Ich wagte es einen Blick in den Rückspiegel zu werfen und sah Stefan hämisch grinsen. "Das beruht nicht auf Gegenseitigkeit!" Meine Stimme zitterte genau wie der Rest meines Körpers und ich hoffte, ich würde nur wieder schlecht träumen. Aber das hier war die Realität, es passierte wirklich, genau jetzt in diesem Augenblick.
"Schade.. sehr, sehr schade. Eigentlich dachte ich, du würdest dich genauso freuen." Er langte mit einem Arm zwischen den Sitzen hindurch und spielte mit einer meiner Haarsträhnen. Als er mich im Gesicht berühren wollte, schlug ich seine Hand weg. "Lass das!", fauchte ich und er lachte heißer. "Dein wildes Temperament fand ich schon immer scharf, aber vielleicht solltest du dich ein bisschen zurückhalten." Auch wenn er ruhig sprach, klang er mehr als bedrohlich.
"Sonst was?", fragte ich herausfordernd und spürte plötzlich, wie Stefan mir etwas kaltes fest an die Seite meines Halses drückte. "Sonst bring ich dich um!" Mir stockte der Atem und ich schielte etwas nach rechts, er hielt mir den Lauf einer Pistole an den Hals. "Das ist ein Argument.", sagte ich heißer und schluckte. "Na, siehst du. Ich wusste, das überzeugt dich."
Er nahm die Waffe weg und beugte sich nun nach vorne. "Wir beide gehen jetzt deine Sachen packen und dann wirst du auschecken. Du wirst hauptsächlich mich sprechen lassen und auf keinen Fall irgendwelche Dummheiten machen. Ansonsten leg ich erst dich, dann diese blondhaarige Wirtin und noch ein paar andere um. Verstanden?" Da ich kein Wort heraus brachte, nickte ich nur. "Braves Mädchen. Steig aus, los!", befahl er mir und ich gehorchte.
Stefan stieg ebenfalls aus und lief ganz dicht neben mir. Er legte mir einen Arm um die Taille, damit ich überhaupt keine Chance hatte zu fliehen. Wir gingen schnurstracks nach oben, wo ich ihn zu meinem Zimmer führen sollte. "Mach schon auf!", drängte er, als ich den Schlüssel nicht ins Schloss hinein bekam. "Selbst dazu bist du zu blöd!" Unsanft zog er mich von der Tür weg, nahm mir den Schlüssel ab und übernahm das Aufschließen selbst. Erneut packte er mich dann und schubste mich ins Zimmer, wobei ich stolperte und hin fiel. Noch rechtzeitig konnte ich mich abfangen, um nicht auf dem Bauch zu landen.
"Du hast genau sieben Minuten. Was du nicht schaffst einzupacken, bleibt hier!", lauteten seine Anweisungen, während ich mich wieder aufrappelte und mir noch kurz den Bauch hielt. Dann holte ich den leeren Koffer aus dem Schrank und begann zu packen, während Stefan sich aufs Bett setzte und genau aufpasste.
Ich lief von einer Ecke des Zimmers in die nächste, achtete darauf bloß nichts zu vergessen und malte mir dabei die skurrilsten Fluchtmöglichkeiten aus. Nur keine von ihnen schien sich bis jetzt wirklich umsetzen zu lassen und ich wollte kein Risiko eingehen.
Als ich aus dem Bad kam, sah ich Stefan mit seiner Waffe herum hantieren. "Es war wirklich keine gute Idee einfach abzuhauen, wir hätten über alles reden können." Ich sagte nichts, sondern warf weiterhin Sachen achtlos in den Koffer. "Ich habe echt wichtigere Dinge zu tun, als dich vom Arsch der Welt wieder nach Hause zu holen.", sprach er vorwurfsvoll weiter. "Darum hat dich keiner gebeten.", nuschelte ich und war der Meinung, er hätte es nicht verstanden. "Was nuschelst du da?", fragte Stefan dann aber und ich zuckte leicht zusammen. "Keiner hat dich darum gebeten, mir hierher zu folgen.", wiederholte ich lauter. "Wir haben uns voneinander getrennt, ich kann machen was ich will!"
