98: Harter Kampf

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Filip:

Champions League Final 4 in Köln - bereits sechs Mal hatte ich an diesem Turnier als Spieler teilnehmen dürfen - zweimal hatte ich bereits den Titel gewinnen können. Nun stand ich wieder in der Lanxess Arena in Köln beim Final4. Dieses Mal jedoch nicht als Spieler, sondern als Trainer des THW Kiels. Und dieses Jahr war es auch anders, als all die Jahre zuvor. In der Halle war es gefühlt totenstill. Keine Fangesänge. Keine Trommeln. Nur die Hintergrundmusik aus den Hallenboxen. Aber daran hatte man sich mittlerweile schon fast gewöhnt. Nervös tigerte ich bereits am Spielfeldrand auf und ab, während sich die Spieler bereits fertig machten und aufs Spielfeld begaben. In wenigen Sekunden war es soweit. In wenigen Minuten würde das Halbfinale angepfiffen werden. Man konnte mir die Anspannung förmlich ansehen. In wenigen Minuten würde sich zeigen, ob ich meine Spieler richtig auf das Spiel einstellen konnte. Ich wusste, dass wir eventuell in den nächsten zwei Tage Geschichte schreiben konnten. Doch der Grad zwischen Träumen und realisitisch bleiben war groß. Ich wusste, dass wir es schaffen könnten. Ich glaubten an jeden einzelnen meiner Spieler. Ich glaubte aber vor allem daran, dass wir als Mannschaft auch Veszprem schlagen könnten. Vor wenigen Wochen in Kiel waren wir knapp dran gewesen. Doch ich wusste auch, dass es schwer werden würde. Schließlich stand uns eine der besten Mannschaften Europas gegenüber.

Der Pfiff der Schiedsrichter hallte durch die leere Halle. Das zweite Halbfinale war angepfiffen. Jetzt zählte es. Motivierend klatschte ich nochmal in die Hände, um meine Jungs auf dem Spielfeld anzufeuern. Anwurf hatten die Ungarn. Wir verschiebten gut und der erste Wurf von Nenadic konnte von Niklas entschärft werden. Zufrieden reckte ich die Arme nach oben und klatschte aufmunternd in die Hände. Wir hatten die Möglichkeit als erstes in Führung zu gehen und einen gelungenen Strat in die Partie zu haben. Aufgeregt hüpfte ich an der Bank entlang Richtung Spielgericht ohne dabei eine Sekunde den Blick vom Spielfeld zu nehmen, wo gerade Harald von der ungarischen Abwehr etwas hart in Empfang genommen wurde und den ersten kleinen Nasenstüber einstecken musste und sich kurz schütteln musste. Wir machten den Ball schnell, bewegten uns gut, doch die Abwehr der Ungarn schob gut die Lücken zu, sodass Harald zu einer mehr oder weniger guten Wurfchance gezwungen wurde und auf der Torhüter der Ungarn sich mit einer ersten Parade auszeichnen konnte. Sofort lief ich wieder an die andere Seite der Bank und bangte angespannt der zweiten Welle der Ungarn entgegen. Sie drückten aufs Tempo, um unsere Ordnungsphase ausnutzen zu können. Immerhin hatten wir es geschafft wenigstens Bammbamm anstelle von Miha in die Abwehr stellen zu können. Der Angriff Abwehrwechsel von Harry und Raffi hat nicht funktioniert.

Doch auch die Ungarn waren etwas nervös, schließlich handelt es sich hier nicht um ein Gruppenspiel in der Championsleague, sondern um das Halbfinale. Der Versuch den Kreis anzuspielen landete im Nichts. Nun drückten wir aufs Tempo. Peke erkannte den auf die andere Spielhälfte gesprinteten Rune, der trotz seiner Kniebeschwerden immer noch verdammt schnell war und spielte einen langen Pass über das halbe Spielfeld hinweg zu unserem Kieler Eigengewächs. Auch zwei Abwehrspieler waren bereits wieder auf der anderen Seite doch Rune zog mit einem blitzschnellen Antritt an diesen vorbei und setzte schließlich doch den ersten Treffer für uns. 1:0. Zufrieden klatschte ich in die Hände. Einen kurzen Moment atmete ich das erste Mal durch. Wir waren im Spiel angekommen. Bereits in den ersten Sekunden spürte ich, dass es ein ganz anderes Gefühl war im Final4 als Trainer an der Seitenlinie zu stehen und nicht als Spieler auf dem Spielfeld. Es war ein ganz andere Anspannung, die sich in meinem Körper breitgemacht hat, als damals als Spieler. Ich wusste, dass ich nur geringfügig eingreifen konnte und mich auf meine Spieler verlassen musste. Es gab Spiele, in welchem mir diese neue Aufgabe leicht fiel. Aber es hat auch schon Spiele gegeben, in welchen ich kurz mit dem Gedanken gespielt hatte, mir schnell einfach ein Trikot überzustreifen und selbst mich wieder aufs Spielfeld zu stellen. Dass dies vermutlich auch nichts ändern würde, weil ich einfach nicht mehr im Training und der Verfassung war ein Handballspiel auf diesem Niveau spielen zu können, ist mir dann aber auch Recht schnell immer klar geworden. Aber auch jetzt spürte ich wieder wie ich am Spielfeld stand irgendwelche unkonventionellen Bewegungen machte, während ich gebannt das Spielfeld betrachtete und irgendwohin mit meiner Energie musste.

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