anderenseits war es so schön in den Erinnerungen zu schwelgen. Manchmal wünschte ich mir so sehr die Zeit zurückdrehen zu können und diese unbeschwerliche Zeit mit Steffen nochmal zu erleben. Anfangs hatte ich mir nie Sorgen darüber gemacht, dass wir vielleicht auffliegen können. Vielleicht war ich einfach zu benebelt von den Gefühlen gewesen, dass mir die Sicht für die Gefahr verloren gegangen war. Vielleicht habe ich es auch einfach genossen, endlich für jemanden Gefühle entwickelt zu haben, der diese auch erwiderte. Für mich war Steffen wie ein Seelenverwandter gewesen. Vor ihm musste ich mich nicht hinter meiner Schutzmauer verstecken. Bei ihm konnte ich einfach ich sein. Bei ihm musste ich mich nicht verstecken. Bei ihm hatte ich zum ersten Mal das Gefühl gehabt, dass diese Gefühle nicht falsch sind.

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