84: Nochmal eine Chance

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Das klebrige Harz an den Fingern - den Ball in der Hand. Sofort strömte diese Leidenschaft durch den gesamten Körper des Tschechens. Sobald er wieder einen Ball in der Hand hielt, spürte er wieder wie sehr ihm das eigentlich fehlte auf dem Spielfeld Seite an Seite mit seinen Mannschaftskollegen um den Sieg zu kämpfen. Es war ein ganz anderes Gefühl, als das welches er als Trainer verspürte, wenn er nervös am Spielfeldrand auf und ablief. Es gab immer wieder diese Momente, wo er sich am liebsten selbst ein Trikot überstreifen würde und das Spiel selbst in die Hand nehmen würde. So war es ihm auch gestern gegangen. Zu gerne wäre er auf Spielfeld gerannt und hätte versucht so seine Mannschaft wieder auf die richtige Spur zu bringen. Doch als Trainer warst du manchmal machtlos - So war er es eben gestern auch gewesen. Langsam kam dieser bittere Geschmack der Niederlage hoch. Sie hatten wichtige zwei Punkte im Kampf um die Meisterschaft verloren. Beim nächsten Spiel mussten sie eine Reaktion zeigen. Eine deratige Leistung durften sie so schnell nicht wieder aufs Parkett zaubern.

Aktuell genoss Filip noch die Ruhe vor dem Sturm. Er war an diesem Morgen bereits zwei Stunden vor Trainingsbeginn ins Trainingszentrum gefahren. Zuhause hatte er es in seiner Wohnung nicht mehr ausgehalten. Zu viele Erinnerungen an Steffen hatten ihn in seinen eigenen vier Wänden verfolgt. Sobald er wieder den Rückraumspieler in sein Gedächtnis vordringen ließ, spürte er wieder diesen ziehenden Schmerz in seiner Brust. Bisher hatte er kein Lebenszeichen von Steffen bekommen. Er hatte ihm keine Nachricht geschrieben noch hatte er versucht ihn anzurufen. Diese Ungewissheit trieb Filip in den Wahnsinn. Ihre Beziehung hing am seidenen Faden. Und er konnte nichts tun, außer zu warten, bis Steffen, das Gespräch suchen würde. Weil ihn dieses Gefühl in den Wahnsinn getrieben hatte, war er bereits früh zum Trainingszentrum aufgebrochen. Erst hatte er sich für eine gewisse Zeit das gestrige Spiel nochmal angeschaut. Doch irgendwann hatte ihn dieses einerseits so wütend anderenseits so enttäuscht, dass er sich irgendwie ablenken musste. Immer wieder hatten sich auch die Szenen von dem Gespräch zwischen Steffen und ihm nach dem Spiel wieder in sein Gedächtnis gedrängt und dieses schmerzhafte Stechen in seiner Brust zurückgelassen.

Nun stand der Tscheche mit der harzverschierten Kugel in der Trainingshalle und warf einige Bälle auf das Tor. Sobald er diesen Ball in der Hand hielt, tauchte er in eine ganz andere Welt ab und konnte seine Probleme für einen Moment vollkommen vergessen. Er war so in seiner Handballwelt versunken, dass er die Person, die sich zögerlich der Trainingshalle näherte nicht wahrnahm. Es war ein seltsames Gefühl, als Steffen bereits so viele Stunden vor Trainingsbeginn die Tür zum Trainingszentrum öffnete. Doch auch er hatte es in seiner Wohnung nicht mehr ausgehalten. Dicke Augenringe gaben Ausschluss darüber, dass auch der Franke in dieser Nacht kaum ein Auge zu bekommen hatte. Kurz entschlossen war Steffen mit seiner Trainingstasche ins Auto gestiegen und war einige Minuten ziellos durch die Straßen Kiels gefahren, bis ihn sein Unterbewusstsein irgendwann hierher geführt hatte. Als er Filips Wagen auf dem Parkplatz gesehen hatte, hatte er sich kurzerhand entschlossen auszusteigen und das Gespräch zu suchen. So konnte es nicht weitergehen. Diese Ungewissheit trieb auch Steffen in den Wahnsinn. Mit pochendem Herzen, schwitzigen Händen, folgte Steffen dem vertrauten Geräusch des Handballspiels. Er lief an Filip Büro vorbei, welches jedoch leer war, weswegen Steffen erahnte, dass Filip in der Trainingshalle war. Schließlich warf irgendwer Bälle durch die Gegend und außer Filip schien noch niemand hier zu sein.

Es war ein fast beunruhigendes Gefühl, dass Trainingszentrum so ruhig zu erleben. Keine Stimmen. Kein Herumgewussel. Neugierig warf der Franke einen Blick in die Trainingshalle. Als er den Tschechen in der Halle entdeckte, spürte er wie sein Herz wieder schneller zu schlagen begann, nur durch seine bloße Anwesenheit. Filip schien so in seine Leidenschaft eingetaucht zu sein, denn er hatte den Franken noch nicht entdeckt. Schmunzelnd lehnte sich Steffen an den Türrahmen und beobachtete Filip dabei, wie dieser den Ball geschickt auf den Boden prellen ließ, bevor er anschließend impulsiv sich vom Boden abstieß und zum Sprungwurf hochstieg. Er hatte es nicht verlernt. Das Gefühl für den Ball lag ihm noch immer im Blut. Er feuerte den Ball direkt in den Winkel. Steffen spürte wie er aus dem träumen gar nicht mehr rauskam. Er hatte es immer geliebt, Filip beim Handball spielen zu zu sehen. Es gab nur wenige Spieler die diesen Sport so beherrschten wie er. Umso wertvoller ist es für die Handballwelt, dass sein Talent und Wissen über diesen Sport nach seinem Karriereende nicht weggeworfen wurde. Nun gab er sein Wissen als Trainer an sie weiter. Sie konnten sich echt glücklich schätzen einen so großartigen Trainer wie Filip zu haben. Ein lautes Geräusch riss Steffen wieder aus den Gedanken. Im Augenwinkel sah er den Ball an der Latte abprallen und in seine Richtung fliegen.

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