71: Es war schön Sie kennengelernt zu haben

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Es war gerade erst acht Uhr in der früh, doch für Filip fühlte es sich so an, als wäre er bereits seit Stunden wach. Verschlafen tapste der Tscheche zu seiner Kaffeemaschine, um sich bereits die dritte Tasse Kaffee zu machen, damit er wenigstens etwas aufnahmefähig war. Bereits seit mehr als zwei Stunden war der Trainer des THW Kiels wach und damit beschäftigt sich auf das nächste Spiel gegen den FC Barcelona vorzubereiten. Zu einer derartigen Vorbereitung gehörten jedoch auch unschöne Erinnerungen. Bisher hatte er die Analyse der hohen Heimpleite gegen den FC Barcelona unter der Woche hinausgezögert, doch nun kam er auch daran nicht vorbei. Er musste sich intensiv mit diesem Spiel auseinandersetzen und jeden noch so winzigen Fehler herausarbeiten, damit sie es im Rückspiel besser machen können. Sie mussten dieses Spiel in Barcelona gewinnen. Sie hatten sich bereits genug Ausrutscher in der Gruppenphase der Championsleague erlaubt. Sie mussten nun endlich mal wieder ein paar wichtige Punkte einsacken, sonst war das Ziel einer der beiden ersten Plätze noch belegen zu wollen in weite Ferne gerückt.

Das Rauschen der Kaffemaschine ließ nach und Filip nahm sich die Tasse, welche mit dem heißen Wachmacher gefüllt war, aus der Maschine und nahm einen kleinen Schluck. Er stellte die Tasse auf der Arbeitsfläche der Küche ab und steuerte den Kühlschrank an. Bisher hatte er sich nur tassenweise den Kaffee auf leeren Magen runtergeleert. Vielleicht wäre es mal Zeit, auch den Magen mit etwas anderen als Kaffee zu fütten. Seine Augen überflogen den Inhalt seines Kühlschranks. Kurzerhand nahm er die Milch aus dem Kühlschrank und holte die Müsliverpackung aus einer der Schubladen. Er wollte gerade das Müsli in die Schale schütten, als er frustriert feststellte, dass das Müsli aus war. Er wusste zwar nicht, wann er das letzte Mal Müsli gegessen hatte, aber anscheinend hatte sich Steffen reichlich an diesem bedient. Da er keine Packung mehr auf Vorrat hatte, entfuhr ihm ein leichtes Stöhnen. Da er jedoch keine Lust hatte jetzt erst in den Supermarkt fahren zu müssen, aber nur Milch auch kein richtiges Frühstück war, blieb ihm nichts anderes übrig als den Schlüssel zu ihrer anderen Wohnung zu nehmen und sich dort etwas vom Müslivorrat zu klauen. Er wusste, dass Aneta bestimmt 10 Packungen mit den unterschiedlichsten Müslisorten auf Vorrat hatte, denn seine Kinder frühstückten so gut wie immer Müsli. In sich gekehrt riss er die Wohnungstür auf und wäre beinahe mit einer Person zusammengeprallt, die gegenüber von ihrer Wohnung am Treppenabsatz stand.

Als er sah, wer vor ihrer Wohnung rumlauerte, wäre Filip tausendmal lieber in die Wohnung zurückgekehrt und hätte sich freiwillig die enttäuschende Niederlage gegen Barcelona reingezogen. "Was willst du?", brummte er den unerwünschten Gast an. Nervös spielte Alex mit seinen Fingern. Er war noch sicher gewesen, ob es eine gute Idee wäre hier aufzutauchen. Doch er musste mit Steffen reden. Er hatte die ganze Nacht kein Auge zugemacht. Mehrmals hatte er versucht Steffen anzurufen, doch er hatte verständnisvollerweise kein einziges Mal darauf reagiert. Er hatte alles kaputt gemacht. Er kann nachvollziehen, dass Steffen ihn jetzt vermutlich hasste. Doch er wollte mit ihm reden. Ihn versuchen die Sache zu erklären. Er wollte nicht, dass sie so auseinandergehen. Er spürte wie der Blick von Filip ihn weiterhin wütend anfunkelte und langsam bekam er echt Angst. Er konnte nachvollziehen, dass Filip wütend auf ihn war. Schließlich hatte er sich auch wie ein riesen großes Arschloch verhalten, doch er wollte einfach mit Steffen sprechen. "Ist Steffen da? Ich muss mit ihm reden", versuchte er schließlich doch sein Glück. Er wollte nicht umsonst hierher gefahren sein. "Ich würde vorschlagen, dass es besser wäre, wenn du jetzt wieder die Fliege machst, bevor ich ausversehen deine Nase dranglauben lasse", fauchte Filip. Er hatte gehofft seine Visage nie wieder sehen zu müssen, doch dieser Wunsch war wohl nicht in Erfüllung gegangen. "Ich will nur kurz mit ihm reden, Filip", versuchte Alex erneut sein Glück. "Verpiss dich! Du hattest deine Chance", kam es sofort bestimmend von Filip. Seine Stimme wurde nun lauter und seine Mundwinkel zitterten wütend.

"Machen wir nicht alle mal Fehler?", versuchte Alex es nochmal. "Hab ich dir nicht gesagt du sollst dich verpissen: Steffen will dich nicht sehen also kannst du wieder gehen", Filip spürte, wie seine Geduldschiene sehr stark auf Probe gestellt wurde. Er hatte Hunger und Alex trieb ihn förmlich zur Weißglut. Er hatte echt Mühe, einigermaßen noch gesittet zu bleiben. "Nur zwei Minuten - ich will nur kurz mit ihm reden", ließ Alex noch immer nicht locker. "Der schläft", versuchte Filip es nun auf eine andere Varainte Alex endlich wieder loszuwerden. "Bitte Filip: Kannst du ihn nicht kurz wecken: Ich muss nur kurz mit ihm reden", Alex klang richtig verzweifelt, sodass Filip sogar für eine winzige Sekunde Mitleid mit ihm hatte. "Hättest es dir vielleicht vorher überlegen sollen, bevor du ihn so eiskalt abservierst und mit einem anderen in aller Öffentlichkeit rumknutschst", entgegnete Filip und wollte nun die Wohnungstür hinter sich zu ziehen, um endlich seinem eigentlichen Vorhaben nachzugehen. Doch in diesem Moment ging die Gästezimmertür auf und ein verschlafener Steffen mit geschwollenen Augen und dicken Augenringe trat aus diesem. Sein Anblick zeriss ihm das Herz. Und die Ursache, dafür, dass es Steffen so scheiße ging, stand direkt vor ihm. Filip spürte wie die Wut in ihm hochkochen begann. "Verpiss dich und tauch hier nie wieder auf", fauchte Filip so laut, dass selbst der weggetretene Steffen, auf die angespannte Situation, die sich an der Wohnungstür abspielte, aufmerksam wurde.

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