Stefan stand auf und stellte sich hinter mich. Ich versteifte augenblicklich, als er von hinten seine Arme um mich legte und mit einer Hand unter mein Oberteil fuhr. "Man verlässt mich nicht so einfach, Gem. Ohne mich bist du nichts, du gehörst mir!" Ich versuchte seine Hand wegzunehmen, aber er war hartnäckig. "Sobald wir zurück in München sind, wird alles wieder wie vorher. Nur du und ich, das klingt doch wunderbar." Diese Überzeugung teilte ich in keinster Weise mit ihm. "Und Laura?", wollte ich wissen und er drehte mich zu sich um. Mich dagegen wehren zu wollen war zwecklos. "Die gehört nach wie vor dazu, versteht sich. Weil sind wir mal ehrlich.." Er strich mir über die Wange, aber Liebe war in seinem Blick nicht mehr zu erkennen. Das war einmal anders gewesen. "..im Bett taugst du nichts!", beendete Stefan seinen angefangen Satz und ich stieß ihn von mir weg. "Aber zum gelegentlichen Spaß und zum Schwängern war ich dir noch gut genug, mh?" Das mir das jetzt heraus gerutscht war, bereute ich zutiefst.
"Was meinst du damit?", fragte er. "Rede!", herrschte mich mein Ex an und packte mich erneut grob am Handgelenk. "Ich bin schwanger!", teilte ich ihm nun mit und hoffte, diese Tatsache würde ihn zum Nachdenken anregen. Aber zu allem Überfluss, begann Stefan zu lachen. "Toller Witz und den hast du so überzeugend rüber gebracht, ich dachte echt du meinst das ernst!" Seine Reaktion verstand ich überhaupt nicht. "Das war auch vollkommen ernst gemeint, Stefan! Ich bin schwanger, es existieren sogar schon die ersten Ultraschallbilder!" Ich befreite meinen Arm aus seinem Griff und holte meinen Mutter-Kind-Pass aus der Nachttischschublade, die ich noch nicht ausgeräumt hatte. "Hier, schau doch!", wies ich ihn an und drückte ihm das kleine Heft in die Hand. Stefan starrte es erst kurz an, bevor er anfing darin zu blättern. In mir blühte schon die Hoffnung auf, er würde dadurch endlich wieder zur Vernunft kommen. Wir hatten und doch immer ein Baby gewünscht, wollten eine richtige Familie werden. Wenn er jetzt sein Aggressionsproblem in den Griff bekam, war es dafür vielleicht noch nicht zu spät. Denn nach allem was er mir angetan hatte, ich hatte diesen Mann einmal geliebt und zu dieser Zeit war er kein Gewalttäter gewesen. Aber wir sich herausstellen sollte, war von meinem damaligen Lebensgefährten nichts mehr übrig.
"Du bist also wirklich schwanger.", sagte er verbittert und ohne etwas Freunde in seinen Worten. "Und was stehst du hier noch so dämlich rum? Hol dir die Pille danach oder unternimm was anderes, ich will bestimmt keinen Schreihals im Haus!" Stefan warf vor lauter Wut den Pass gegen die Wand. "Für die Pille danach ist es schon viel zu spät und außerdem werde ich dieses Kind bekommen!", stellte ich klar. "Auf keinen Fall! In München lassen wir es abtreiben, da kannst du dich sträuben wie du willst!" Erstaunlich, dass noch keiner das Geschrei hier gehört zu haben schien. "Nein, da gibt es klare Richtlinien! Man kann eine Mutter nicht zu einer Abtreibung zwingen, du kannst mich nicht zwingen!"
Kaum hatte ich ausgesprochen, kam Stefan auf mich zugestürmt und packte mich wieder. "Dann regeln wir das eben unter uns und wag es nicht zu schreien, ansonsten weist du was passiert." Stefan hatte erneut ein scheußliches Grinsen aufgesetzt und bevor ich reagieren konnte, hatte er mir schon einen festen Schlag in den Bauch verpasst. Hätte Stefan mich nicht gleich danach Richtung Bett geschubst, wäre ich wahrscheinlich in mir zusammengefallen. So landete ich wenigstens etwas weicher auf der Matratze und hielt mir den schmerzenden Unterleib. Nur krampfhaft konnte ich die Tränen zurückhalten und richtete mich auf.
"Falls das Problem dadurch nicht gelöst ist, wiederholen wir das! Und jetzt mach den Koffer zu, deine sieben Minuten sind schon längst um!" Ein paar Dinge lagen noch im Zimmer verteilt, aber ich tat was er von mir verlangte. Ich hievte mein Gepäck vom Bett, es kam mir schwerer vor als bei meiner Ankunft. "Brauchst du Hilfe?", fragte Stefan plötzlich und ich nickte zaghaft. "Tja, Pech gehabt. Ich helf dir bestimmt nicht!"
