74: All das Ungesagte

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Müde schleppte sich Steffen die Treppe zu Filips Wohnung nach oben. Es war bereits kurz nach Mitternacht, als er den Schlüssel aus seiner Hosentasche fischte und die Wohnungstür aufsperrte. Zu seiner Verwunderung brennte das Licht im Flur noch, als er die Wohnung betrat. Er hing seine Jacke an die Garderobe und stellte seine Schuhe ins Schuhregal bevor er einen Abstecher in den Wohnessbereich machte, um nachzuschauen, weshalb Filip noch wach. Verwundert stellte er fest, dass dieser noch immer mit Aneta am Küchentisch saß. Über den ganzen Tisch waren irgendwelche Unterlagen verteilt und die beiden waren anscheinend intensiv in ein Gespräch vertieft, denn sie hatten Steffen noch nicht bemerkt.

"Du musst es ihnen sagen, Filip. Deine Eltern haben ein Recht darauf endlich die Wahrheit zu erfahren", Anetas Augen visierten ihren Gegenüber. Sie wusste wie schwer es Filip fiel, diese Worte auszusprechen, doch es war an der Zeit, dass ihre Eltern die Wahrheit erfuhren. "Ich kann das nicht: Meine Eltern werden mir nie wieder in die Augen schauen können, wenn sie das wissen", kam es sofort von Filip. Dieser war entrüstet aufgesprungen und wollte gerade anfangen durch das Wohnzimmer zu tigern, als er auf Steffen aufmerksam wurde, der am Türrahmen lehnte. Sofort fühlte sich Steffen ertappt. Er hätte nicht lauschen dürfen. Diese Sache ging ihm einfach nichts an. "Ich wollte nur kurz mitteilen, dass ich wieder da bin", wollte sich Steffen schnell aus der Affäre ziehen, während ihn das Gesprächsthema der beiden nicht losließ. Er konnte nachvollziehen, wie es Filip ging. Zu oft hatte auch er diese Angst gespürt. Die Angst für seine Eltern die reinste Enttäuschung zu sein. Wie oft hatten ihn Albträume vom Schlafen abgehalten. Wie oft hatten sich die Bilder in seinem Kopf abgespielt, wie seine Eltern ihn mit diesem verachteten Blick anschauen, als er ihnen sein wahres Ich preisgab. Mittlerweile wusste er, dass diese Ängste unberechtigt gewesen sind. Doch er wusste, dass nicht alle Eltern so reagieren auf ein Coming Out wie seine Eltern. Er hatte Glück gehabt und er wünschte sich dasselbe auch für Filip.

Dieser tigerte unterdessen weiterhin zwischen Sofa und Esstisch hin und her. Steffen wollte sich gerade umdrehen und in seinem Zimmer verschwinden, als ihm die Worte von Rune wieder einfielen. Steffen verharrte in seiner Bewegung. "Kann ich kurz was loswerden?", fragte er und spielte nervös mit seinen Fingern, denn er wusste nicht so Recht, was er ihr überhaupt sagen sollte. Doch dann hörte er Runes Stimme: "Sag ihr einfach das was dir auf dem Herzen liegt. Etwas ehrlicheres gibt es nicht." Die beiden warfen dem Franken fragende Blicke zu. "Also ich will euch auch nicht länger aufhalten, ich denke nämlich ihr habt noch genug zu besprechen, aber es gibt da noch etwas was ich auf dem Herzen hab und jetzt loswerden muss, bevor es mich noch länger verfolgt", ließ Steffen seinen Gefühlen das Wort.

"Aneta ich weiß, dass es jetzt vielleicht ein bisschen zu spät dafür ist mich für das zu entschuldigen, was damals zwischen Filip und mir vorgefallen ist, aber ich hoffe, dass du mir vielleicht irgendwann verzeihen kannst, was ich dir und vor allem eurer Familie angetan habe. Ich hatte nie die Absicht gehabt, dass so etwas überhaupt passiert. Ich will einfach, dass du weißt, dass seit dem einen Tag an dem wir diese eine Schwelle übertreten haben kein Tag vergangen ist, an dem ich mich deswegen nicht schlecht gefühlt habe. Es tut mir leid, dass ich das alles angerichtet habe. Dass ich meine Gefühle nicht unter Kontrolle hatte. Ich will mich hier für nichts rechtfertigen und ich kann das was geschehen ist auch nicht rückgängig machen, aber ich will das du weißt, dass ich nie die Absicht hatte, dass sowas passiert. So ja das wärs eigentlich auch schon wieder. Ich werd mich jetzt aufs Ohr hauen, gute Nacht", beendete Steffen seinen Monolog und war bereits erneut dabei sich aus dem Staub zu machen, als Aneta vom Küchentisch aufstand und auf Steffen zu lief. "Steffen warte", bat sie ihn stehen zu bleiben. Steffen war bereits aus dem Türrahmen, weshalb er verwirrt wieder zurück lief. Bevor Steffen überhaupt realisierte was hier vor sich ging, nahm Aneta ihn einfach wortlos in den Arm. "Du bist kein schlechter Mensch, Steffen. Ich mache niemanden von euch beiden einen Vorwurf für das was vor fünf Jahren geschehen ist. Manche Dinge können wir einfach nicht beeinflussen. Man kann nicht vorhersehen wohin die Liebe fällt", flüsterte sie ihm zu. Steffen hätte mit allem gerechnet, aber nicht, dass sie auch noch so liebe Worte für ihn fand. Sie war ein wundervoller Mensch. "Danke", bedankte sich der Franke und drückte sie nochmal kurz, bevor er sich dann von ihr löste. Mittlerweile war auch Filip wieder zum Stehen gekommen und nahm den Moment der beiden mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis. "Gute Nacht", wünschte der Franke noch, bevor er sich umdrehte und zum dritten mal verschwinden wollte. "Ach ja Steffen", fiel dieses Mal Filip noch was ein, was er loswerden wollte.

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