Da ich nicht mehr konnte, ließ ich den Koffer kurz los und wandte mich zu ihm um. "Was genau hat dich eigentlich zu dem Arschloch gemacht, das du heute bist?" Stefan kam näher. "Ich behandle dich nur, wie du es verdienst. Und jetzt gib mir einen Kuss, so wie es sich für eine anständige Frau gehört." Aber ich weigerte mich, weshalb er mich einfach an sich zog und mir seine Lippen auf den Mund drückte. Diesen presste ich fest zusammen und als er mich endlich los ließ, gab ich ihm aus Reflex eine schallende Ohrfeige.
"Wie kannst du es wagen?" Stefan lachte. "Wie ich es wagen kann? Wie ich es wagen kann? Du gehörst mir, deshalb kann ich es wagen!" Ich hielt tapfer seinem Blick stand. "Du hast immer gesagt, du willst nie wie dein Vater werden. Ich weiß noch, wie du ihn immer betitelt hast! Als Frauenschänder und was weiß ich nicht alles!", ging ich ihn nun an. "Und jetzt ist aus dir das Gleiche geworden, ein kaltherziges Monster! Wenn deine Mutter noch leben würde, dann.." Ich konnte nicht aussprechen, da er mir eine gehörige Schelle verpasst hatte. Das war ein Thema mit dem man ihn aus der Fassung bringen konnte, seine früh verstorbene Mutter.
"Komm jetzt!", drängte er wütend, nahm den Koffer und schubste mich zur Zimmertür hinaus. Ich checkte aus und wir verließen die Pension, draußen trafen wir auf Susanne. "Wo willst du denn hin?", fragte sie und musterte mich, auch Stefan nahm sie prüfend in Augenschein. Man sah mir doch die Misshandlungen von gerade bestimmt an. "Gemma kommt mit mir nach Hause. Nicht wahr, Schatz?" Stefan redete, als wären wir immer noch zusammen und glücklich miteinander. Als ich nicht sofort antwortete, drückte er fest meine Hand, die er seit vorhin nicht mehr losgelassen hatte. "Ja, ich.. ich fahre mit ihm zurück nach München.", stammelte ich. "So plötzlich? Und was ist mit deinem Gesicht passiert? Das sieht total geschwollen aus.", stellte Susanne fest und wollte es sich genauer ansehen, jedoch drehte ich den Kopf sofort weg. "Nur ein dummer Unfall. Ich bin.." Ich überlegte mir schnell eine halbwegs glaubhafte Ausrede. "Ich hatte vorhin ein Meeting mit dem Türrahmen.", log ich schließlich und Stefan verringerte den Druck auf meine Hand wieder. "Ohje, du machst ja Sachen. Vielleicht sollte Martin sich das nochmal schnell ansehen, bevor ihr losfahrt. Wer sind sie eigentlich?", fragte die Wirtin misstrauisch. "Stefan Lorenz, mein Name. Ich bin Gemmas Lebensgefährte.", stellte er sich vor. "Hast du dich nicht von ihm getrennt, weil er.." Susanne brach sofort ab, als ich leicht den Kopf schüttelte. Damit wollte ich ihr zeigen, dass sie lieber nicht weiter nachfragen sollte.
"Wir haben uns ausgesprochen und würden jetzt gerne fahren, komm Gemma." Stefan wollte mich schon mit sich ziehen, aber ich wollte nicht gehen ohne mich richtig verabschiedet zu haben. Martin konnte ich gleich gar nicht auf Wiedersehen sagen. 'Wenn du überhaupt jemals wieder hierher kommen kannst.', dachte ich wehmütig. 'Er wird dich nie mehr gehen lassen und dich früher oder später umbringen, solltest du jetzt nichts unternehmen.' Stefan sah mich durchdringend an, aber ich blieb stehen.
"Ich möchte mich noch richtig verabschieden, Schatz." Das letzte Wort klang wie ich es wollte, nämlich hasserfüllt. Mein Ex nickte und ließ meine Hand widerwillig los, sofort fiel ich Susanne um den Hals.
"Hilf mir!", flehte ich kaum hörbar, sodass nur sie es verstehen konnte. Erschrocken ließ sie mich ein wenig los, damit wir uns in die Augen sehen konnten und nickte. Ich wusste sie hatte kapiert, das hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Und als ich mich mit Stefan in mein Auto setzte betete ich, dass wirklich bald Hilfe kommen würde.